Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Konzepte für den Ernstfall Bremen bekommt Katastrophenbeauftragten

Bremen bekommt einen Katastrophenbeauftragten. Die Person, die diese Aufgabe übernimmt, ist bereits gefunden. Ist momentan aber noch an ihrer heutigen Dienststelle unabkömmlich.
23.09.2020, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Bremen bekommt Katastrophenbeauftragten
Von Ralf Michel

Natürlich habe man sich in der Innenbehörde von jeher auch um den Katastrophenschutz gekümmert. Aber eher so nebenher. Wird schon irgendwie laufen... „Dieses Thema hatte in den vergangenen Jahren bei uns nicht so die tragende Rolle“, formuliert es Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Doch damit ist jetzt Schluss. Erstmals in seiner Geschichte bekommt das Land Bremen einen Katastrophenschutzbeauftragten.

Ein Vollzeitjob, ohne zusätzliche Aufgaben in anderen Bereichen. „Wir konnten nicht so weitermachen wie bisher“, sagt Mäurer und begründet dies vor allem mit den Folgen des Klimawandels und der Gefährdung hochsensibler Bereiche wie etwa der Energieversorgung durch terroristische Angriffe. Die Person, die diesen neuen Posten übernehmen soll, ist bereits ausgemacht: Karl-Heinz Knorr, bislang Chef der Bremer Feuerwehr.

Katastrophenschutz in Bremen bedeutete bislang vor allem Hochwasserschutz. Keine Bagatelle, ohne Deiche würden große Teile Bremens schon durch das normale mittlere Hochwasser der Weser zweimal am Tag überflutet. Aber da gibt es ja die Deichverbände mit all ihrer Kompetenz. Und für den Fall der Fälle stehen Feuerwehr, Technisches Hilfswerk und Bundeswehr bereit. Außerdem komme so ein Hochwasser ja auch nie überraschend, erklärte Mäurer am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz. „Das kündigt sich ja an. Da schau ich in eine App und weiß genau, wie die Pegel steigen.“

Was aber, wenn einer der schützenden Deiche Ziel eines Anschlags wird? Und was ist mit den Folgen des Klimawandels, mit Starkregenereignissen oder orkanartigen Stürmen, wie sie zuletzt immer häufiger und durchaus auch punktuell auftraten? „Sind wir darauf wirklich gut vorbereitet? Zumal bei radikal veränderten Reaktionszeiten?“, so Mäurer. Ein anderes Beispiel sei die Stromversorgung. Was, wenn die gezielt lahmgelegt würde? Nicht für ein paar Stunden, sondern gleich für mehrere Tage? Und damit dann auch das Internet? Ein Thema, das bei der Nato schon seit Jahren diskutiert werde, Stichwort „hybride Kriegsführung“. Gemeint sind damit Attacken auf kritische Infrastruktur wie beispielsweise die Stromversorgung.

Lesen Sie auch

Kurzum, einfach weitermachen wie bisher und auf Bewährtes setzen, käme nicht infrage, erklärte Bremens Innensenator. Man brauche eine kompetente Person, die sich um den Bereich Katastrophenschutz kümmere. Und dies voll und ganz, statt „mal so eben nebenbei“. Gefunden hat er diese Person in Karl-Heinz Knorr, im November seit 24 Jahren Chef der Feuerwehr in Bremen. Der 56-Jährige soll im kommenden Jahr das neue Referat „Katastrophen- und Zivilschutz“ beim Senator für Inneres übernehmen. Ihm zur Seite stehen werden dabei zwei Mitarbeiter. Der Leitende Branddirektor sei ein erfahrener Krisenmanager und als „fachliches Schwergewicht“ auch bundesweit anerkannt. Unter anderem ist Knorr Vizepräsident des Bundesfeuerwehrverbandes.

In Bremen dürfte ihm aber vor allem zugutekommen, dass er jemand ist, der seit vielen Jahren die hiesigen Behörden kennt und der dort selbst kein Unbekannter ist. Denn mit denen wird er sich abstimmen müssen, wenn es darum geht, vielfältigste Szenarien neu zu durchdenken und konzeptionell vorzubereiten. Weisungsbefugt wird der Katastrophenschutzbeauftragte nicht sein. Die einzelnen Ressorts behalten ihre Zuständigkeiten, auch dort, wo sie unmittelbar in das Aufgabengebiet des neuen Beauftragten fallen. Knorr werde eher eine koordinierende Rolle übernehmen, die einzelnen Behörden für die neuen Herausforderungen sensibilisieren, heißt es seitens der Innenbehörde. Knorr selbst formuliert dies handfester: „Ich kann schon penetrant sein.“

Lesen Sie auch

Als erste Aufgabe werde er sich dem Thema Stromausfall widmen: „Was heißt es für systemrelevante Bereiche wie Polizei, Feuerwehr, Krankenhäuser oder Rettungsdienste, wenn tatsächlich mal für 24 oder 48 Stunden der Strom ausfällt? Was passiert mit denen, welche Bedarfe entstehen da?“, nennt Knorr Fragen, für deren Beantwortung er Konzepte entwerfen will. „Wie kommen wir zum Beispiel an Kraftstoff ran? Der ist zwar in Bremen vorhanden. Aber wie bekommen wir ihn in die Fahrzeuge, wenn die Tankstellen nicht mehr funktionieren?“ Solche Fragen müssten zumindest grob vorgeplant sein, um für den Fall der Fälle gewappnet zu sein.

Lesen Sie auch

Ein anderer Aspekt, der in der Knorr'schen Agenda ganz oben steht, ist die „Führungsorganisation unterhalb der Katastrophenschwelle“. Ein Thema, zu dem er in den vergangenen Monaten als stellvertretender Leiter des Corona-Krisenstabs jede Menge Erfahrungen sammeln konnte. Auch um den Umgang mit einem Massenanfall von Verletzten will er sich kümmern. „In diesem Bereich sind wir aber wie beim Hochwasserschutz schon recht gut aufgestellt.“

Dies alles allerdings erst im kommenden Jahr. Noch ist Karl-Heinz Knorr Chef der Feuerwehr. Und das wird er auch bleiben, bis ein Nachfolger gefunden und eingearbeitet ist. Die deutschlandweite Ausschreibung für diesen Posten sei in Arbeit. In der Innenbehörde rechnet man im Frühjahr 2021 mit einer Neubesetzung der Stelle, angestrebt wird der 1. April. Erst dann wechselt Knorr auf seinen neuen Posten und Bremen hat einen Katastrophenbeauftragten.

Info

Zur Sache

Versorgung der Bevölkerung

Katastrophe im Sinne des Gesetzes ist laut Bremer Innenbehörde „ein über die Schadensfälle des täglichen Lebens und eine Großschadenslage hinausgehendes Ereignis, das Leben, Gesundheit, die Umwelt, erhebliche Sachwerte oder die lebenswichtige Versorgung der Bevölkerung gefährdet oder beeinträchtigt“.

Und dies in einem solchen Ausmaß, dass zur Bekämpfung dieses Ereignisses die für die Schadensabwehr zuständigen Behörden mit den Feuerwehren und Rettungsdiensten sowie den Einheiten und Einrichtungen des Katastrophenschutzes unter zentraler Leitung zusammenwirken müssen. Bei Eintritt einer Katastrophe, die Bremen und Bremerhaven betrifft, liegt die Entscheidungszuständigkeit für Katastrophenschutzmaßnahmen beim Senator für Inneres als Katastrophenschutzleiter.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)