Zwei Jahre prägte Corona den Freimarkt, nun haben das Volksfest in gewohnter Größe rund 1,5 Millionen Menschen besucht. Diese Zahl hat das Wirtschaftsressort am Montag wie berichtet als Erfolgsmeldung veröffentlicht. Doch sie liegt deutlich niedriger, als von allen Beteiligten erwartet. Nicht ohne Stolz wirbt Bremen jedes Jahr überregional mit dem Superlativ, das größte Volksfest im Norden zu sein. Doch ist das wirklich so? Der Winterdom in Hamburg, der an diesem Freitag beginnt, könnte dem Freimarkt diesen Rang ablaufen.
Vor Corona beruhten die nach dem Freimarkt veröffentlichten Besucherzahlen auf Schätzungen. Für 2019 war es ein Rekord: 4,4 Millionen Menschen sollten es damals gewesen sein. "Grundlage waren Luftaufnahmen der Polizei", erläutert Susanne Keuneke, Vorsitzende des Vereins der Schausteller und Marktkaufleute Bremen. Man habe die Luftaufnahmen der Bürgerweide in Planquadrate aufgeteilt, in einem die Menschen gezählt und dann hochgerechnet. Nach Einschätzung von Marita Wessel-Niepel, im Wirtschaftsressort Abteilungsleiterin für Gewerbe- und Marktangelegenheiten, entstanden dadurch Zahlen, die deutlich zu hoch gegriffen waren.
In diesem Jahr setzte die Marktverwaltung an allen fünf Ein- und Ausgängen des Freimarkts ein elektronisches Zählsystem des Anbieters Evocount ein. „Die Scanner erfassten alle Bewegungen von Personen, die größer als 30 Zentimeter sind – also auch von Kindern“, erklärt Wessel-Niepel. Das Ergebnis: Verteilt auf 17 Tage strömten 1.086.386 Besucher über die Bürgerweide. Wessel-Niepel ist von der Korrektheit überzeugt: „Es ist ein verlässliches System, es ist nicht neu und wird auch bei anderen Großveranstaltungen wie Festivals eingesetzt. Nach dem Freimarkt 2021 und der diesjährigen Osterwiese haben wir es zum dritten Mal genutzt. Deshalb habe ich keine Zweifel an den Zahlen.“
Um auf die Zahl von 1,5 Millionen zu kommen, zählte das Wirtschaftsressort für den kleinen Freimarkt eine geschätzte Zahl von über 100.000 Besuchern hinzu, addierte die etwa 200.000 Schaulustigen des Freimarktumzugs und rundete auf. Das Gesamtergebnis fällt auch im Vergleich zu 2021 eher niedrig aus. Damals zählten die Scanner knapp eine Million Besucher auf der Bürgerweide – trotz 3G-Kontrollen, weniger Fahrgeschäften und dem Verzicht auf große Festzelte. Einen kleinen Freimarkt und den Umzug gab es im vergangenen Jahr nicht.
"Auch deshalb war ich über die Zahl aus diesem Jahr erstaunt", sagt Schaustellerin Keuneke. Für sie steht trotzdem fest, dass der Freimarkt das größte Volksfest in Norddeutschland ist. Mit den absoluten Zahlen einer genauen Zählung fielen wohl die Besucherzahlen überall niedriger aus. Die Verhältnisse blieben aber gleich: Nach dem Oktoberfest in München und dem Cannstatter Wasen in Stuttgart sei der Freimarkt das drittbeliebteste Volksfest in Deutschland.
Es ist aber gut möglich, dass die Hanseaten aus Hamburg dies anders sehen. Dort beginnt am Freitag der vierwöchige Winterdom, der 2019 rund 2,2 Millionen Besucher anzog. Wie die Wirtschaftsbehörde auf Nachfrage bestätigt, war dies allerdings eine geschätzte Zahl. Auch in diesem Jahr werde man mit den Schätzungen der Polizei arbeiten.