Das Herz der Stadt muss weiter schlagen. Den Patienten Innenstadt mit den immer gleichen Methoden am Leben halten zu wollen, führt aber nicht zum Erfolg. Um das Zentrum fit für die Zukunft zu machen, müssen neue Therapien ausprobiert werden. Die Ideen und Konzepte, die beim Innenstadt-Gipfel – vielmehr ein Investoren-Gipfel – entwickelt werden, versprechen wenig nachhaltige Besserung. Die bisherigen Ansätze sind in der Vergangenheit gescheitert.
Um den Stadtkern zu reanimieren, ihn als zentralen Treffpunkt zu gestalten, muss das oberste Ziel sein, dass sich Menschen dort wohlfühlen, dass sich Flaneuren dort aufhalten mögen, dass Eltern ihre Kinder unbesorgt auf die Straße schicken können. Dafür muss die Innenstadt auch vom Autoverkehr befreit werden.
Darüber und über andere Fragen ihrer Zukunft diskutiert ein Kreis von Honoratioren, der sich überwiegend aus Wirtschaftsvertretern und Investoren zusammensetzt. Auf der Einladungsliste für den Innenstadt-Gipfel stehen acht Investoren, drei Vertreter der City-Initiative (darunter zwei Unternehmer), zwei der Handelskammer sowie je einer der Wirtschaftsförderung und des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes. Es sind nicht nur nahezu die gleichen Protagonisten wie beim ersten Gipfel-Treffen, sondern es sind auch diejenigen, die die Innenstadt mit in diese Situation geführt haben, in der sie gerade steckt: zu viel Leerstand, verwaiste Straßen und verödete Plätze, hochgeklappte Bordsteine am Abend. Die Pandemie hat diese Entwicklung verstärkt und verdeutlicht.
Diese Akteure sowie die politischen Vertreter aller Fraktionen hatten in den vergangenen Jahren das Heft des Handelns in der Hand. Sie besaßen die Möglichkeiten und die Macht, dem tiefgreifenden Strukturwandel zu begegnen. Doch ihre Konzepte haben kaum gefruchtet. Der Senat hat im vergangenen Jahr die Eigentümer von Immobilien in der Innenstadt aufgefordert, Mieten und Pachten zu verringern. Der Appell kam zu spät, die Weichen hätte die Politik früher stellen müssen. Die Erwartungen von Investoren und Immobilien-Besitzern an Renditen müssen heruntergeschraubt werden, um die Innenstadt dauerhaft am Leben zu erhalten.
Die Wirtschaftsvertreter und Investoren sind nicht in erster Linie Wohltäter, sie verfolgen kommerzielle Interessen. Das liegt in der Natur der Sache und ist ihnen schlecht vorzuwerfen. Doch die Innenstadt darf nicht nur auf ihre Wirtschaftlichkeit oder Verwertbarkeit abgeklopft werden. Wo Straßenmusiker und Künstler mit den Geldern eines Aktionsprogramms angeheuert werden müssen, um Besuchern eine belebte Stadt vorzugaukeln, ist weit entfernt von dem erhofften Zustand - einer attraktiven, vielfältigen Innenstadt.
Dem Gipfel zur Zukunft der Innenstadt fehlt es an noch mehr. Die weiblichen Teilnehmer sind klar in der Unterzahl – nicht mal ein Viertel sind Frauen. Die Bereiche Stadtentwicklung und Bauen sind klar in Männerhand. Fakt ist zudem: Wirklich jung ist in dieser Runde keiner mehr. Welcher Teilnehmer transportiert also die Vorstellungen und Wünsche zukünftiger Generationen? Wo bleibt die Vielfalt? Wo sind die Vertreter der Start-Ups, der jungen Unternehmen, der besonderen Läden, die sich ansiedeln sollen? Wo ist die Meinung derer, die in der Innenstadt wohnen, leben und einkaufen? Die Profis für temporäre Nutzungen von der Zwischenzeitzentrale fehlen genauso wie die Akteure der sterbenden Discomeile oder der - von den Beeinträchtigungen der Pandemie abgesehen - quicklebendigen Schlachte.
Wichtig wäre, zu erfahren, was jene sagen, die in den nächsten 20 bis 30 Jahren in der Stadt leben werden. Die Entscheidungen und Weichen, die jetzt gestellt werden, betreffen viele der Gipfel-Akteure dann weniger direkt. Die Stadt gehört allen, heißt es. Dann müssen auch alle daran arbeiten.
Aufbruch, Mut und Innovation sehen anders aus. Als Medizin für das Herzstück Innenstadt braucht es Ganzheitlichkeit: Wer auf mehr weibliche, junge, kreative Stimmen setzt, kann sich auch mehr unkonventionelle Ideen und neue Impulse erhoffen.