Wer am Wochenende die Fährverbindung von Blumenthal nach Motzen oder umgekehrt nutzt, der könnte gegebenenfalls Verständnis dafür aufbringen, warum die Bundesregierung, beziehungsweise die Deutsche Bundesmarine, weitere Millionen von Euro in ein Schiff investiert. Da zeigt sich nämlich etwas, was Ursula von der Leyen als deutsche Verteidigungsministerin immer wieder betonte: Die Gorch Fock bleibe eine bewährte „Botschafterin in Weiß“.
Während sich Ursula von der Leyen damit mehr auf die Auslandseinsätze bezog, bewahrheitet sich dieser Ansatz schon vor der Haustür beziehungsweise auf der Weser. Die Gorch Fock erzeugt Aufmerksamkeit. Vor der Berner Fassmer-Werft liegt da derzeit zwar nur ein Rumpf mit einem grünen Schutzanstrich, doch selbst der sorgt für einen Hype. Zahlreiche Menschen nutzen die Gelegenheit, zücken Handy oder den eigens mitgebrachten Fotoapparat, um sich ein besonderes Bild zu sichern, wenn die Fähre direkt am renovierungsbedürftigen Schulschiff vorbeifährt.
"So einen Hype habe ich noch nicht erlebt", erzählt Peter Kohlhoff. Seit 14 Jahren ist er Mitarbeiter bei den Fähren Bremen-Stedingen. An diesem Donnerstagmorgen kontrolliert er wieder die Fahrscheine der Gäste, die gerade ihren Weg von Blumenthal nach Motzen antreten. An diesem eher trüben Morgen sind es nur wenige. Für Juli ist das Wetter eher kalt, da mag kaum jemand aussteigen.

Seit rund einer Woche liegt die Gorch Fock vor der Fassmer in Berne. Die Fährbesucher nutzen die Vorbeifahrt gern für ein Foto.
Ab 15 Uhr wird es hektisch
"Momentan ist es wirklich noch sehr ruhig. Da müssen Sie mal in der Spätschicht vorbeischauen", macht Peter Kohlhoff deutlich. Die beginne um 13 Uhr, doch so richtig hektisch werde es auf der Fähre so ab 15 Uhr. "Dann fragen viele nach der Gorch Fock. Viel erzählen kann ich ihnen ja nicht. Und für ein Foto von der Fähre aus brauchen die Menschen meine Erlaubnis nicht. So zücken viele ihr Handy, wenn sie nicht schon mit einem Fotoapparat auf die Fähre gekommen sind", berichtet Kohlhoff von seinen Erfahrungen.
"Okay, als die Rainbow Warrior, das Greenpeace-Schiff hier lag, da gab es die eine oder andere Nachfrage, wollte der eine oder andere ein besonderes Foto schießen. Auch als das neue Polizeischiff gebaut wurde, kam so mancher Interessent, um sich ein Bild von der Fähre aus zu sichern", erzählt Peter Kohlhoff. Doch so vermehrt wie in der vergangenen Woche die Nachfrage nach einem besonderen Foto gewesen sei und so viele Menschen, die sich an die Reling der Fähre lehnten und Richtung Fassmer-Werft fotografierten, so viele hätte er noch nicht erlebt. "Einer hat mich sogar nach der Georg Fock gefragt", erinnert sich Kohlhoff und muss lachen.
Die wenigen Autos, die sich an diesem Donnerstagmorgen von Blumenthal aus in Richtung Motzen auf den Weg machen, sind kurz nach dem Anlegen von Bord. Kohlhoff und seine Kollegen kümmern sich um die – zu diesem Zeitpunkt – ebenfalls nicht vielen Fährgäste, die in Richtung Blumenthal unterwegs sind. Kaum jemand wendet in diesem Moment den Blick nach links, dort wo an der Kaimauer der Vordersteven Richtung Fähre zeigt, während am grünen Schiffsrumpf zwei schwere Anker herunterhängen, ohne ins Wasser gelassen zu werden. Das Schiff ist an Land festgemacht, bietet gerade alles andere als einen majestätischen Anblick. Welche Ausmaße das Schulschiff hat, wird dem Betrachter von der Fähre aus erst auf den zweiten Blick ersichtlich. Ganz klein zeichnen sich einige Arbeiter ab, die just an Deck Platz genommen haben – vielleicht ist Frühstückspause?
„Sie hätten mal vor einer Stunde kommen müssen.“ Schiffsführer Bernd von Seggern unterbricht den Gedankengang und erzählt von dem Erlebnis, das er gegen 8 Uhr an diesem Morgen beobachten konnte. „Die Sonne kam zwischen den Wolken hervor und richtete ihre Strahlen direkt auf die Gorch Fock, das war ein schöner Anblick.“ Überhaupt hat er mit seiner erhöhten Position von der Fähre aus den besten Blick über Weser, dass Fassmer-Pier und die Schiffe, die dort liegen.
Viel Spielraum hat Schiffsführer Bernd von Seggern grundsätzlich nicht, doch an diesem Donnerstagvormittag macht er eine kleine Ausnahme, „damit die Dame von der Presse mal aus einem besonderen Blickwinkel fotografieren kann“, wie er seinen Kollegen erzählt, gibt es einen langsamen kleinen Schlenker auf der Weser. Bernd von Seggern ist versiert, seit rund 30 Jahren als Schiffsführer am Ruder. Kaum jemand bemerkt diesen kleinen Schlenker, bevor die Fähre regulär anlegt. Ob die Fährbenutzer ihn ebenfalls nach den Möglichkeiten solcher Schlenker für ein besonderes Foto fragen? „Ehrlich gesagt, nein. Denn grundsätzlich habe ich ja kaum Kontakt zu den Fahrgästen. Das müssen sie meine Kollegen unten bei der Kontrolle fragen.“
Das Fotografieren liegt auf der Hand
Wieder unten auf dem Fahrgast-Deck gibt Peter Kohlhoff auf die „Schlenker-Frage“ eine kurze Antwort: „Nein.“ Im Übrigen kann Andreas Bettray, Geschäftsführer der Fähren Bremen-Stedingen, ein deutlich erhöhtes Aufkommen von Fährkunden derzeit noch nicht an dieser Fährverbindung erkennen. Wobei, „dass vermehrt an dieser Stelle von der Fähre aus fotografiert wird, ist mir auch schon zu Ohren gekommen und liegt ja auch irgendwie auf der Hand“, zeigt er Verständnis.
Wie lange die Gorch Fock noch am Fassmer-Pier gut sichtbar für Spaziergänger am Nordbremer Weserufer oder Nutzer der Fähre Blumenthal-Motzen liegen wird? Weder auf der Fassmer-Werft, noch auf der – mit der Sanierung beauftragten Elsflether Werft – kann man dazu auf Nachfrage etwas Näheres erfahren. „Wir wissen von gar nichts“, heißt es aus Elsfleth und Holger Fassmer verweist in dieser Hinsicht sofort an die Elsflether Werft. Ob die Mitarbeiter der Fassmer-Werft etwas gegen das „Blitzlichtgewitter“ haben, dass da manche Fährbenutzer in Richtung Fassmer-Werft in Gang setzen? „Auf der Gorch Fock sind Mitarbeiter der Elsflether Werft, insofern kann ich dazu nichts sagen. Dass unsere Mitarbeiter das Fotografieren von der Fähre aus stört, das ist noch nicht an mich herangetragen worden“, antwortet Holger Fassmer, Geschäftsführer der Fassmer-Werft.
Fest steht bislang nur, dass das Verteidigungsministerium beschlossen hat, die Sanierung der 61 Jahre alten „Gorch Fock“ trotz der erheblichen Kostensteigerung zu vollenden. Im Herbst 2020 soll sie wieder segeln, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Als Obergrenze der Kosten wurden 128 Millionen Euro genannt, zu denen weitere sieben Millionen für Ausrüstung kommen. Vorstand Axel Birk von der Elsflether Werft war Ende Juni zuversichtlich, innerhalb der nächsten 14 Tage eine Entscheidung zu haben, wo und mit welchen Subunternehmern das teilsanierte Schiff fertiggebaut wird.
Die Elsflether Werftmitarbeiter müssten nämlich noch drei Monate am Rumpf arbeiten, der nächste Meilenstein sei dann das Stellen der Masten. Weil der Rumpf derzeit nur einen grau-grünen Schutzanstrich hat, muss die Gorch Fock wieder in ein Dock, um im traditionellen Weiß gestrichen zu werden. Das geht nicht in Elsfleth. Welches Dock auf welcher Werft der künftige Anlaufpunkt für die Gorch Fock ist, dazu wollte sich bislang niemand äußern.