Das Projekt wurde in Bremen mit viel Stolz und großem Personalaufgebot präsentiert: Doch das bundesweit erste Fahrradmodellquartier, das in der Alten Neustadt entsteht, sorgt im bevölkerungsreichstem Stadtteil für Debatte. Spatenstich für das mehr als zwei Millonen schwere Projekt war im November; im Februar gewann das Projekt den Deutschen Fahrradpreis.
Doch im Stadtteil weckt das Projekt weitere Begehrlichkeiten: Der Beirat wünscht sich über das Geplante hinaus weitere Veränderungen, vor allem für Fußgänger, Radfahrer und für die Verkehrsberuhigung. "Es war klar, dass man mit dem Budget nicht alle Wünsche erfüllen kann, dennoch waren die Erwartungen hoch", sagt Ingo Mose, Sprecher des Beirat Neustadt. Für nun mit Bundesmitteln nicht umsetzbare Wünsche könnte der Beirat perspektivisch eigene Stadtteilmittel einsetzen, bestätigt er.
Zum Beispiel wünscht sich der Beirat einen besseren Fahrrad- und Fußgängerüberweg über die Straße Neustadtswall in Höhe der Süderstraße neben dem Südbad. Dort habe es schon häufiger Unfälle gegeben. Auch in der Delmestraße, wo es veränderte Radwege geben soll und in der Lahnstraße, wo mehrere Kreuzungen umgestaltet werden sollen, wünscht sich der Beirat weitergehende Veränderungen. "Wir hätten uns eine stärkere Entschleunigung der Lahnstraße gewünscht, das ist ja für viele eine Rennstrecke, obwohl dort Rechts-vor-Links gilt – zusätzlich gibt es viele Falschparker", so Mose.
"Natürlich hätten es gerne noch mehr Fördermittel sein dürfen, aber wir sind froh über das, was jetzt kommen soll", sagt Ortsamtsleiterin Annemarie Czichon. Einzelne lang gehegte Wünsche des Beirats seien auch in das geförderte Maßnahmenpaket aufgenommen worden – zum Beispiel eine Fußgängerampel über die Westerstraße in Höhe des Supermarkt-Komplexes. Zudem stellt sie klar: "Für die Umsetzung weiterer Wünsche wird es kein Geld geben, durch die allgemeine Baukostensteigerung gibt es Schwierigkeiten, das bislang Geplante überhaupt umzusetzen."
Die Fördermittel für das Fahrradquartier sind gedeckelt: Den Großteil der Kosten – laut Deputationsbeschluss mehr als 1,5 Millionen Euro – kommt vom Bundesumweltministerium, wo sich Bremen erfolgreich um Mittel aus dem Klimaschutzfonds beworben hatte. Bremen steuert rund 477.000 Euro bei, vor allem für Planungskosten. Die Umsetzung erfolgt unter Zeitdruck: Fördermittel vom Bund fließen nur für Baumaßnahmen, die bis Juni 2019 umgesetzt werden.
Zehn Maßnahmen für das Fahrradmodellquartier
Und vieles scheint teurer zu werden als geplant: Allgemeine Baukostensteigerungen, wie sie bundesweit viele Bauprojekte erschwerten, seien auch beim Fahrradquartier ein Thema, bestätigt das Amt für Straßen und Verkehr (ASV). Alle bisher an Baufirmen vergebenen Aufträge für das Fahrradquartier seien ausfinanziert, sagt ASV-Sprecher Martin Stellmann.
Doch es werde noch zu klären sein, ob für Bauaufträge, die für das kommende Jahr vergeben werden müssten, die Bundesmittel ausreichen oder ob man dafür zusätzliche Töpfe anzapfen muss. "Der Umgang mit dieser Entwicklung wird derzeit bewertet und nach der Sommerpause das weitere Vorgehen abgestimmt“, sagt Stellmann.
Die Gründe für die Kostensteigerungen liegen dem Sprecher zufolge bei den Baufirmen, deren Auftragsbücher voll sind und die angesichts großer Nachfrage bundesweit höhere Preise ansetzen können. Für das Fahrradmodellquartier sollen zehn Maßnahmen umgesetzt werden: Unter anderem werden fünf kleinere Straßen zu Fahrradstraßen. Zudem entstehen an größeren Straßen neue Überwege für Radfahrer und Fußgänger sowie mehr als 600 Fahrradstellplätze.
Fahrrad-Premiumroute am Neustadtsbahnhof
Der Umweltbetrieb Bremen verlängert ab sofort bis zum Jahresende im Auftrag des Bausenators den Premiumradweg vor dem Neustadtsbahnhof bis vor den Pusdorfer Tunnel. Erst kürzlich ist der Abschnitt von der Stephanibrücke bis zum Bahnhofsgebäude auf der linken Weserseite fertiggestellt worden. Ende Dezember soll es dann eine durchgehende „naturnahe Radverbindung von Woltmershausen zur Überseestadt“ geben, kündigt Kerstin Doty vom Umweltbetrieb an. Die Fuß- und Fahrradwege seien während der Bauzeit im Bereich des Neustadtsbahnhofs aber nur eingeschränkt nutzbar. „Wir wollen insbesondere Fahrradfahrer darauf hinweisen, dass auch sie bitte unbedingt die ausgeschilderten Umleitungen über die Ampeln hin zum Friesenwerder nutzen“, sagt Doty und bittet für die entstehenden Unannehmlichkeiten um Verständnis. Schon mehrfach seien Radfahrer dabei beobachtet worden, wie sie parallel zur Baustelle regelwidrig auf der Straße gegen die Fahrtrichtung der Autos unterwegs waren. „Das ist extrem gefährlich“, warnt die Sprecherin.