Herr Imhoff, werden wir künftig zwei Frank Imhoffs erleben? Den überparteilichen Parlamentspräsidenten und den angriffsfreudigen Wahlkämpfer?
Frank Imhoff: Ja, wir werden zwei Frank Imhoffs erleben. Ich werde mein Amt als Präsident natürlich neutral ausüben. Und ich werde als Spitzenkandidat die Probleme dieser Stadt ansprechen. Das ist auch möglich, ich kann das trennen.
Und die Fraktionen in der Bürgerschaft nehmen Ihnen das auch ab?
Die werden genau hinschauen, dessen bin ich mir bewusst. Aber ich bin da guter Dinge.
Wenn Sie jetzt in den Wahlkampf ziehen: Wer von den drei aktuellen Koalitionären ist der Hauptgegner?
Ich sehe da keine Gegner. Ich werbe ja für uns, für die Partei, für unsere Ideen, wie eine Stadt aussehen kann. Ich war noch nie ein Mensch, der andere schlechtgeredet hat.
Gegner heißt ja nicht Feind.
Genau. Und nach der Wahl muss man ja auch mit allen demokratischen Parteien wieder reden können.
Dann vollenden Sie doch bitte folgenden Satz: In der aktuellen Landesregierung haben die beiden linken Senatorinnen …
... zwei Ressorts, in denen große Aufgaben auf sie zukamen – gerade im Gesundheitsressort. Und die Corona-Politik der letzten zwei Jahre hier in Bremen war solide.
Ihre Aussagen nach der Empfehlung des Landesvorstands zeigen, dass Sie auch Attacke können. Was treibt sie beim Blick auf Bremen am meisten um?
Die Alltagssorgen der vielen Menschen, mit denen ich gesprochen habe. Da kann jemand nicht arbeiten gehen, weil es keinen Kitaplatz für den Nachwuchs gibt. Die Kinder kommen in der Schule nicht mit oder lernen zu wenig – bei den Vergleichstests sind wir immer ganz hinten. Oder Jobs gehen verloren, weil Firmen abwandern. Und für diese Alltagssorgen will ich nicht nur parlamentarische, sondern auch Regierungsverantwortung übernehmen.
Firmenansiedlung, Verkehrspolitik, innere Sicherheit – das sind alles Reibungsflächen mit dem unverzichtbaren grünen Koalitionspartner.
Das weiß ich nicht. Ich finde es traurig, wenn mir Frauen sagen, dass sie sich abends alleine nicht mehr über den Bahnhofsplatz oder durchs Viertel trauen. Da müssen wir doch etwas tun. Ob das mit der FDP, den Grünen oder den Sozialdemokraten am besten funktioniert, kann man doch heute noch gar nicht sagen.
Beim Thema innere Sicherheit – Stichwort Bahnhofsplatz – verbindet Sie mit SPD-Innensenator Mäurer doch vermutlich mehr als mit dem Grünen-Abgeordneten Öztürk.
Wenn alles, was Herr Mäurer ankündigt, auch umgesetzt würde, wäre ich schon froh.
Sie halten ihn für einen Ankündigungssenator?
Die Probleme auf dem Bahnhofsplatz sind ja nicht erst seit dem vorigen Monat da: Die Trinkgelage, der Drogenkonsum und -verkauf sind doch offensichtlich.
Liegt es an Mäurer oder an der Koalition, dass sich die Situation nicht ändert?
Im Senat herrscht dazu keine Einigkeit. Und mein Anspruch ist es, dass man in einem CDU-geführten Senat auf Augenhöhe und gemeinsam regiert.
Die CDU hat in Bremen zwölf Jahre lang mitregiert und damals den Finanz-, Innen- und Wirtschaftssenator gestellt. Was sollte sie im Falle einer neuen Machtbeteiligung besser machen?
Ich finde, in der Großen Koalition haben wir ganz, ganz viel bewegt: Neubaugebiete, den Technologie-Park, die Airport-Stadt. Klar, manches haben wir auch nicht hinbekommen, etwa das Musical-Theater. Aber die Mehrzahl der Projekte war gut. Wir hatten eine wesentlich niedrigere Arbeitslosenquote und die Chance, im Bildungsvergleich ins Mittelfeld vorzurücken. Das ist momentan alles nicht mehr der Fall.
Der Istzustand von Bremen lässt sich doch nicht völlig abkoppeln von zwölf Jahren Großer Koalition.
Aber wenn wir die nächste Wahl haben, ist das ja schon 16 Jahre her. Eine wirklich lange Zeit, in der Rot-Grün oder Rot-Grün-Rot die Chance hatten, ihre Punkte zu machen. Und das Leben der Menschen zu verbessern, doch hier gibt es noch massiven Handlungsbedarf.
Ein Punkt von Rot-Grün ist der Ansatz zur Haushaltssanierung. Bremen hat in seiner Verfassung die schärfste Schuldenbremse aller Länder. Soll das so bleiben, trotz Corona- und Kriegsfolgen?
In dieser Legislaturperiode wurde ja wieder über den Durst Geld ausgegeben. Gerade aus dem Corona-Fonds wurden Mittel ausgegeben, die eigentlich im normalen Haushalt hätten stehen müssen: etwa die Kontrollgeräte für die Quittungen der Polizei oder Aufwendungen für die Pflege der Parks. Da sehe ich keinen Bezug zu Corona.
Aber ganz ohne Corona-Fonds wäre man auch nicht hingekommen, oder?
Nein. Aber ich hätte mir gewünscht, dass der Fonds den Betrieben noch mehr geholfen hätte, den Einzelhändlern, den Soloselbstständigen. Die waren ja ganz oft auf Hilfen angewiesen.
Aktuell fehlen Bremen im Haushalt 100 Millionen Euro. Wo würden Sie die vornehmlich einsparen?
Das Grundproblem ist doch, überhaupt zu überbuchen. Man weckt Erwartungen und kann sie nicht erfüllen. Das ist nicht seriös.
Nun könnten Sie aber als Regierungschef so eine Haushaltslücke erben. Wo also würden Sie sparen? Auch an der Wissenschaft?
Der Senat muss jetzt jedes Ressort einzeln für sich überprüfen. Wo gibt es Projekte, die man noch schieben kann? Was hat jetzt keine Priorität?
Fällt Ihnen da etwas Konkretes ein?
Da müsste man jetzt wirklich alle Einzelpläne durchgehen. Aber solche Verkehrsversuche wie auf der Martinistraße oder dieses Gerüst auf dem Domshof, so etwas können wir uns gerade nicht leisten.
CDU-Landeschef Carsten Meyer-Heder hat offenbar trotz seines Wahlerfolges genug von der Politik. Wie wappnen Sie sich gegen Frustrationserlebnisse?
Ich sehe das absolut sportlich: Man kann verlieren – aber ich sehe auch, dass wir gewinnen können.
Protokollarisch sind Sie als Präsident der Bürgerschaft ja schon die Nummer eins im Lande. Was ist denn reizvoller daran, Präsident des Senats zu werden?
Als Bürgermeister bin ich in der Verantwortung, die Probleme und Alltagssorgen der Menschen zu lösen. Das ist mein Antrieb.
Aber gerade die Gestaltungsmöglichkeiten des Bremer Regierungschefs sind doch begrenzt.
Warum?
Sie sind Erster unter Gleichen, ohne Richtlinienkompetenz.
Das wird oft nur vorgeschoben, wenn Probleme nicht gelöst werden. Patriarchen führen doch heute auch keine Firmen mehr und Bürgermeister sagen nicht mehr einfach, wo es lang geht. Das muss doch ein Team machen. Ich muss jeden mitnehmen – was soll ich da mit einer Richtlinienkompetenz? Ich habe jetzt auch keine eigene Mehrheit im Bürgerschaftsvorstand, aber dieser Vorstand beschließt immer aus einem Guss. Ich kann Menschen zusammenführen, ich kann einen, ich kann Kompromisse – die Höchstform der Demokratie – herbeiführen.