Mit "Kuß Rosa" unterschrieb die Kommunistin Rosa Luxemburg Briefe, die sie aus dem Gefängnis an Freunde und Unterstützer schrieb. Das Leben der Revolutionärin beendete bekanntlich ein Mörder. Nun blickt auch das Kuß Rosa in der Bremer Neustadt einem traurigen Ende entgegen. Die "Kneipe mit Küche und Kultur" – wie Mitbegründerin Wiebke Meenen ihr Kuß bis heute beschreibt – steht vor dem Aus.
Ausgerechnet am 17. Geburtstag soll die Kneipe am Buntentorsteinweg besenrein dem neuen Eigentümer übergeben werden. Dessen Schwiegersohn will ein neues gastronomisches Angebot mit anderem Konzept aufbauen. So berichtet es zumindest der bisherige Eigentümer Marco Schaefer gegenüber dem WESER-KURIER. Trotz unterzeichnetem Kaufvertrag hat ein Kollektiv aus Beschäftigten und Unterstützern die Hoffnung noch nicht aufgegeben, das Kuß Rosa zu retten.
Binnen weniger Wochen hatte die Gruppe 150.000 Euro gesammelt und die Finanzierungsbestätigung einer Bank erhalten, um die Immobilie für den geforderten Preis von 286.000 Euro zu kaufen. Dem Eigentümer Schaefer waren diese Umstände dennoch zu unsicher. Für das Kollektiv gibt es einen letzten Strohhalm: Solange der neue Eigentümer noch nicht im Grundbuch eingetragen ist, wäre ein Weiterverkauf relativ unkompliziert möglich. Doch bisher ist der Besitzer gegenüber den Kaufwilligen nicht einmal namentlich in Erscheinung getreten.
Deshalb hat das Kollektiv einen offenen Brief an den Unbekannten geschrieben: "Nachdem unsere bisherigen Kontaktversuche gescheitert sind, versuchen wir es nun öffentlich. Ist Ihnen bewusst, welche Immobilie sie da gekauft haben?" Das Kuß Rosa sei nicht irgendeine Gewerbeimmobilie, sondern ein Kultur- und Begegnungsort, in den viel Schweiß und Herzblut investiert worden sei. Weiter heißt es: "Mal wieder spielen kollektive und gesellschaftliche Interessen keine Rolle, stattdessen setzen sich profitorientierte Einzelinteressen durch."
Den ersten Schock hatten die Mitarbeiter im März zu verdauen. Damals informierten die aktuellen Betreiber der Kneipe ihr Team darüber, dass sie aus persönlichen Gründen nicht mehr weiter machen wollen. Da hatten sie dem Eigentümer Schaefer bereits den Wunsch mitgeteilt, bis zum Jahresende aus dem noch drei Jahre laufenden Mietvertrag auszuscheiden.
"Ich habe deutlich gemacht, dass das für mich nur bei einem Verkauf der Immobilie möglich ist", sagt Schaefer. Andernfalls hätte er darauf bestanden, dass der Mietvertrag erfüllt wird. Schaefer begründet dies mit seiner Distanz zu Bremen. Er wohne dreieinhalb Fahrstunden entfernt, ihn verbinde nichts mehr mit seinem Geburtsort. "Ich wollte nicht noch einmal bei null anfangen und mich mit neuen Mietern arrangieren", betont Schaefer. So lehnte er auch das Angebot des Kollektivs ab, in den bestehenden Mietvertrag einzusteigen.
Auf das Vorhaben des Kollektivs, die Kneipe zu kaufen, reagierte Schaefer positiv. "Das war eine tolle Idee, die ich unterstützen wollte. Deshalb habe ich gefragt, wie viel Zeit sie brauchen, um die Finanzierung zu klären", berichtet er. Nach dem ausgemachten Monat habe er aber keine Rückmeldung erhalten. Dann hätte der Kaufinteressent gedroht, abzuspringen. Deshalb vereinbarte Schaefer für den 24. Juni einen Notartermin und setzte dem Kollektiv somit eine endgültige Deadline.
Laut Schaefer konnte die vom Kollektiv eingeschaltete Bank ihm aber auch drei Tage vor dieser Frist keine endgültige Finanzierungszusage geben. Die Gruppe wiederum beteuert, dass eine schriftliche Bestätigung für die Vergabe der nötigen Kreditsumme sehr wohl vorlag. Lediglich die genauen Modalitäten wie Zinssatz und Tilgungszeitraum seien noch zu klären gewesen. "Ich habe von dem Käufer sogar eine niedrigere Summe akzeptiert, weil ich dem Kollektiv die Finanzierung schlichtweg nicht zugetraut habe", erklärt Schaefer. Seine Entscheidung sei auch deshalb legitim, weil er sich am Willen der aktuellen Betreiber orientiert habe. Diese hätten unter allen Umständen aus dem Mietvertrag ausscheiden wollen.
Kilian Chaunière vom Kollektiv Kuß Rosa lässt diese Entscheidung entsetzt zurück: "Bei Immobilienkäufen sind Finanzierungen mit zehn Prozent Eigenkapital nicht unüblich. Wir hätten über 50 Prozent mitgebracht. Wie kann einem dies zu unsicher sein?" Die in kurzer Zeit gesammelten 150.000 Euro seien ein klares Zeichen dafür, wie viel Unterstützung das Kuß Rosa in Bremen genieße. Dabei handele es sich um Direktkredite von Privatpersonen, die selbst über Zinssatz und Rückzahlungszeitraum bestimmen konnten.