Bei Franziska van Os bleibt an diesem Tag die Küche kalt. Dabei hätte sie hier im sogenannten Food-Studio der Hanse Kitchen alles, was sie braucht und noch viel mehr: Mikrowelle und Thermomix, Wärmeschublade und Vakuumierer, Rührgerät und Schneidemaschine. Aber davon macht sie keinen Gebrauch, nicht heute.
Dafür hat Franziska van Os etwas mitgebracht. Vier Müsliriegel, frisch verpackt. Die Müsliriegel der Marke Soundfood sind ihre Erfindung. Die Zutaten: 100 Prozent norddeutsch, dazu alles bio und vegan. Je zwei Riegel der Geschmacksrichtung Rote Beete und naturbelassen liegen auf dem Tisch.
Dass van Os an diesem Tag ihre Müsliriegel nach mehr als einjähriger Entwicklungsarbeit zum Probieren anbieten kann, hat viel mit dem Hanse Kitchen Food Hub zu tun. Die Hanse Kitchen will der Ort sein, der Bremens stolze Tradition als Lebensmittelstandort wiederbelebt.

Christian Holz, Projektleiter von Hanse Kitchen, ist seit Jahrzehnten in der Foodbranche tätig. "Wir bieten eine Plattform zum Austausch, wir beraten und vermitteln“, sagt er.
Große Produktionsstätten wie die von Kellogg’s in der Überseestadt oder Könecke in Sebaldsbrück sind in der jüngeren Vergangenheit stillgelegt worden. Traditionsreiche Bremer Firmen wie Jacobs Kaffee oder die Beck’s Brauerei sind schon vor Jahren in internationalen Konzernen aufgegangen. "Trotzdem ist Bremen nach wie vor ein Foodstandort", sagt Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt von den Linken.
Tatsächlich macht die Nahrungs- und Genussmittelbranche im Land Bremen im Jahr fast drei Milliarden Euro Umsatz, gut 10.000 Menschen sind in diesem Bereich in über 260 Betrieben beschäftigt, große Namen gibt es noch immer, Frosta, Nordsee, Melitta. Der Motor für Innovationen sollen jetzt Start-ups sein. "Wir haben hier in Bremen eine sehr agile und kreative Gründerszene", sagt Vogt.
Erklärtes Ziel Bremens ist es, nicht nur regional, sondern deutschlandweit zu reüssieren. "Das ist ambitioniert, aber ich glaube daran", sagt Vogt. Dafür braucht es nach ihrer Meinung Einrichtungen wie das Hanse Kitchen Food Hub und Menschen wie Franziska van Os. Seit über 30 Jahren arbeitet van Os in der Lebensmittelindustrie, war für große Konzerne tätig und ist heute selbstständig mit Expertise im Internethandel. Bei Snackriegeln, sagt sie, mache ihr niemand etwas vor.
Schokoriegel wie Snickers, Mars oder Twix, später Keks- und Müsliriegel und seit einiger Zeit Energie- und Proteinriegel sorgen für volle Supermarktregale. „Braucht es bei der Auswahl wirklich noch einen weiteren Riegel?“, fragt van Os und hat die Antwort längst gegeben: ja. Aber anders als alle anderen soll er sein.
Als aus der Idee langsam, aber sicher ein Plan wird, sucht van Os Hilfe. Sie kennt Christian Holz, und es trifft sich gut, dass Holz, wie van Os jahrzehntelang in der Foodbranche tätig, Ende 2021 gerade dabei ist, das Projekt Hanse Kitchen zu starten. Das Mandat dafür hat er von der Politik bekommen. Senatorin Vogt ist seit der ersten Stunde ein erklärter Fan der Idee, jungen Bremer Unternehmen aus dem Getränke- und Lebensmittelbereich Starthilfe zu geben.

"Wir haben hier in Bremen eine sehr agile und kreative Gründerszene", sagt Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt, ein erklärter Fan der Hanse Kitchen, die 2025 zum Großmarkt umziehen soll.
Seit November 2021 existiert die Hanse Kitchen an zwei Standorten: Das Beck’stage in der ÖVB Arena dient Jungunternehmern als Produktionsküche, in der Alten Schnapsfabrik in der Neustadt steht die Entwicklungsküche. Hier können die Firmengründer an Rezepten tüfteln, zum Testessen einladen, Co-Working-Plätze mieten oder Videos drehen. „Es geht um Begegnungen“, sagt Projektleiter Holz, „wir bieten eine Plattform zum Austausch, wir beraten und vermitteln.“ Unternehmungsgründung leicht gemacht.
Erfolgreich an den Markt gegangen ist mit Hilfe der Hanse Kitchen im vergangenen Jahr zum Beispiel Paru té, ein Start-up, das aus der Kaffeekirsche, eigentlich einem Abfallproduktion aus der Kaffeeproduktion, ein erfrischendes Koffeingetränk herstellt. Sonne, Brot und Sterne mit Brotbackmischungen und Franziska van Os‘ Soundfood sind weitere Beispiele.
Innovativ, nachhaltig, regional, ökologisch und am Puls der Zeit sollen die Produkte sein, die mit Hilfe der Hanse Kitchen Marktreife erlangen. Die Müsliriegel von Soundfood sind ein sehr gutes Beispiel dafür. Bevor van Os ihre Riegel entwickelt hat, hat sie sich angeschaut, woher die Zutaten kommen, die für herkömmliche Riegel verwendet werden. „Ich behaupte“, sagt sie, „dass der in der EU produzierte durchschnittliche Snackriegel 8.000 Kilometer durch die Welt gereist ist.“
Datteln aus Tunesien oder Mandeln aus den USA, Südamerika oder Südeuropa, das kann’s nicht sein, findet van Os. Also setzt sie auf regionale Zutaten. Blaubeeren aus dem Heidekreis, Ackerbohnen von Roland Beans aus der Überseestadt. Nicht mehr lange, so hofft sie, und der Kunde kann Soundfood-Riegel online und im stationären Handel kaufen.
Bei der Hanse Kitchen geht derweil in Kürze die nächste Gründergeneration ins Rennen. Start-ups können sich für das sogenannte Accelerator-Programm noch bewerben und erhalten, sollte ihr Konzept überzeugen, 16 Wochen lang Unterstützung von der Hanse Kitchen; regelmäßige Meetings, Workshops und Hilfe bei Gründungs- und Finanzierungsfragen oder der Preisfindung für ihre Produkte.
Bremen lässt sich seine Food-Offensive etwas kosten. Bis Ende 2024 finanziert das Land die Hanse Kitchen mit 914.000 Euro. Dann steht der nächste Schritt an. Irgendwann im Jahr 2025 soll die Hanse Kitchen in neue Räumlichkeiten am Großmarkt einziehen. Mindestens fünf bis sechs Millionen Euro müsste die künftige Regierung – im Mai sind Bürgerschaftswahlen – dafür in die Hand nehmen.