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Es grünt so grün Das sind Bremens Pläne zur Fassadenbegrünung

Bremens Häuserwände sollen grüner werden. So wünscht es sich die Politik. Wir haben die Eigentümerin eines Hauses besucht, das die vielleicht grünste Fassade in der ganzen Stadt hat.
23.08.2023, 05:00 Uhr
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Das sind Bremens Pläne zur Fassadenbegrünung
Von Marc Hagedorn

Wie oft ihr Haus schon fotografiert worden ist, kann Kumari Beyer höchstens schätzen. Einige Hundert Male aber bestimmt. „Es kommt vor, dass ganze Touristengruppen auf der Straße stehen und Bilder machen“, sagt sie. Sie freut sich, dass andere Menschen sich an ihrem Haus erfreuen, in dessen Fassadengestaltung sie und ihr Mann vor vielen Jahren viel Liebe gesteckt haben. Ihr typisches Bremer Haus im Stadtteil Schwachhausen ist von unten bis oben mit Wein bewachsen. „,Sein grünes Paradies' hat mein Mann unser Haus immer genannt“, sagt Kumari Beyer.

In ihrer Nachbarschaft leben offenbar mehrere Menschen, die sich Gedanken über die Begrünung ihrer Grundstücke gemacht haben. Rosenbüsche und Hecken wachsen hier, Hortensien und Lavendel. An einem Haus rankt ein armdicker Baumstamm bis hoch zum Balkon im ersten Geschoss. Dafür, dass man sich hier mitten in einer Wohnstraße befindet, ist es bemerkenswert grün. Aber nirgends annähernd so grün wie bei Kumari Beyer.

Was die Umweltsenatorin sagt 

Wenn es nach der Politik geht, sollten viel mehr Häuser und Straßenzüge in Bremen so aussehen. Die Stadt will die Fassadenbegrünung voranbringen. „Grün tut dem Menschen gut. Grüne Fassaden sind ein Beitrag zu mehr Wohlbefinden in der Stadt. Sie kühlen das Umfeld und leisten einen wichtigen Beitrag zur Klimaanpassung“, sagt die neue Umweltsenatorin Kathrin Moosdorf von den Grünen. Begrünte Wände mindern Schallreflexionen, dienen also als Lärmschutz und binden Staub, CO2 und speichern Wasser. „Es wird Zeit, dass wir dieses Potenzial endlich in unseren Städten nutzen“, sagt die Senatorin.

Tatsächlich kann von einer flächendeckenden Fassadenbegrünung in Bremen bisher nicht die Rede sein, weder an öffentlichen noch an privaten Gebäuden. Die Gewoba hat vor einigen Jahren 45 Quadratmeter Fassade an einem Hochhaus in der Vahr vertikal bepflanzt, inklusive automatischer Bewässerung. Am Parkhaus Am Brill rankt ein wenig Grün. Und sonst? Mehrere Meter Hauswand an einem Durchgang zwischen der Hemelinger Straße und Am Schwarzen Meer sind üppig bewachsen, ein Privathaus hier, ein anderes dort – man muss begrünte Gebäudefassaden beim Gang durch die Stadt schon sehr aufmerksam suchen.

Anders als das Schottergartenverbot und die Vorschrift, neue Dachflächen zu begrünen, die über 50 Quadratmeter groß sind, hat es eine Pflicht zur Fassadenbegrünung noch nicht ins Begrünungsortsgesetz geschafft. Allerdings hat Bremen für den Anfang, noch unter Moosdorfs Vorgängerin Maike Schaefer, ein kleines Förderprogramm aufgelegt. Jeweils 100.000 Euro liegen für dieses und das nächste Jahr in einem Fördertopf bereit. Die Bremer Umwelt-Beratung ist gerade dabei, die Unterlagen für die Beratung und Antragstellung anzufertigen.

„Ein erster formloser Antrag liegt uns schon vor“, sagt Umweltberaterin Sandra Bildstein, „da war jemand schneller als wir.“ Grundsätzlich ist die Expertin überzeugt, dass das Thema Fassadenbegrünung in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen wird. „Im Zuge der Erderwärmung wird das Bewusstsein bei den Menschen wachsen.“

Kumari Beyer sagt, dass ihre grüne Fassade die Innenräume im Sommer angenehm abkühle, im Winter wirke die grüne Hülle wärmedämmend. Wenn sie die Pflanzen vor ihrem Fenster nicht gleich zurückschneidet, spenden sie im Innern auch Schatten. „Mein Mann war ein sehr umweltbewusster Mensch, deshalb hat er die Entscheidung für eine grüne Fassade vor 16 Jahren ganz bewusst getroffen“, sagt Beyer.

Wie hoch sind die Kosten?

Es gibt Gründe dafür, warum sich andere Hauseigentümer mit einer Fassadenbegrünung schwerer tun. Da sind die Kosten: Der Bundesverband Gebäude-Grün beziffert sie mit 100 bis 300 Euro pro Quadratmeter bei einer sogenannten bodengebundenen Fassadenbegrünung. Bodengebunden heißt, dass die Pflanze im Boden wächst und mit oder ohne Kletterhilfe nach oben rankt. Der Bewuchs muss in der Regel nicht bewässert werden.

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Den Preis für eine sogenannte wandgebundene Fassadenbegrünung setzt der Fachverband mit mindestens 400 Euro pro Quadratmeter an, unter anderem auch deshalb, weil sie ein automatisches Bewässerungssystem erfordert. Viel Geld, aber Fachfrau Bildstein gibt zu bedenken: „Viel Grün in einer Nachbarschaft sorgt auch für eine Wertsteigerung des Wohngebietes.“

Eine weitere Sorge: Pflanzen an den Wänden zerstören den Putz, kriechen in jede Fuge und jede Ritze. Die Fachvereinigung Bauwerksbegrünung empfiehlt deshalb, Selbstkletterer nur auf intakten Untergründen ohne Risse und Spalten wachsen zu lassen. Oder auf „klebrige“ Selbstkletterer wie Efeu und Wilden Wein zu verzichten, deren Anpflanzung in Bremen auch nicht gefördert wird.

Eine andere Sorge: Insekten und anderes Getier könnten über die Fassade ins Haus gelangen. Und gepflegt werden will die grüne Pracht auch, das macht Arbeit und kostet unter Umständen Geld. Kumari Beyer kann über all die Bedenken nur mit dem Kopf schütteln. „Es ist doch schön, wenn es summt und brummt oder Vögel nisten“, sagt sie, „das ist die Natur. Wir vergessen hier in Mitteleuropa so leicht, wie sehr Mensch und Natur zusammengehören. Ohne Tiere und Pflanzen sind wir Menschen nichts.“

Hin und wieder sage jemand zu ihr, wie schade es doch um die verschnörkelten Ornamente und filigranen Figuren an der Fassade sei, sie kämen durch den ganzen Wein gar nicht mehr richtig zur Geltung. Kumari Beyer antwortet dann immer: „In den Ästen und Blättern stecken doch tausende Figuren.“ Und die findet sie noch viel schöner.

Zur Sache

Bis zu 5000 Euro Förderung

Das Bremer Förderprogramm zur Fassadenbegrünung gilt ausschließlich für private Gebäude. Gefördert werden unter anderem vorbereitende Maßnahmen wie das Entsiegeln und Aufbereiten des Bodens, Materialkosten, Pflanzen und die sogenannte Herstellungspflege anteilig mit bis zu 50 Prozent, aber höchstens 5000 Euro. Voraussetzung ist, dass die Fassadenbegrünung bei Alt- und Neubauten mindestens zehn Quadratmeter beträgt, mehr als 500 Euro kostet und die Fassade mindestens zehn Jahre begrünt bleibt.

Nicht gefördert werden Selbstklimmer wie Efeu oder Wilder Wein. Empfohlen werden dagegen von Fachverbänden bei bodengebundener Begrünung zum Beispiel Kletterhortensien, Kletterrosen, Geißblatt oder die Klettertrompete. Für fassadengebundene Begrünung eignen sich unter anderem Geranien, Johanniskraut oder Bergenien besonders gut.

Die Antragstellung soll jeweils bis zum 31. Oktober eines Jahres erfolgen. Um die Abwicklung und Beratung kümmert sich die Bremer Umwelt-Beratung.

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