Wie schlimm steht es wirklich um den städtischen Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno)? Angestoßen durch einen Bericht des WESER-KURIER über ein drastisch gestiegenes Defizit für das laufende Geschäftsjahr, hat die Gesundheitsdeputation am Mittwoch in einer Sondersitzung über die Lage beraten. Die Debatte fand hinter verschlossenen Türen statt, Medien waren nicht zugelassen.
Als Grundlage der Diskussion dienten der Jahresbericht 2018 der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG und ein interner Konzernlagebericht der Geno-Geschäftsführung. Beide Dokumente liegen dem WESER-KURIER vor. Gleichlautend wird darin auf ernste Risiken für den Fortbestand des Unternehmens verwiesen, das zu 100 Prozent der Stadtgemeinde Bremen gehört. Seine vier Häuser in Mitte, Ost, Nord und Links der Weser leiden demnach unter einem Investitionsstau, der die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt. Zudem führe die Kostenstruktur des Verbundes seit Jahren zu Verlusten.
Insgesamt gebe es "eine Unsicherheit, die bedeutsame Zweifel an der Fähigkeit der Gesellschaft zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit aufwerfen
können und die bestandsgefährdende Risiken darstellen", schreiben die KPMG-Prüfer. Das sind deutliche Worte. Von den Mindereinnahmen der Gesundheit Nord, die zuletzt durch den gravierenden Fachkräftemangel im Pflegebereich entstanden sind, ist in dem Lagebericht noch gar keine Rede.
„Ich will, dass es keine Schönfärberei mehr gibt“
Es liegt also einiges im Argen beim Klinikverbund. In der Vergangenheit konnte sich die Geno darauf verlassen, dass der Träger – also die Stadt Bremen – im Zweifelsfall immer wieder finanziell einspringt. Erst im vergangenen Jahr hatte die Kommune 205 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, teils für die Übernahme von Krediten für den Neubau des Klinikums Mitte, teils für Modernisierungsinvestitionen. Auch einen Betriebsmittelkredit gewährt Bremen der Geno. Deren aktuelle Kreditlinie wird nach Informationen des WESER-KURIER allerdings Mitte 2020 erreicht sein, wenn die wirtschaftliche Talfahrt weiter anhält.
Vor diesem Hintergrund war man sich in der Gesundheitsdeputation einig, dass künftig zumindest mehr Ehrlichkeit und Transparenz bei den Geschäftsprognosen der Geno vonnöten ist. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) sagte im Anschluss an die Sitzung: „Ich will, dass es keine Schönfärberei mehr gibt.“ In den vergangenen Jahren hatte der Klinikverbund unterm Strich zumeist deutlich schlechter abgeschnitten, als ursprünglich von der Geschäftsführung vorhergesagt. In den Verhandlungen über den Bremer Haushalt 2020/21 will Bernhard darauf drängen, dass für die Restrukturierung der Gesundheit Nord ausreichend Mittel bereitgestellt werden.
Gemeint ist die Umsetzung des Zukunftskonzepts 2025, das eine Neuausrichtung der medizinischen Profile der vier Geno-Häuser vorsieht. Daneben seien auch bauliche Investitionen erforderlich. Zuletzt war im Mai bekannt geworden, dass für den Neubau eines Bettenhauses und weitere Ertüchtigungsmaßnahmen am Klinikum Links der Weser rund 180 Millionen Euro erforderlich wären. Derzeit wisse sie allerdings nicht, woher das Geld kommen soll, räumte Bernhard ein. Der Etat ihrer Behörde werde solche Summen auch in Zukunft nicht hergeben.
„Das muss der Senat als eine Gesamtaufgabe betrachten“, sagte sie mit Blick auf die anstehenden Haushaltsberatungen. Auf Nachfrage kündigte sie außerdem an, sich in Kürze zur Aufsichtsratsvorsitzenden der Geno wählen lassen zu wollen. Schon ihre Vorgängerin Eva Quante-Brandt (SPD) war zugleich Gesundheitssenatorin und oberste Geno-Aufseherin – ein Umstand, den die freigemeinnützigen Kliniken (Diako, St.-Josef-Stift, Rotes-Kreuz-Krankenhaus, Roland-Klinik) stets als Wettbewerbsnachteil beklagt haben.
Der CDU-Gesundheitsexperte Rainer Bensch sieht in einer besseren Abstimmung zwischen Geno- und freigemeinnützigen Kliniken den Schlüssel zu einer Stabilisierung der gesamten Bremer Krankenhauslandschaft. „Bisher ist es oft so, dass jeder Klinik-Geschäftsführer nur auf sein Haus schaut und versucht, dort erlösträchtige Bereiche auszubauen“, kritisiert Bensch. So könne es nicht weitergehen. Er fordert, die Landeskrankenhausplanung zu überarbeiten und so „den Kuchen zwischen der Geno und den freien Trägern besser und fairer aufzuteilen“. Davon würden letztlich beide Seiten profitieren.