Doris Laatz hat es wieder und wieder versucht – „jeden Tag“. Das sagt nicht sie, sondern ihr Schwiegervater. Detlev Dewers weiß, was die Frau seines Sohnes alles probierte, um für ihren Mann ein Team von Intensivpflegern zu bekommen. Sie hat es Dewers via Whatsapp geschrieben. Mal lautete die Nachricht: „Wir haben eine Zusage für nächste Woche!!!“ Dann: „Der Pflegedienst hat abgesagt.“ Über Monate ging das so. Dewers sagt, dass ihm das Hin und Her zu schaffen machte. Und dass er froh ist, dass Doris Laatz nicht aufgab.
Sie sitzt allein im Wohnzimmer. Der Computer ist an, das Smartphone liegt neben ihr. Doris Laatz kann heute nicht mehr sagen, wie viele E-Mails sie geschrieben und Telefonate geführt hat, damit ihr Mann bekommt, was er braucht: „Es waren zu viele.“ Anfangs suchte sie bremenweit nach einem Team, dann bundesweit. Von manchen Pflegediensten, die erst zuversichtlich waren, hörte sie später nichts mehr. Doris Laatz glaubt, dass sie zu oft gefragt hat, wann denn nun die angekündigten Fachkräfte kommen, die eigentlich doch längst da sein sollten.
Doris Laatz hat jedem gesagt, dass es eilt. Dass ihr Mann momentan im Krankenhaus ist und nur dann nach Hause kann, wenn sie ein Team für ihn gefunden hat. Die Ärzte haben das zur Auflage gemacht. Sie sagen, dass Tobias Laatz permanent betreut und beatmet werden muss. Die Fachkräfte, argumentieren sie, sind zu seinem Schutz. Und gewissermaßen auch zu ihrem. Die Mediziner wissen, wie lange Doris Laatz ihren Mann allein gepflegt hat und was es bedeutet, Tag und Nacht für einen Menschen da zu sein, der immer mehr Hilfe braucht, weil er immer weniger kann.
Wusste sie nicht weiter, haben ihr andere gesagt, was sie noch versuchen könnte, um Fachkräfte zu finden. Intensivpfleger meldeten sich auf Facebook bei ihr, auch freiberufliche. Irgendwann waren es so viele, dass Doris Laatz einen Gruppenchat einrichtete – und die Teilnehmer fragte, ob sie sich vorstellen könnten, ein Team für ihren Mann zu bilden, wenn denn die Pflegedienste keines bilden können. Manche sagten ab, andere gingen nicht mehr online. Doris Laatz sagt, dass sie sich zuvor bei der Pflegekasse erkundigt hat: „Ich hätte ein Team zusammenstellen dürfen.“
Jetzt macht das ein anderer für sie. Oder versucht es zumindest. Der Pflegedienst, den Doris Laatz schließlich doch noch fand, hat Stefanie Bittner als erste und zunächst einzige Fachkraft geschickt. Mehr Personal soll folgen, sobald welches frei wird. Und solange es nicht da ist, gehört Doris Laatz eben mit zum Team. Sie zuckt mit den Schultern. „Tobi ist mein Mann, also kümmere ich mich um ihn.“ Bittner meint, dass die Ehefrau das gut macht. So gut, dass sie ihr mehrmals geraten hat, Intensivpflegerin zu werden.
Neulich hat Doris Laatz mit einem Teamleiter darüber gesprochen. Er sagte ihr, dass er Leute wie sie sucht. Leute, die wissen, was Pflegen bedeutet. Er sprach davon, sie sofort zu nehmen und ihre Ausbildungszeit zu verkürzen: von drei auf zwei Jahre. Doris Laatz soll es sich überlegen.