Ganztagsschule, verkürzte Schulzeit, Freizeitaktivitäten – Kinder und Jugendliche sind heute nahezu ausgebucht. Die Folge: Evangelische Kirchengemeinden auch in Bremen-Nord melden sinkende Konfirmandenzahlen. Die Gemeinden greifen darum mit besonderen Projekten und Modellen ein, um den Konfirmandenunterricht attraktiver zu gestalten. Diakon Heiko Lucht soll jetzt für Bremen-Nord neue Modelle entwickeln.
Bremen-Nord. In den vergangenen Jahren haben sich bundesweit die Konfirmandenzahlen verringert. In den Kirchengemeinden sind die Gründe bekannt. Es gibt immer öfter Ganztagsunterricht, Kinder und Jugendliche müssen mehr lernen, um zum Beispiel das Abitur nach zwölf Jahren zu schaffen. Das Freizeitverhalten hat sich verändert. Tanzen, Reitunterricht, Chor, Sportverein – Kinder und Jugendliche haben viel um die Ohren. Auch der Geburtenrückgang – immer weniger deutsche Kinder werden geboren – und gesellschaftliche Umbrüche spielen eine wichtige Rolle.
Laut Sabine Hatscher, Pressesprecherin der Bremisch Evangelischen Kirche (BEK), "ist auch in Bremen ganz klar der Trend zu kleineren Gruppen auszumachen". Es sei zwar nicht so dramatisch, auf jeden Fall müsse aber gegengesteuert werden. Waren es im Schnitt über 2000 Jugendliche, die in der Stadt Bremen und der zur BEK gehörenden Bremerhavener Gemeinde in den vergangenen Jahren angemeldet wurden, "pendelt es sich auf 1700 Konfirmanden ein, die pro Jahr konfirmiert werden". Aufgrund eines Software-Problems der BEK gibt es für die 15 evangelischen Nordbremer Gemeinden nur wenige und keine aktuellen Daten. Das Thema ist aber identisch.
Das Gegensteuern besteht unter anderem darin, dass die Kirche Projektmittel für eine ganz neue Stelle in Bremen-Nord zur Verfügung gestellt hat. Sie trägt den Namen "Koordinationsstelle für die Arbeit mit Konfirmanden in Bremen-Nord" und ist auf fünf Jahre befristet. Der 41-jährige Diakon Heiko Lucht ist in der St.-Martini-Gemeinde angestellt und leitet dort zwei Konfirmandengruppen. Dreiviertel seiner Arbeitskraft soll er aber für die Entwicklung von Projekten und Modellen verwenden – für alle 15 evangelisch-lutherischen und evangelisch-reformierten Gemeinden in Bremen-Nord. "Ich soll mir Gedanken machen, wie der Konfirmandenunterricht attraktiver gestaltet werden kann", beschreibt er seine Aufgabe.
Er soll Ansprechpartner für alle Gemeinden sein, Unterrichtsmodelle anbieten, informieren und Ehrenamtliche für die Konfirmandenarbeit qualifizieren. Von der Projektstelle erhoffe man sich Impulse, regionale Projekte auf den Weg bringen zu können, so Lucht.
Die evangelischen Kirchengemeinden haben sich aber auch schon seit längerem auf die neuen Gegebenheiten eingestellt. "Es wurde die Notwendigkeit gesehen, dass man das Thema gezielt angehen muss", weiß Lucht. Der Konfirmandenunterricht, kurz Konfus, beginnt zum Beispiel meistens erst am späten Nachmittag. Mit Bremer Schulen wurde vereinbart, wenigstens den Dienstagnachmittag von schulischen Aktivitäten frei zu halten.
Nicht nur in den Stundenplan des Konformandenunterrichts ist Bewegung gekommen: Die Jugendlichen können alle 14 Tage zum Konfus, treffen sich in Blöcken von mehreren Tagen als Freizeit oder ziehen in die Konfus-Wohngemeinschaft wie in St. Martini. Konfirmanden und deren Betreuer wohnten darin zusammen.
Auch inhaltlich und methodisch ist der Konfus nicht mehr mit dem Unterricht vor 30 oder 40 Jahren zu vergleichen, als Katechismus und Gebote gepaukt werden mussten. "Menschen stehen im Mittelpunkt. Alle Themen haben mit dem Leben der Konfirmanden zu tun. Gesellschaftliche Themen bekommen im Unterricht eine Gestalt", erläutert Lucht. Beim Konfus ginge es darum, jungen Menschen Orientierung bieten zu können, wie sie ihr Leben gestalten können.
Konfus-Camp in Grömitz
Zur neuen Form des Konfirmandenunterrichts gehört auch das Konfus-Camp. Mangels Personal konnte es zuletzt vor vier Jahren veranstaltet werden. Lucht bereitet nun ein solches Camp vor und leitet es vom 10. bis 15. Juli in Grömitz an der Ostsee. Für ihn ist das Camp auch eine Möglichkeit, die Konfirmandenarbeit in Bremen-Nord zu vernetzen, was zu seinen Aufgaben zählt. Neun der evangelischen Kirchengemeinden aus Bremen-Nord nehmen mit einem Großaufgebot von ungefähr 230 Konfirmanden, 45 ehrenamtlich tätigen Jugendlichen sowie zwölf Pastoren und Diakonen daran teil. Das Motto heißt: "Nimm Dir Zeit."
Von diesem Konfus-Camp erhofft er sich nachhaltige Wirkung. "Über den Konfus hinaus sollen die jungen Leute ja ihren Glauben leben oder weiter in den Gemeinden mitarbeiten." Das Konfus-Camp sei ein Höhepunkt und könne motivieren, ehrenamtlich zu arbeiten. "Je mehr Jugendliche von Gleichaltrigen über den Glauben hören, desto besser können sie das auch annehmen," meint er und knüpft an das Camp im Oktober mit einem regionalen Konfirmandentag in Blumenthal an. "Alle Gemeinden arbeiten daran und werden mit rund 350 Konfirmanden teilnehmen", erzählt Lucht.
Neu ist auch sein Aufgabenfeld "Kirche und Schule". Nordbremer Schulen wird angeboten, dass der Diakon Projekte oder Seminare mitgestaltet oder leitet oder Klassen an einen außerschulischen Lernort mitnimmt. Das habe nichts mit Religionsunterricht zu tun. Es ginge nicht ums Missionieren, versichert er. "Wir wollen", sagt er, "dorthin gehen, wo die jungen Leute sind und nicht nur darauf warten, dass sie zu uns kommen."
Die Idee sei, Kirche ein Gesicht zu geben. In diesem Fall ist es das Gesicht von Heiko Lucht. Er ist Diplom-Religionspädagoge und hat an der evangelischen Fachhochschule Hannover studiert. Er war 14 Jahre lang Gemeinde-Diakon mit Schwerpunkt Kinder-, Jugend- und Konfirmandenarbeit in Worpswede. Der 41-Jährige lebt dort mit seiner Ehefrau und seiner 14-jährigen Tochter.