Herr Langer, es gibt Kritik aus Sportvereinen an den abgesenkten Wassertemperaturen in den Bremer Bädern. Gibt es auch aus medizinischer Sicht Gründe, die dagegensprechen?
Christoph Langer: Nein. Die Empfehlungen lauten, dass für normalen, halbwegs leistungsorientierten Schwimmsport Wassertemperaturen zwischen 25 und 28 Grad angemessen sind. Das gilt für alle Altersgruppen.
Also ausdrücklich auch für Kinder in Anfängerschwimmkursen?
Für Schwimmanfänger, die sich vielleicht nicht die ganze Zeit bewegen, wären 28 Grad oder sogar mehr wünschenswert. Es ist aber nicht so, dass dort unmittelbar medizinische Probleme oder gar echte Auskühlung droht, wenn das Wasser jetzt 26 Grad warm ist. Natürlich ist es auch eine Frage der Gewöhnung. Wir haben uns als Wohlstandsgesellschaft in den Bädern einfach relativ hohe Wassertemperaturen leisten können. Wenn das jetzt aus Gründen der Energieeinsparung etwas zurückgeschraubt wird, ist das sicher ein Verlust an Komfort, aber bei guter Gesundheit keine Gefahr.
Sind die Menschen hier also tatsächlich etwas verwöhnt?
Das ist mir auch wieder zu pauschal. Das Temperaturempfinden ist nun einmal sehr individuell. Was der Eine als angenehm empfindet, ist für den Zweiten vielleicht gerade noch akzeptabel und für einen Dritten zu kalt. Es ist auch möglich, dass sich im Wasser durch schnelles Frieren subklinische Erkrankungen bemerkbar machen, die im Alltag gar nicht auffallen. So etwas kann man ohne vorangegangene medizinische Untersuchung kaum ausschließen. Durchschnittlich wird mit jedem Grad geringerer Wassertemperatur die Zahl derjenigen zunehmen, die das Becken wegen Kältegefühl eher verlassen möchte.
Übungsleiter berichten, dass die Kinder bereits nach zehn Minuten frierend und mit blauen Lippen zu den warmen Duschen streben.
Keine Frage, wer zittert und blaue Lippen hat, sollte das Wasser verlassen. Ein solcher Zustand kann bei 26 Grad nach zehn Minuten nur eintreten, wenn sich zu wenig bewegt wird. Richtig ist, dass Kinder ein anderes Temperaturempfinden haben als Erwachsene. Objektiv gesehen können Kinder zudem tatsächlich schneller unterkühlen und so zu frieren beginnen, weil sie relativ zu ihrem Körpervolumen über eine größere Körperoberfläche mehr Wärme abgeben.
Gibt es aus medizinischer Sicht individuelle Verhaltenstipps, um sich länger warm zu halten?
Durchgängige Bewegung hilft. Man muss sich klar machen, dass der Körper durch die Schwimmbewegungen normalerweise schwitzen würde, wenn man nicht im Wasser wäre. Eventuell helfen bei Kindern bei herunter temperierten Schwimmbecken auch Badekappen oder kurzärmelige Badeanzüge mit Oberteil. Außerdem kann die Aufenthaltsdauer im kälteren Wasser angepasst werden. Und grundsätzlich gehören Kinder mit Infekt nicht zum Sport geschickt.
Wie ist das bei älteren Menschen? Auch dort gibt es Berichte, dass die Kurse zum Beispiel für Wassergymnastik mit Verweis auf die Wassertemperatur weniger frequentiert werden.
Prinzipiell gilt das von mir für die Kinder Gesagte auch für diese Gruppe. Es ist eine Frage der Gewöhnung, wobei ich persönlich immer den Eindruck habe, gerade diese Gruppe der Älteren ist insgesamt doch eher hartgesotten.
Vielleicht herrscht aber auch das Gefühl vor, man habe im Leben schon genug gefroren und jetzt sei es mal gut.
Ein interessanter Gedanke, heißt aber auch, es bleibt ein bisschen eine Frage des Wollens. Die Kursleiter sollten jedenfalls offen ansprechen, dass die Wassertemperaturen jetzt niedriger sind und daher möglicherweise dem ein oder anderen schneller kalt wird, dies aber rein medizinisch betrachtet bei guter Gesundheit noch kein Anlass zum Abbruch ist. Im Gegenteil: Mein Gefühl als Kardiologe sagt mir, es ist für Herz und Kreislauf schädlicher, auf sportliche Aktivität zu verzichten, als bei 26 Grad weiter zur Wassergymnastik oder zum Schwimmen zu gehen. Aber das ist wirklich nur mein Expertengefühl. Genaue Vergleichsuntersuchungen dazu kenne ich nicht.