Herr Clark, wie laufen die Proben?
Stephen Clark: Die sind, ehrlich gesagt, ziemlich schwer. Denn „Angels in America“ ist im Vergleich zu Stücken, die doch eher zum Repertoire gehören und regelmäßig aufgeführt werden, ein sehr anspruchsvolles Stück. Dazu kommt, dass während der vergangenen Proben Kollegen krank waren oder wir mit anderen Ausfällen zu tun hatten.
Was meinen Sie mit anspruchsvoll?
Das Stück ist zum einen schwer aufgrund der Töne – da könnte man „Angels in America“ mit der Oper „Lulu“ von Alban Berg vergleichen. Zum anderen besitzt das Stück eine hohe rhythmische Komplexität. Die Mischung aus diesen beiden Schwierigkeiten macht das Stück schon anspruchsvoll. Dazu kommt, dass das Stück auf Englisch ist. Klar können alle im Team Englisch, aber um den Kern der Oper zu transportieren, braucht man ein tiefes Verständnis der Sprache. Für die Zuschauer gibt es natürlich Übertitel.
Im Stück spielen Sie Roy Cohn, der auch eine historische Figur in der jüngeren US-amerikanischen Geschichte ist. Kannten Sie als Amerikaner Cohn vor der Arbeit an dem Stück?
Ich kannte ihn gar nicht. Man lernt zwar etwas über die McCarthy-Zeit und die Kommunistenprozesse, an denen Cohn auch beteiligt war. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass es in meinem Schulunterricht explizit um Cohn ging.
Wie haben Sie sich denn auf die Rolle vorbereitet? Im echten Leben, wie auch im Stück, ist Cohn nicht gerade ein Sympathieträger…
Stimmt, Roy Cohn ist wirklich nicht sympathisch. Das habe ich schon beim Lesen meines Textes gemerkt. Die Worte und Phrasen, die er nutzt, sind sehr eklig. In seiner letzten Szene im Krankenhaus verlangt er zum Beispiel explizit eine weiße Krankenschwester. Über die historische Figur habe ich mich ein wenig eingelesen. Im Stück spricht meine Rolle auch über einen berühmten Fall von Cohn, die Verurteilung von Ethel Rosenberg, zum Tod (Die Kommunistin Ethel Rosenberg wurde wegen angeblicher Spionage für die Sowjetunion zusammen mit ihrem Mann, Julius Rosenberg, angeklagt und verurteilt. Das Ehepaar wurde 1953 hingerichtet, Anm. d. Red.). Aber ich wollte mich auch nicht zu tief in sein Leben einlesen. Vielmehr habe ich mich mit dem eigentlichen Text beschäftigt. Das Stück ist ja immer noch fiktiv, auch wenn es Cohn selbst gegeben hat.
In „Angels in America“ geht es unter anderem um die Immunschwächekrankheit Aids, an der auch Cohn gelitten hat. Wie wird das im Stück angegangen?
Die Oper basiert auf einem sehr langen Theaterstück. Ich würde aber sagen, dass das Stück und auch die Oper an das Thema Aids mit viel Ironie und schwarzem Humor herantritt. Was auch nicht untypisch ist für Kunst, die nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden ist. Durch den Humor finden die an Aids erkrankten Figuren einen Weg, um mit ihrem Schicksal umzugehen.
Was macht die Bremer Inszenierung besonders?
Das Erste, was mir dazu einfällt, ist das Bühnenbild: Man befindet sich während des Stücks in einer europäischen Kirche. Am Tag wird dort der Gottesdienst abgehalten und am Abend wird sie als Kneipe genutzt. Ich habe von Kollegen gehört, dass so etwas im Osten nicht unüblich ist.
Warum sollte man „Angels in America“ in Bremen gesehen haben?
Das Stück bietet, meiner Meinung nach, eine Gelegenheit für einen sehr interessanten Abend. Denn „Angels in America“ ist eine ungewöhnliche Oper, die viel zu bieten hat. Trotz der doch eher harten Themen werden Zuschauerinnen und Zuschauer immer wieder die Gelegenheit zum Lächeln bekommen. Außerdem hatte unsere Regisseurin viele interessante Ideen, was die Inszenierung angeht. Ein Besuch lohnt sich also schon, um zu sehen, was sie mit dem Stück gemacht hat.
Das Gespräch führte Eva Hornauer.