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Grüne Sozialsenatorin unter Druck Erste Zelte für Flüchtlinge werden aufgebaut

Offiziell wiegelt Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann noch ab: Es gebe keine konkreten Pläne, Zeltlager für Flüchtlinge einzurichten. Tatsächlich werden aber bereits klammheimlich Fakten geschaffen.
13.06.2015, 00:00 Uhr
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Von Sara Sundermann Anke Landwehr Sabine Doll

Offiziell wiegelt Bremens Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) immer noch ab: Es gebe keine konkreten Pläne, Zeltlager für Flüchtlinge einzurichten. Tatsächlich werden aber bereits klammheimlich Fakten geschaffen. In einer E-Mail vom Freitag, die dem WESER-KURIER vorliegt, informiert der Senator für Inneres und Sport die Nutzer der Sportanlage auf dem Stadtwerder: „Auf der Fläche hinter dem Lidice-Haus werden in den nächsten Tagen Zelte für Flüchtlinge aufgebaut.“ Deswegen würden auch Teile der Sanitäranlagen gebraucht.

Am Freitag tauchte Stahmann, die wegen der Unterbringung von Flüchtlingen immer stärker unter Druck gerät, unerwartet bei der alten Zentralen Aufnahmestelle (ZASt) in der Steinsetzerstraße auf. Wie am Donnerstag bekannt wurde, muss das Gebäude wegen eines Bettwanzen-Befalls geräumt werden. In dem überfüllten und maroden Wohnheim leben rund 200 minderjährige Flüchtlinge. Die Senatorin traf vor dem Haus auf eine große Gruppe Journalisten, die sich ein Bild über die Zustände in der Einrichtung machen wollten. Der Zutritt wurde ihnen jedoch verwehrt. „Wir wissen, dass wir hier einen Schwachpunkt haben, aber die Sozialbehörde hat nichts verschlafen“, sagte die Senatorin.

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Unterdessen wird selbst vom Koalitionspartner massive Kritik an Stahmanns Flüchtlingspolitik laut. Klaus Möhle, sozialpolitischer Sprecher der SPD: „Es war vorhersehbar, dass es zu solchen Zuständen kommt. Das schockiert mich wahnsinnig.“ Er wirft der Behörde vor, nicht schnell genug mit neuen Unterkünften auf die steigenden Flüchtlingszahlen reagiert zu haben. „Wir brauchen dringend eine langfristige Strategie, das wurde versäumt.“ Er fordert außerdem mehr Kontrollen des Gesundheitsamts in den Einrichtungen.

Auch die CDU wirft Stahmann vor, nicht rechtzeitig reagiert zu haben. „Die Sozialbehörde läuft der Situation ständig hinterher“, sagt die sozialpolitische Sprecherin der Fraktion, Sigrid Grönert.

Gesucht wird nun eine Unterbringung für die Jugendlichen, die die ZASt verlassen müssen. „Die Senatorin hat mich um Hilfe gebeten“, sagt Arnold Knigge, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege (LAG-FW). „Wir versuchen, so viele Jugendliche wie möglich übergangsweise in anderen Heimen aufzunehmen, aber wir wollen unsere Standards auch nicht dauerhaft unterschreiten.“ Knigge war offenbar bereits eingeweiht, dass auf dem Stadtwerder Zelte aufgebaut werden sollen.

Seit September 2014 ist der Verein DEVA in Kooperation mit der Reisenden Werkschule Scholen (rws) dafür zuständig, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Bremen so lange zu begleiten, bis sie die Erstaufnahmestelle verlassen. Geschäftsführerin Susanne Sternberg ist froh, dass in der ZASt „jetzt endlich klar Schiff gemacht wird“. Man müsse den Bettwanzen fast dankbar sein. In mehreren Sitzungen wurden am Freitag Weichen für das weitere Vorgehen gestellt. Sternberg: „Die Jugendlichen müssen sensibel begleitet werden, damit sie verstehen, dass es im Augenblick nicht anders geht. Sonst entstehen Unsicherheiten und Ängste, die zu einer Verweigerungshaltung führen können.“

Eine, die nicht gut auf die Behörden zu sprechen ist, ist Simone Bolte. Die Dolmetscherin übersetzt vor Gericht, wenn unbegleitete minderjährige Jugendliche einen amtlich bestellten Vormund bekommen. Flüchtlinge hätten ihr immer wieder von empörenden Zuständen in der ZASt berichtet. Dass Jugendliche dicht an dicht auf einem Matratzenlager im Keller übernachten mussten, sei ein Skandal. Hinzu komme, dass die Jugendlichen keinen Rückzugsraum hätten, um beispielsweise für die Schule zu lernen.

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise stockt der Bund seine Hilfen für Länder und Kommunen auf. Der Betrag für 2015 soll auf eine Milliarde Euro verdoppelt werden. Laut Sozialbehörde sind das für die Stadt Bremen dann insgesamt 8,4, für Bremerhaven zwei Millionen Euro. Ab 2016 will sich der Bund dauerhaft an den Kosten beteiligen.

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