Ein halbes Jahr lang hat der 30-Jährige geschwiegen, doch jetzt will auch der Hauptangeklagte im Landgerichtsprozess um vier falsche Polizisten reinen Tisch machen. Ein umfassendes Geständnis gegen die Zusicherung, nicht mehr als achteinhalb Jahren ins Gefängnis zu müssen – so lautet die Verständigung mit Gericht und Staatsanwaltschaft.
Über eine Dreiviertelstunde dauert es, bis seine Anwälte vorgetragen haben, welche Straftaten ihr Mandant begangen hat, wie er auf die schiefe Bahn geraten ist und und was genau seine Funktion innerhalb der Betrügerbande war. Doch Anklagebehörde und Richtern reicht das nicht: Für den Achteinhalb-Jahre-Deal müsse noch deutlich mehr von dem 30-Jährigen kommen, insbesondere auch zum Verbleib der Millionenbeute.
Der Auftritt als falscher Polizist gilt seit Jahren als überaus gewinnträchtige Betrugsmasche, mit der die zumeist von Callcentern in der Türkei aus operierenden Täter deutschlandweit fette Beute machen: Vermeintliche Polizisten melden sich telefonisch bei älteren Menschen und setzen sie mit erfundenen Geschichten über drohende Überfälle so sehr unter Druck, dass die Senioren den falschen Beamten „zur Sicherheit“ Bargeld, Schmuck und andere Wertsachen anvertrauen. Den vier Angeklagten aus Bremen werden 17 solcher Fälle zur Last gelegt. Fast zwei Millionen Euro haben sie dabei innerhalb eines guten halben Jahres erbeutet.
Zwei der Männer legten schon zu Prozessbeginn im März ein umfassendes Geständnis ab, der Dritte äußerte sich bislang zumindest zu einigen der Anschuldigungen. Der Vierte jedoch, der als Kopf des Quartetts gilt, stritt die Vorwürfe monatelang ab, beziehungsweise er äußerte sich nicht dazu. Doch nach den erdrückenden Beweisen gegen ihn, nicht zuletzt durch die Aussagen seiner Mitangeklagten, nun also die Kehrtwende: Ja, er sei für die 17 angeklagten Fälle verantwortlich. Ja, er habe aufgrund seiner guten Kontakte zu den Hintermännern in der Türkei eine leitende Position innerhalb der Betrugsmaschinerie gehabt. Habe die Betrügereien von Bremen aus koordiniert und das erbeutete Geld anschließend in die Türkei transferiert. Und ja, er sei nicht unbeträchtlich an den Einnahmen beteiligt gewesen. Zehn bis 20 Prozent der Beute seien in seine Taschen geflossen.
Nur einen aus der langen Liste von Vorwürfen weist er von sich: Dass die alten Menschen am Telefon manchmal verhöhnt wurden, habe er erst im Nachhinein erfahren. Für ihn ein „unsägliches Verhalten“, das er niemals gebilligt hätte. „Ich hatte darauf aber auch keinen Einfluss.“
„Passt alles nicht zusammen“
Bei der Staatsanwaltschaft kommt er damit nicht durch. Es gebe Mitschnitte von überwachten Telefonaten, die bewiesen, dass er bei der Verhöhnung der Opfer durchaus amüsiert geklungen habe, merkt der Vertreter der Anklage an. „Sollen wir Ihnen die Bänder vorspielen?“
Aber nicht nur bei diesen Details wird deutlich, dass die Anklagebehörde in diesem Prozess nicht bereit ist, auch nur einen Millimeter weit zurückzuweichen. Jeder noch so kleine Widerspruch in den Aussagen des 30-Jährigen wird aufgezeigt. Etwa, wenn dieser seine hohen Schulden als Erklärung dafür nennt, warum er mit den Trickbetrügereien begonnen habe. „Schulden? Aber Sie haben doch in dieser Zeit schon in erheblichem Umfang Immobilien angeschafft“, hält ihm der Staatsanwalt vor. „Das passt doch alles nicht zusammen.“
Vor allem aber ist da noch das Thema Vermögensabschöpfung. Immobilien, Bargeld, Autos – bei dem 30-Jährigen wurden bereits Millionenwerte gesichert. Nun fordert die Staatsanwaltschaft, dass der Anklage auf deren Rückgabe verzichtet. Und sie will an das Geld, das er bei Dritten oder in seinen zahlreichen Firmen gebunkert haben könnte. „Auch dazu erwarten wir noch Einlassungen.“
So sieht es auch der Vorsitzende Richter. Wenn es tatsächlich zu der abgesprochenen Verständigung kommen soll, seien weitere, sehr konkrete Ausführungen des Angeklagten notwendig. „Der Wille zum Nachbessern ist da“, lenkt die Verteidigung ein. Wie ernst dies gemeint ist, wird sich am 22. November, dem nächsten Prozesstag, zeigen.
Vermögensabschöpfung
2017 wurde das Gesetz zur Vermögensabschöpfung reformiert. Dies erleichtert der Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme von Vermögenswerten, wenn der Verdacht besteht, sie könnten auf unrechtmäßige Weise erlangt worden sein. Wie zum Beispiel in dem Fall der vier falschen Polizisten, der zurzeit vor dem Landgericht verhandelt wird. In diesem Verfahren hat die Staatsanwaltschaft unter anderen zehn Immobilien, 380.000 Euro Bargeld, 25 Krügerrand-Goldmünzen und diverse Schmuckstücke sowie mehrere hochwertige Kraftfahrzeuge gepfändet beziehungsweise sichergestellt.
Verdächtig erscheint der Anklagebehörde außerdem eine Reihe von Bargeldeinzahlungen auf Konten diverser Firmen, bei denen der Hauptangeklagte als Geschäftsführer fungierte. Dabei geht es um insgesamt um weitere rund 600.000 Euro. Die Straftaten datieren aus dem Zeitraum zwischen 2015 und 2018. Bis 2014 hatte der Mann laut Staatsanwaltschaft noch Hartz IV bezogen.