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Gerichtsurteil Sturz über E-Scooter: Blinder Bremer geht nach Unfall leer aus

Das Oberlandesgericht Bremen hat am Mittwoch die Berufung eines blinden Klägers zurückgewiesen, der einen Elektrorollervermieter auf Schmerzensgeld verklagt hatte, nachdem er gestürzt war.
15.11.2023, 12:50 Uhr
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Sturz über E-Scooter: Blinder Bremer geht nach Unfall leer aus
Von Justus Randt

Ein blinder Bremer geht nach dem Sturz über einen umgekippten Elektroroller leer aus. Das ist das Ergebnis seines Zivilverfahrens mit dem Ziel, 20.000 Euro Schadensersatz für eine im Sommer 2020 erlittene schwere Verletzung und monatelangen Arbeitsausfall zu erstreiten. Das Oberlandesgericht (OLG) Bremen hat am Mittwoch die Berufung des 53-Jährigen zurückgewiesen. Der Kläger, Klaus Bopp aus der Bremer Neustadt, war damit gegen ein klageabweisendes Urteil des Landgerichts Bremen vom März vorgegangen.

In der mündlichen Verhandlung hatte das OLG im Oktober einen Vergleich des damals in Bremen vertretenen E-Scooter-Vermieters Voi mit Klaus Bopp lediglich angeregt. In der rechtlichen Bewertung hatte das OLG grundsätzlich die Position des Landgerichts Bremen mitgetragen, dass es keine gesetzliche Halterhaftung des Verleihers gebe. Im nun vorgelegten schriftlichen Urteil verneint der 1. Zivilsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts Bremen eine „Haftung des Verleihers wegen einer sogenannten Verkehrssicherungspflichtverletzung“. Zwar sei die Beklagte grundsätzlich zu notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen verpflichtet. Es sei aber zu berücksichtigen, „dass nicht jeder Gefahr vorbeugend begegnet werden“ könne. Eine „Verkehrssicherung, die jede Gefährdung ausschließe“, sei „im praktischen Leben nicht erreichbar“.

Das Landgericht hatte Klaus Bopp im Frühjahr eine erhebliche Mitschuld zugesprochen und darauf verwiesen, dass der Blinde die Stolperfalle mit seinem Langstock hätte erfassen können und obendrein auf dem Weg zur Arbeit zu schnell gegangen sei. Dieser Auffassung schloss sich das OLG nicht ausdrücklich an.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, es besteht die Möglichkeit, innerhalb eines Monats eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof zu erheben. Michael Richter, der Anwalt Klaus Bopps, verfolgt eine andere Strategie: Er erwägt eine Amtshaftungsklage gegen die Stadt Bremen, alternativ eine Beschwerde gegen die Zulassung der seinerzeit gültigen Sondernutzungserlaubnis, aufgrund derer Rollerverleiher ihre Fahrzeuge beispielsweise auch im rechten Winkel zu Häuserfassaden aufstellen konnten.

In der heutigen Fassung der Sondernutzungserlaubnis ist das anders geregelt: Jetzt müssen die Roller parallel zur Hauswand geparkt werden. Zumindest so lange, wie es keine extra Abstellflächen für die Roller gibt. Die wiederum versucht der Blinden- und Sehbehindertenverein Bremen mit einer Verbandsklage vor dem Verwaltungsgericht Bremen zu erstreiten.

Jürgen Karbe, stellvertretender Vorsitzender des BSVB und Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe behinderter Menschen Bremen (LAGS) findet die OVG-Entscheidung „skandalös“ – wie bereits die Entscheidung des Landgerichts. „Wir sind sehr enttäuscht und sind solidarisch mit Klaus Bopp. Wir hätten ihm Schadensersatz sehr gewünscht.

Anwalt Michael Richter, der selbst blind ist, ist Geschäftsführer der Rechtsberatungsgesellschaft des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e. V. (DBSV) „Rechte Behinderter Menschen“. Zur konkreten Bewertung will er zunächst die ausführliche Urteilsbegründung des OLG abwarten, in dessen Verhandlung die alte Sondernutzungserlaubnis Thema war.

Richter hat im Oktober die Verbandsklageschrift beim Verwaltungsgericht eingereicht. Dabei gehe es um die Sondernutzungserlaubnis in ihrer jetzigen Form und um die nach Ansicht des Blinden- und Sehbehindertenvereins fehlenden separaten Parkflächen für E-Scooter in Bremen. „Das ist ja eine Feststellungsklage, deren Ergebnis auf jeden Fall auch einiges über die alte Sondernutzungserlaubnis aussagen wird.“

Dieser Text wurde am Mittwoch, 15.11.2023, um 14.15 Uhr aktualisiert.

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