Wirklich, ich wollte sie Ihnen ersparen: die Mutter aller Themen dieser Woche. Schließlich warten auf dem Schmierzettel, dessen wirre Notizen sich am Ende wundersam zu einer Kolumne fügen, schon seit längerer Zeit solche Stichworte wie „Deutschlands Blitzer-Hauptstädte: Platz drei“, „Cannabis-Anbau: In der Neustadt geht’s los“ und etwas, das ich leider nicht mehr entziffern kann, auf sinnbringende Verarbeitung. Und dann kommt einem doch wieder die Bundespolitik in die Quere, das Ampel-Aus, das Gezerre um einen Wahltermin. Da gibt es kein Entrinnen, nicht mal im hintersten Winkel des 0421-Landes.
Dazu zählt in meinem Smartphone sicher die Chatgruppe der Musikschulgruppe meines Sohnes. Dort poppte Mittwoch die Nachricht auf: Das jährliche Konzert der Schüler muss verschoben werden. Das war für den 23. Februar geplant – und zwar in einem Saal, der nunmehr zum Wohle der Nation als Wahllokal gebraucht wird. Dagegen hat eine Perle der Kleinkunst natürlich keine Chance.
Bei allem Groll darüber werde ich am 23. Februar natürlich trotzdem das Privileg nutzen, meiner Erst- und Zweitstimme irgendwie Gehör zu verschaffen. Das geschieht im benachbarten Kindergarten, was mir nach dem jüngsten Polit-Theater als überaus passender Ort für ein Wahllokal erscheint. Dort werde ich dann auf die ewig gleichen Gesichter treffen, die ich an dieser Stelle als stille Heldinnen und Helden unseres Gemeinwesens hervorheben möchte: die Wahlhelfer. Den ganzen Sonntag über Namen im Wahlverzeichnis abzuhaken, Stimmzettel auszuhändigen und Sorge zu tragen, dass die korrekt gefaltet in der Wahlurne landen: Ich stelle mir das bis zur abschließenden Auszählung todlangweilig vor. Und verneige mich vor allen, die dieses Ehrenamt übernehmen.
Mit aller Berechtigung ließe sich nun fragen, was mich davon abhält, dem Landeswahlleiter über die Homepage www.wahlen.bremen.de meine Einsatzbereitschaft für den 23. Februar zu erklären. Ganz einfach: Ich bin da ein wenig nachtragend. Weil mich der Militärische Abschirmdienst, kurz MAD, als Verfassungsschutzorgan einst verdächtigt hat, ein Sicherheitsrisiko für dieses Land darzustellen. Nämlich als russischer Spion. Was damit zusammenhing, dass ich bei der Sicherheitsüberprüfung als einstmals Wehrdienstleistender angegeben hatte, dass die Familie meines Vaters 1945 auf der Flucht aus Ostpreußen in Königsberg gestrandet war. Dort harrte sie auf ihrem späteren Weg ins 0421-Land auch noch aus, als es 1946 zur Oblast Kaliningrad wurde. Das fand der MAD sehr verdächtig und unterzog mich einer Befragung, in der ich nur versichern konnte, dass ich als Nachkomme eines Kleinkinds, das vor Jahrzehnten zeitweise unfreiwillig auf dem Gebiet der Sowjetunion gelebt hatte, eher keine Bedrohung darstellen würde. Manchmal bleibt einem aber auch echt nichts erspart. Siehe oben.
Tagebucheintrag: Jetzt habe ich das unleserliche Stück Schmiernotizzettel doch entziffert! Da ging es um das Positionspapier der Bremer FDP für die Aufwertung der Wallanlagen. Liebe Bremer Liberale, bedankt euch bei Christian Lindner, dass hier aus diesem Thema nichts geworden ist.