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Nachfrage steigt Boom bei künstlicher Befruchtung in Bremen

Auch in Bremen steigt die Nachfrage nach künstlicher Befruchtung: In einigen Bundesländern gibt es zusätzliche finanzielle Unterstützung für Paare - Bremens Gesundheitssenatorin plant eine Förderrichtlinie.
31.03.2021, 05:00 Uhr
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Von Karina Skwirblies

Die künstliche Befruchtung erfreut sich in Deutschland und auch in Bremen steigender Nachfrage. Immer mehr Paare nehmen medizinische Hilfe in Anspruch, wenn es mit dem Nachwuchs auf natürliche Weise nicht klappt. Diesen Trend konnte im vergangenen Jahr selbst die Corona-Pandemie nicht stoppen, obwohl beim ersten Lockdown im Frühjahr ein deutlicher Einbruch der Behandlungen verzeichnet wurde.

„Die Reproduktionsmedizin in Deutschland beendet das schwierige Jahr 2020 mit einem Plus bei der Anzahl der Behandlungen von 9,3 Prozent“, resümierte das Deutsches IVF-Register (DIR), die nationale Datenbank für künstliche Befruchtungen, im Januar dieses Jahres. „Bei den 113 in dieser Auswertung eingeschlossenen Zentren wurden 2020 mehr als 108.000 Behandlungen begonnen, der Vergleichswert zum Vorjahr liegt bei gut 99.000. Hochgerechnet auf alle DIR-Mitglieder wird sich damit nach 2019 ein weiteres Rekordjahr ergeben.“

Während etwa Berlin, Hamburg und Schleswig-Holstein dabei deutlich über dem Durchschnitt lagen, stellt das Register für Bremen, Niedersachsen und Hessen die niedrigsten Steigerungsraten fest. Bremen und Niedersachsen verzeichneten für 2019 zusammen 7645 Behandlungen, im vergangenen Jahr wurden 8022 Behandlungen für beide Länder gemeldet.

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„Der Kinderwunsch scheint größer zu sein als Sorge und Bedenken wegen Corona für Mutter und Kind“, teilt das Register angesichts der steigenden Zahlen mit. Möglicherweise hätten die Menschen auch finanzielle Mittel, die etwa für einen Urlaub geplant waren, alternativ in eine Kinderwunschbehandlung investiert.

Das Zentrum Kinderwunsch Bremen verzeichnet für 2020 keine Zunahme. „Zu Beginn der Pandemie haben wir zur Sicherheit die Behandlungen heruntergefahren“, sagt Christoph Grewe, einer der Ärzte des Zentrums. Doch aktuell scheint sich der bundesweite Aufwärtstrend auch in Bremen bemerkbar zu machen. „In den vergangenen zwei Monaten wird es deutlich mehr", betont Grewe. In der Regel kämen Paare, wenn sie zwei Jahre lang vergeblich auf Nachwuchs gewartet hätten. Nun kämen viele bereits nach einem Jahr. Der Arzt führt dies auf die Einschränkungen in der Corona-Pandemie zurück. Die Menschen hätten mehr Zeit gehabt, sich über ihren Kinderwunsch Gedanken zu machen. Mehr als 500 künstliche Befruchtungen führe das Zentrum jährlich durch, behandeln ließen sich rund 2000 Paare.

Die Erfolgsquote habe in Deutschland 2018 bei 32,2 Prozent gelegen, sagt Grewe. Der Erfolg hänge allerdings sehr stark vom Alter ab. „Viele Paare kommen zu spät.“ Das durchschnittliche Alter der Frauen in dem Bremer Zentrum liege bei 38 Jahren. Der Arzt rät dazu, sich spätestens ab dem 35. Lebensjahr mit dem Thema Kinderwunsch auseinanderzusetzen. Danach nehme die Erfolgsquote deutlich ab. „Von 35 bis 45 Jahren sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft bei künstlicher Befruchtung von circa 40 auf vier Prozent.“

Belastend bei einer Behandlung seien weniger die körperlichen Anforderungen. „Davor muss man keine Angst haben“, so Grewe. „Aber psychisch ist das eine riesige Herausforderung. Nur etwa drei bis vier von zehn Frauen werden beim ersten Versuch schwanger.“

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Die finanzielle Unterstützung durch die Krankenkassen sei sehr gut, meint Grewe. „Auch in Bremen und Niedersachsen gibt es Kassen, die 100 Prozent der Behandlungskosten übernehmen.“ Gesetzlich sei der Anteil der Kassen an den Kosten für die der künstlichen Befruchtung auf 50 Prozent festgelegt. Eine Behandlung als Selbstzahler nach dem Verfahren der In-Vitro-Fertilisierung (IVF) koste rund 2000 Euro, eine Spermien-Mikroinjektion (ICSI) rund 4000 Euro. Zudem müsse mit Medikamentenkosten von rund 2000 Euro gerechnet werden. Bei der IVF werden die Eizellen in einer Kulturschale mit Spermien zusammengebracht, wo eine spontane Befruchtung stattfindet. Bei der ICSI wird ein Spermium unter dem Mikroskop in eine Eizelle gespritzt.

2012 hat die Bundesregierung ein Förderprogramm für künstliche Befruchtung aufgelegt. Danach können Ehepaare 50 Prozent des Eigenanteils von Bund und Land erhalten. Bedingung ist, dass das Bundesland ebenfalls ein Förderprogramm auflegt. Elf Länder beteiligen sich an einem solchen Programm - Bremen ist bislang nicht dabei. Kritik kommt von der FDP: Bereits im März 2019 stellte sie in der Bürgerschaft einen Dringlichkeitsantrag, im Februar vergangenen Jahres forderten die Liberalen erneut ein Landesprogramm zur Unterstützung von Kinderwunschbehandlungen.

Niedersachsen hat ein solches Programm. In den Jahren 2018 bis 2020 wurden jeweils rund 3300 Anträge auf Förderung bewilligt, teilt die Sprecherin des Niedersächsischen Landesamts für Soziales, Jugend und Familie, Sabine Allewelt, mit. Auch in Bremen tut sich etwas. Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) plant noch in diesem Jahr eine Landesförderrichtlinie über Zuwendungen für Maßnahmen der assistierten Reproduktion auszuarbeiten. Eine Arbeitsgruppe soll konkrete Regeln definieren, sagt Behördensprecher Lukas Fuhrmann. Die Deputation werde sich im Mai und Juni mit dem Thema befassen.

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Louise Brown ist das erste in vitro gezeugte Baby der Welt. Sie wurde am 25. Juli 1978 im englischen Oldham geboren und war damals eine medizinische Sensation. Damit begann die Ära der Reproduktionsmedizin. Von britischen Zeitungen wurde sie „Kind des Jahrhunderts“. Louise Browns Mutter konnte nicht auf natürlichem Weg schwanger werden. Sie wandte sich an den Physiologen Robert Edwards und den Gynäkologen Patrick Steptoe an, die als Pioniere auf dem Gebiet der künstlichen Fortpflanzung galten.

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