Aufmerksamkeit zu erzeugen, das kann mitunter ein mühsames Geschäft sein. Zumindest bei anspruchsvollen Leserinnen und Lesern, zu denen Sie selbstverständlich zählen, ansonsten wären Sie ja nicht an dieser Kolumne hängen geblieben. Bei mir wiederum haben es die Medienschaffenden der Konkurrenz ziemlich leicht. Zwar braucht es dafür schon ein wenig mehr, als dass der Comedian Oliver Pocher seinen Beziehungsstatus seit Wochen in konsequenter Würdelosigkeit auf dem Boulevard ausbreitet – doch in der Regel reicht der Initialbegriff „Bremen“, damit ich bei der Sache bin.
Allzu weit war das Thema, das diese Woche meine Aufmerksamkeit erregte, dann aber doch nicht vom Scheitern der Eheleute Pocher entfernt. Es ging um: Untreue. In einer Studie – der Begriff ist sicher dehnbar – wurden 17 deutsche Großstädte daraufhin untersucht, wo die männliche Fremdgängerei besonders ausgeprägt ist. Ob das Timing der Veröffentlichung so richtig passend war, sei dahingestellt; schließlich naht der Valentinstag, an dem auch Sie der Person Ihres Herzens am kommenden Mittwoch hoffentlich einen Beweis Ihrer Liebe erbringen. Aber wie es um den Stand der Treue im 0421-Land bestellt, das möchte man ja schon wissen.
Und tja, so richtig ehrenhaft ist das Ergebnis für die Bremer Männer nicht. Platz sechs im großstädtischen Untreue-Ranking, wenn auch mit deutlichem Abstand zu Osnabrück, wo demnach die größten Beziehungs-Halunken beheimatet sind. Falls Sie nun gewisse Zweifel an jener, nun ja, Studie haben sollten, so kann das nur mit den bereits erwähnten hohen Ansprüchen zu tun haben. Denn wenn ein Online-Portal namens „Erobella“ die Ergebnisse einer Umfrage unter 1000 Usern zum Thema Fremdgehen unter anderem mit den Scheidungsraten sowie der Anzahl von Scheidungsanwälten und der Vielfalt erotischer Dienstleistungen in der jeweiligen Stadt in Zusammenhang bringt – dann soll so viel Mühsal doch nicht durch kleinliche Fragen nach wissenschaftlicher Methodik herabgewürdigt werden. Oder?
Zumal das restliche Deutschland seit dieser Woche nun auch eine ungefähre Ahnung davon hat, was Bremer Männern noch so alles anstellen – und zugleich etwas über die offenbar herzliche, durch geistige Getränke verstärkte Abneigung zweier Kohlfahrtgesellschaften aus Woltmershausen und Seehausen lernte. Denn die Meldung über die nächtliche Klopperei vor einem Lokal in Seehausen zwischen 30 Kohlfahrern aus den beiden Nachbarstadtteilen brachte es weit über unsere geschätzte Qualitätszeitung hinaus zu beachtlicher Medienpräsenz. „Massenschlägerei in Bremen: Wenn die Kohlfahrt außer Kontrolle gerät“, titelte etwa die Online-Ausgabe des „Spiegel“ – da war ich natürlich sofort aufmerksam. Allein schon deshalb, weil bei mir dieses Wochenende eine Kohlfahrt ansteht. Aber Keilereien habe ich schon als Grundschüler gescheut. Und da bleibe ich mir bis heute: treu.
Tagebucheintrag: Das untrügliche Zeichen, dass die Kohlsaison auf ihren Höhepunkt zusteuert, hat mir gerade mein Supermarkt geliefert. Dort sind mit dem Februar die ersten Schoko-Osterhasen und -eier in die Regale eingezogen.