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Seehunde in der Weser Ja, wo schwimmen sie denn?

Immer wieder werden Seehunde in der Region Bremen-Nord in der Weser gesichtet - vom Elsflether Sand bis zum Werderland. Gezählt werden die Tiere allerdings bisher nicht.
02.07.2017, 18:20 Uhr
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Ja, wo schwimmen sie denn?
Von Christian Weth

Neulich war der Präsident der Bremer Landesjägerschaft wieder im fremden Revier unterwegs. Jedes Jahr lässt sich Holger Bartels zeigen, wie sich das Niedersächsische Wattenmeer entwickelt. Und der Bestand an Seehunden. Die Tiere werden momentan per Schiff und Flugzeug gezählt. Allerdings ausschließlich an der Küste, nicht im Landesinneren. Dabei gehen Bartels und andere davon aus, dass in der Weser eine Menge Seehunde sind und genaue Zahlen Aufschluss darüber geben könnten, wie gut es dem Fluss eigentlich geht. Oder wie schlecht.

Bartels ist Bremerhavener. Wenn er will, sagt er, kann er Seehunde fast täglich in irgendeinem Hafenbecken oder an irgendeinem Ufer sehen. Dass sich jemand bei ihm meldet, der eines der Tiere gesichtet hat, kommt deshalb so gut wie gar nicht vor. Anders als beim Wolf, den immer mehr sehen oder gesehen haben wollen. Und weil es keine Statistik gibt, wie viele Seehunde es in der Weser zwischen Bremen und Bremerhaven gibt, kann Bartels bestenfalls spekulieren. Er weiß, dass die Zahl der Tiere im Wattenmeer seit Jahren hoch ist. Und schließt daraus, was viele folgern: dass sie auch in der Weser öfter vorkommen.

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Bremens oberster Jäger wüsste es eigentlich gerne genauer. Bartels kann zwar auf Anhieb sagen, wie es dem Wald im kleinsten Bundesland geht – „kein saurer Boden, kein Baumsterben, im Großen und Ganzen also gut“. Aber nicht, wie es um die Weser bestellt ist. Gäbe es Zahlen über Seehunde, meint er, könnte die Jägerschaft daraus gewisse Rückschlüsse auf den Fischbestand ziehen und damit letztlich auch auf den Zustand der Weser, die ebenso zu ihrem Revier gehört wie eben der Wald in Bremen und Bremerhaven. „Im Grunde“, sagt Bartels, „wissen wir noch zu wenig“.

Säugetieratlas fürs Internet

Heiko Brunken formuliert es schärfer. „Die Weser ist zwar kein weißer Fleck für uns, aber ein hellgrauer.“ Brunken lehrt an der Bremer Hochschule. Sein Spezialgebiet: Angewandte Fisch- und Gewässerökologie. Der Mann ist viel im Ausland unterwegs. Man könnte ihn auch einen Fischforscher nennen, der über die Weser weniger weiß als ihm lieb ist. Anders als andere Bundesländer hat Bremen ihm zufolge kein Kataster, aus dem eindeutig hervorgeht, welche Fischarten sich in der Weser tummeln, welche wieder und welche nicht mehr.

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Brunken hat deshalb einen Säugetieratlas fürs Internet entworfen: Registrierte Nutzer können online stellen, welches Tier sie wann und wo gesichtet haben. Es gibt Einträge über Wildschweine, Wanderratten, Rehe, Reiher, Wiesel und Bussarde. Auch Wölfe werden aufgelistet. Und Seehunde. Die meisten Sichtungen gab es demnach am Elsflether Sand, einige beim Bunker Valentin, beim Fähranleger in Farge, am Ufer des Werderlands, andere am Café Sand in der Innenstadt und beim Weserwehr nahe der Carl-Carstens-Brücke in Habenhausen.

Für Biologe Brunken ist der Atlas nicht mit einem Kataster zu vergleichen. Und hat auch nichts mit einer Zählung zu tun: „Wir wissen nicht, ob ein und derselbe Seehund mehrfach gesichtet wurde oder ob es sich tatsächlich um unterschiedliche Tiere handelt.“ Auch fehlen Einträge über Begegnungen, wie ihn beispielsweise das Team eines Rudervierers am Hastedter Wehr hatte, als ein Seehund plötzlich aufs Boot robbte. Oder der Fund eines toten Tieres kürzlich im Europahafen in der Überseestadt. Der Atlas, meint Brunken, ist sozusagen wie eine lose Blattsammlung – „mehr nicht“.

Seehunde jagen in der Weser

Das ist für ihn aber immer noch mehr, als die Stadt unternimmt, um einen Überblick über Tiere in Bremen und Bremerhaven zu schaffen. Wie Jäger Bartels findet auch Wissenschaftler Brunken genaue Zahlen hilfreich, damit der Zustand von Landstrichen und Gewässern bewertet werden kann. Jedenfalls so ungefähr. Zwar lassen sich ihm zufolge Rückschlüsse auf den Fischbestand ziehen, wenn man weiß, wie viele Seehunde in der Weser jagen – über den Zustand des Flusses sagt das streng genommen aber nur begrenzt etwas aus: „Viele Fische bedeuten nicht automatisch gesunde Fische.“

Brunken will trotzdem demnächst das Gespräch mit den Ämtern suchen. Nicht bloß mit der Umwelt-, sondern auch mit der Wirtschaftsbehörde, die für die Häfen zuständig ist. Und damit für einen Großteil der Weser. Der Mann von der Hochschule denkt über eine bessere Zusammenarbeit aller nach, vor allem über eine bessere Vernetzung. Und darüber, ob nicht gemeinsam mehr erreicht werden kann, um die Wissenslücken beispielsweise über die Weser und die Tiere im Fluss zu schließen. Auch mit der Landesjägerschaft und anderen Verbänden will Brunken reden.

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Zum Beispiel mit dem BUND. Nadja Ziebarth leitet in Bremen das Meeresschutzbüro der Umweltschützer. Sie sagt, dass es immer wieder Sichtungen von Seehunden in Bremen gibt. Warum sie trotzdem noch nie gezählt wurden, hat ihr zufolge einen simplen Grund: „Es gibt bedrohtere Arten als den Seehund.“

Statistische Erfassung ist nicht notwendig

Jens Tittmann nennt einen anderen. Für den Sprecher von Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) gibt es schlichtweg nicht die Notwendigkeit, sie statistisch zu erfassen. Auch Sichtungen nicht. Weil die Tiere keine Probleme bereiten, sagt er. Und sich Mensch und Seehund nicht in gleicher Weise denselben Lebensraum teilen wie etwa Mensch und Wolf.

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Und weil Seehunde im Wasser nur schwer auszumachen sind. „Anders als im Wattenmeer“, erklärt Silke Klotzhuber, „gibt es an der Weser nur wenige Sandbänken, auf denen sie sich ausruhen.“ Klotzhuber ist vom Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Oldenburg. Die Behörde organisiert einen Teil der Flüge, bei denen Seehundbeobachter momentan Daten über den Bestand sammeln. Gezählt werden laut Klotzhuber ausschließlich Tiere auf Sandbänken. Deshalb, sagt sie, kurven die Flugzeuge über dem Wattenmeer und drehen kurz hinter Bremerhaven ab.

Wie viele Seehunde es in diesem Jahr an der Küste gibt, will das Landesamt bis August ausgerechnet haben. Im Vorjahr kamen die Beobachter auf 9339 Tiere zwischen Ems und Elbe – 84 mehr als 2015. Aber weniger als 2014. Damals wurden 9343 Seehunde gezählt, nach Angaben der Behörde so viele wie noch nie.

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