In Bremen haben nur noch drei Tankstellen den Treibstoff Erdgas im Angebot. Das ärgert vor allem die Verbraucher, denn sie müssen nun weite Wege auf sich nehmen.
Wenn Wolfgang Einig aus Schwachhausen tanken will, muss er weit fahren. Sein Volvo braucht Erdgas. Nur noch drei Tankstellen in Bremen haben den Treibstoff im Angebot. „Vor zehn Jahren hieß es, das Netz würde ausgebaut“, sagt Einig. „Aber das Gegenteil ist der Fall.“
Nachdem jüngst auch die Tankstelle an der Plantage in Findorff zugemacht hat, müssen Besitzer von Erdgas-Autos entweder zur Neuenlander Straße oder in die Osterholzer Landstraße fahren. Eine dritte Tankstelle gibt es in Bremen-Nord.
Nicht nur in Bremen schrumpft das Angebot: Auch an den Autobahnen gibt es kaum noch Erdgas. „Wenn ich in den Urlaub fahre, muss ich für die Reise je nach Strecke ein bis zwei Stunden länger einplanen“, sagt Einig. Bundesweit verkaufen nur 905 von 14.500 Tankstellen den Treibstoff. Sowohl die Zahl der Tankstellen als auch die der erdgasbetriebenen Fahrzeuge geht zurück.
Geschäft mit Erdgasautos ist rückläufig
Das Erdgas für die verbliebenen drei Tankstellen in Bremen kommt vom hiesigen Energieversorger SWB. „Das Geschäft ist rückläufig“, bestätigt ein Sprecher auf Nachfrage des WESER-KURIER. Das liege in erster Linie daran, dass weniger Wagen verkauft würden.
Nach aktuellen Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes zu den Neuzulassungen von Erdgas-Fahrzeugen ergibt sich für 2016 im Vergleich zum Vorjahr ein Rückgang um 38,7 Prozent – von 5285 Autos auf 3240. „Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache: Der fehlende politische Rückhalt für Gaskraftstoffe verunsichert die Verbraucher“, sagt der erste Jobst-Dietrich Diercks, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Verbandes Flüssiggas.
Die Politik habe die Verlängerung des Steuervorteils für Gaskraftstoffe entgegen aller Ankündigungen immer noch nicht verabschiedet. Der Gesetzesentwurf sieht vor, Erdgas bis 2024 steuerlich zu bevorzugen. Während in Bremen 2014 noch 82 Autos zugelassen wurden, waren es 2015 nur noch 44. Im vergangenen Jahr lag der Anteil der Flüssiggas- oder Erdgas-Autos bei gerade einmal vier Prozent.
Erdgaswagen haben viele Vorteile
Erdgasmotoren wurden einst als Technik der Zukunft angepriesen. Auch in Bremen hatten daraufhin neben privaten Nutzern auch diverse Flottenbetreiber auf Erdgasautos umgestellt. Tatsächlich gibt es gute Argumente für den Antrieb: Das Fahren ist umweltfreundlicher als mit Benzin- oder Dieselfahrzeugen. Der Schadstoffausstoß geringer, die Verbrennung leiser, die Betriebskosten niedriger.
Zuletzt sorgte die Technik aber vor allem für negative Schlagzeilen: Im September 2016 explodierte ein defekter Erdgastank in einem VW Touran im niedersächsischen Duderstadt. Ein Autofahrer wurde durch umherfliegende Trümmerteile schwer verletzt. Die Ölgesellschaften reagierten prompt und empfahlen ihren Pächtern, vorerst kein Erdgas mehr auf ihren Tankstellen zu verkaufen.
Bereits zuvor hatte Volkswagen eine Rückrufaktion von Erdgasautos gestartet, von der mehr als 35.000 Fahrzeuge der Modelle Caddy, Touran und Passat betroffen waren. Der Hersteller hatte den Autobesitzern empfohlen, wegen möglicher Korrosionsgefahr die Gasflaschen vorsorglich austauschen zu lassen und bis zur Umrüstung das Fahrzeug nur im Benzinbetrieb zu nutzen.
Anschaffung von Erdgas-Zapfsäulen lohnt sich nicht
Das Interesse an Erdgas-Fahrzeugen ist nicht nur bei den Verbrauchern gesunken. In Zeiten von sinkenden Verkaufszahlen sei auch die Anschaffung von Erdgas-Zapfsäulen für die Tankstellenbetreiber kein lohnendes Geschäft mehr, erklärt Stephan Zieger, Geschäftsführer des Bundesverbands Freier Tankstellen. "lukrativ ist dieses Investment nicht." Je nach Standort koste die Umrüstung 300.000 bis 400.000. Im Vergleich würde die Investition in eine Autogas-Anlage gerade einmal 30.000 bis 40.000 Euro kosten. „Erdgas spielt keine erkennbare Rolle mehr", sagt Zieger. "Über den Hype um die Elektro-Autos ist diese Technologie unfertig auf der Strecke geblieben."

Die Verlierer dieser Entwicklung seien vor allem Verbraucher wie der Bremer Wolfgang Einig, meint Nils Linge vom Automobilclub ADAC in Bremen. „Das Geschäft mit Erdgasfahrzeugen läuft in eine Sackgasse“, sagt er. „Die Hersteller setzen nicht mehr auf diese Technologie – eigentlich haben sie es nie getan.“ Der Erdgas-Antrieb sei zwar eine gute und ausgereifte Technologie, die Fahrzeuge aber mittlerweile nur noch ein Nischenprodukt ohne echte Zukunft. „Für Verbraucher, die täglich auf ihr Auto angewiesen sind, ist Erdgas bei diesem Tankstellennetz keine Alternative“, sagt Linge, der selbst einen Dienstwagen mit Erdgas-Antrieb fährt.
Wolfgang Einig will seinen Wagen verkaufen. „Wir überlegen, uns nun einen Benziner oder vielleicht sogar ein Elektroauto anzulegen“, sagt er. Doch sein Erdgas-Auto wird er wohl nur mit hohen Verlusten loswerden: Durch das schlechte Tankstellennetz und die sinkende Nachfrage ist der Wiederverkaufswert seines Volvos gering.