Hannover, Düsseldorf, Kassel, Oldenburg, Bottrop, Freiburg und so weiter: Die Liste deutscher Städte, die Graffitikünstlern Flächen zum Sprühen zur Verfügung stellen, ist lang. Auch im Bremerhavener Freihafen gibt es eine. Bremen dagegen ist bislang in dieser Hinsicht ein weißer Fleck. Das will die Regierungskoalition nun ändern und auch in der Hansestadt öffentliche Wände für Street-Art und Graffitis freigeben.
Das Ziel des Antrags, den federführend die Linken vorangetrieben haben: Zunächst sollen von den zuständigen Ressorts (Wirtschaft, Finanzen, Bau) dauerhaft oder zeitweise frei verfügbare Flächen in städtischem Besitz identifiziert und dann als sogenannte "Map of Fame" veröffentlicht werden. Angedacht ist auch, einen Fördertopf für Flächen in Privatbesitz einzurichten, über den per Jury ausgewählte Motive mitfinanziert werden könnten. Auch ein Festival für Urban Art können sich die Fraktionen Linke, Grüne und SPD vorstellen, zum Beispiel nach dem Vorbild des "City Leaks Festival" in Köln.
"Graffiti ist längst eine anerkannte Kunstform", sagt Sofia Leonidakis, Linken-Fraktionsvorsitzende. Sie verweist unter anderem auf den britischen Street-Art-Künstler Banksy, für dessen Werke längst Millionenbeträge gezahlt werden. "Eine lebendige Szene gehört für mich zu einer Großstadt dazu. Aber dafür brauchen wir legale, öffentliche Flächen, auf denen sich die Künstler und Künstlerinnen angstfrei verwirklichen können."
Flächen könnten laut dem Antrag, der dem WESER-KURIER vorliegt, neben Gebäudefassaden auch Brückenbögen oder -pfeiler, Industriebrachen, Unterführungen oder Ufermauern wie an der Schlachte oder in der Überseestadt sein. Die Beiräte und im Fall der Ufermauern auch der Deichverband sollen ein Mitspracherecht haben und ebenfalls Empfehlungen abgeben können.
Leonidakis: "Flächen, die es bislang gibt, sind in Privatbesitz. Die Eigentümer bestimmen also über die Nutzungsdauer." Das soll bei einer öffentlichen "Hall of Fame" anders sein – sie wäre dauerhaft, mit wechselnden Kunstwerken durch die szene-interne Regel, dass Werke übergesprüht werden dürfen.
Ein möglicher Nebeneffekt: Wenn es legale Flächen für Graffitis und Street-Art gibt, würden womöglich illegale Sprühereien abnehmen, über die sich Eigentümer immer wieder beklagen und per Petition auch schon ein Gesamtkonzept zum Umgang mit illegalen Graffiti gefordert hatten. Auch der Eigentümerverband Haus und Grund ärgert sich immer wieder über Farbattacken und hatte zu Beginn der Woche finanzielle Hilfen der Stadt bei der Entfernung von sogenannten Tags gefordert, wie sie in Freiburg zwischenzeitlich an private Eigentümer gezahlt wurden. Dort ist das dazugehörige Modellprojekt 2021 eingestellt worden, laut der "Badischen Zeitung" sind nun Strafanzeigen Voraussetzung für Entschädigungen.

Ein Graffito, das jeder Bremer kennt: Das "Viertel-Chamäleon", das 2014 als Privat-Auftrag entstand.
Die Verhinderung illegaler Graffitis sei aber nicht Motor des Bremer Antrags gewesen, sagt Leonidakis. "Wir wollen Graffiti aus der Schmuddelecke holen, für uns steht der Gedanke der Wertschätzung dieser Kunstform im Vordergrund." Zumal Street-Art – das belegen seit einigen Jahren weltweit Metropolen von London bis Buenos Aires – auch ein touristischer Faktor sein kann: Längst gehören dort Stadtführungen entlang der zum Teil ganze Häuserfassaden umfassenden Kunstwerke zum Programm, die besonders bei einem jungen Publikum beliebt sind. "Auch in Bremen könnte so etwas belebend wirken", sagt Leonidakis. "Es wird einfach Zeit."