Da wir uns unaufhaltsam dem Jahresende nähern, wird es höchste Zeit, ein wenig Bilanz zu ziehen. Im besten Fall führt das zu Erkenntnisgewinn und in der Folge zu guten Vorsätzen. Erinnere ich mich ein Jahr zurück, lautete einer von denen für 2024: Ich will nicht immer so viel meckern, überhaupt und schon gar nicht an dieser Stelle. Weil das, erstens, für Sie am Frühstückstisch (oder wo und in welcher Darreichungsform auch immer Sie unsere geschätzte Qualitätszeitung studieren) alsbald vermutlich recht ermüdend wird. Vor allem aber, weil ich, zweitens, ja selbst keine Ahnung davon habe, wie man etwa die maroden Finanzen eines Bundeslandes saniert. Oder einen trist in der Gegend herumliegenden Domshof aufhübscht. Und Schlaumeier, die immer nur mosern, wie es nicht geht, machen sich ja nur selten wahnsinnig beliebt. Am Ende bekommen sie vermutlich nicht mal mehr Weihnachtspost.
Wobei: Das mit der Post trifft bei mir einen wunden Punkt. Und zwar so sehr, dass ich es auf den letzten Metern 2024 mit dem einstigen Anti-Mecker-Vorsatz doch noch verbockt habe. Aber mal so richtig. Was dazu geführt hat, dass ich zu vorgerückter Stunde am Heiligabend, als das Fonduefett längst wieder erkaltet war, eine Beschwerdemail geschrieben habe. Weil ich bis zuletzt gehofft hatte, dass sich bis Heiligmittag (den gibt es nicht, aber Sie wissen schon, was ich meine) zur Abwechslung doch mal wieder ein Zusteller in meine Gegend verirrt. Den hätte ich selbstverständlich sehr dafür gelobt, dass er so kurz vor der Bescherung noch systemrelevant arbeitet, dafür im Gegenzug aber gern einen Großbrief erhalten. Der sollte das letzte noch fehlende Geschenk enthalten, das ich so frühzeitig bestellt hatte, auf dass der Absender das Eintreffen für den 18., ganz bestimmt aber 19. Dezember versprechen konnte. Theoretisch.
In der Praxis aber saß ich an Weihnachten bei meinem Vater am Tannenbaum und legte wortreich dar, weshalb ein guter Sohn nicht zwangsläufig ein sorgsam ausgewähltes, von tiefgründigen Gedanken geprägtes Präsent dabei haben muss. Mein eigener Sohn wiederum hatte das viel besser gemacht und sich für mich eine im Wortsinn fantastische Geschichte ausgedacht und zu Papier gebracht, in der ich in die Rolle eines Superhelden einnehme. Wäre ich tatsächlich einer, hätte ich mich indes nicht leichtfertig auf die Leistungsfähigkeit des Postwesens verlassen, sondern meinem Vater wiederum auch besser eine Geschichte geschrieben und unter den Baum gelegt.
Wenig tröstlich auch, dass ich in meinem Groll darüber auf die Studie eines Online-Kartenwebshops stieß. Laut dessen Auswertung sind die Menschen in Bremen im Vergleich der Bundesländer die fleißigsten Versender von Weihnachts- und Neujahrsgrüßen – erhalten aber zugleich am seltensten welche. Das kann sich ja nur um einen Fehler im Postsystem handeln! Schließlich sind wir im 0421-Land doch keine notorischen Meckerer, denen niemand schreibt. Oder?
Tagebucheintrag: Auf meine Beschwerdemail aus der heiligen Nacht habe ich übrigens noch keine Antwort erhalten. Vielleicht kommt sie ja als Brief und ist noch unterwegs.