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Bilanz zum Saisonende Boulevardtheater Bremen: Intendant Kay Kruppa über die ersten Jahre

Von Anfangsschwierigkeiten, Schicksalsschlägen und Erfolgsgeschichten: Intendant Kay Kruppa zieht Bilanz über die ersten vier Jahre Boulevardtheater Bremen im Tabakquartier.
05.07.2025, 05:00 Uhr
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Boulevardtheater Bremen: Intendant Kay Kruppa über die ersten Jahre
Von Alexandra Knief

Zur Person

Kay Kruppa (53)

ist seit 2001 Intendant des Weyher Theaters und seit der Eröffnung auch Leiter des Boulevardtheaters Bremen. Kruppa ist auch als Autor, Regisseur und als Schauspieler auf der Bühne aktiv.

Herr Kruppa, das Boulevardtheater Bremen startet bald in seine fünfte Spielzeit. Wie fällt Ihre Bilanz nach den ersten Jahren im neuen Quartier aus?

Kay Kruppa: Insgesamt sehr gut. Der Beginn hier im Haus war wegen Corona und dem Tod von Frank Pinkus natürlich denkbar schrecklich. Für mich ist er wie ein Bruder gewesen. Wir haben 20 Jahre lang gemeinsam mit jeder Faser unseres Körpers Theater gemacht. Das war verdammt hart. Die Monate danach ging es nur darum, damit klarzukommen und den Spielbetrieb überhaupt in Gang zu bringen. Die ersten zwei Jahre dann darum, zu überleben.

Und ab dem dritten Jahr?

Auch da sind die Menschen noch nicht wieder so ins Theater gegangen wie vor Corona. Viele haben es sich zu Hause mit Netflix gemütlich gemacht. Aber die Spielzeit, die jetzt zu Ende geht, ist schon recht gut gelaufen. Wir hatten etwa 30.000 Zuschauer. Besonders erfolgreich war der "Loriot-Abend", aber zum Beispiel auch "Das perfekte Geheimnis". Das ist unter den Umständen schon sehr gut, und ich bin überzeugt, dass die nächste Spielzeit noch besser werden wird. Mein Ziel sind irgendwann über 100.000 Zuschauer, das habe ich beim Universum bestellt. Ich hatte als Intendant anfangs kaum die Möglichkeit, zu analysieren, was gut funktioniert und was nicht, weil es immer um andere Katastrophen ging. Aber jetzt blicke ich optimistisch in die Zukunft.

Und mittlerweile gab es auch Zeit zum Analysieren?

Ja. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass die Stücke, die wir machen, so in keinem anderen Bremer Theater laufen. Eigentlich müssen wir hier gar nichts wesentlich anders machen als das, was wir 20 Jahre lang auch in Weyhe gemacht haben. Immerhin hatten wir dort zwischenzeitlich 90.000 Zuschauer. Ein paar Stücke, wie "Der Vorname" oder "Der erste letzte Tag", würde ich in Weyhe vielleicht nicht machen, weil sie ein bisschen großstädtischer sind. Aber wir gehen weiter in die Richtung Unterhaltungstheater.

In Weyhe haben Sie aber zuletzt Stephen Kings "Misery" gespielt – Thriller statt Komödie.

Das stimmt, das tanzt ein bisschen aus der Reihe. Der Leitspruch von Frank und mir war schon immer, dass das Publikum unsere Häuser glücklicher verlassen soll, als es sie betreten hat. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen gerade jetzt vor allem Lachen und Spaß haben wollen. Denn jedes Mal, wenn man die Nachrichten anguckt, fragt man sich ja, was in dieser bescheuerten Welt los ist. Die Leute wollen über diesen ganzen Mist auch mal eine Weile nicht nachdenken.

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Blickt man auf die vergangenen Spielzeiten, liefen viele Stücke erst in Weyhe und später in Bremen. Andersherum war es bisher seltener.

Wegen Corona und wegen des Abomodells mussten wir viele Stücke, die in Weyhe sehr gut liefen, viel zu früh begraben. Hier in Bremen haben wir uns schon jetzt ein ganz neues Publikum erschlossen, weshalb die Stücke auch hier erfolgreich sein können. "Oma wird verkauft" oder "Bella Italia" sind in beiden Theatern super gelaufen.

Hat sich die Schließung des Packhaustheaters und der Ärger rund um das Theaterschiff auf die Besucherzahlen in Ihren Häusern ausgewirkt?

Nein, davon haben wir nicht profitiert. Aber es haben sich natürlich sehr viele Schauspieler bei uns beworben. Theaterschließungen sind immer schlimm.

Sie haben in der Vergangenheit viele Stücke gemeinsam mit Frank Pinkus geschrieben, in der nun endenden Spielzeit gab es erstmals ein Stück, bei dem Sie der alleinige Autor waren. Fiel es Ihnen schwer, diese Aufgabe alleine anzugehen?

Ja. Die Stimme, die einem im Kopf zuredet, ist ja meist negativ. Diese Stimme leise zu halten, ist schwierig. Ich habe mit Frank in 15 Jahren etwa 30 Stücke geschrieben. Ich habe gute Ideen, was die Dramaturgie angeht, aber vor allem die Dialoge hat fast immer Frank geschrieben. Ich brauche dafür länger als er. Ich bin ein Farceur. Ich liebe Verwechslungskomödien. Darum habe ich mich mit "Kann ich reinkommen?" erst einmal an so einem Stück ausprobiert. Mittlerweile habe ich sechs eigene Stücke. Und ich habe zum Glück auch eine sehr ehrliche und direkte Dramaturgin an meiner Seite, die mich auch auf Schwächen hinweist. Man kann ja auch nur aus seinen Fehlern lernen. Das hört sich zwar blöd an, aber ich musste in dem Bereich jetzt erst mal erwachsen werden.

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Im Interview mit dem "Syker Kurier" haben Sie verraten, dass Sie unter anderem an einem Zwei-Personen-Stück und einer bösen Komödie arbeiten – können Sie schon mehr verraten?

Das Zwei-Personen-Stück habe ich fertig, die böse Komödie liegt noch in der Schublade. Fertig habe ich gerade ein Vier-Personen-Stück – eine Buddy-Komödie, ein bisschen wie "Ein seltsames Paar", über zwei Brüder, die kurzfristig zusammen in einer WG leben müssen. Das Stück heißt "Für immer Single". 2026/27 werden wir es entweder hier oder in Weyhe spielen.

Beim Interview zum Start des Theaters haben wir über Klischees auf der Bühne geredet. Ich habe Sie damals gebeten, sich auf einer Skala einzuordnen: Null bedeutet frei von Klischees, zehn bedeutet: Man darf alles. Damals haben Sie sich bei fünf eingeordnet. Was sagen Sie heute?

Das Wort Klischee ist von sich aus negativ behaftet. Für mich aber eigentlich nicht. Ich glaube, eine Komödie muss ein bisschen überzogen sein, kommt ohne Klischees gar nicht aus. Vielleicht liegen wir bei sieben oder acht, ich weiß es nicht. Gesellschaft verändert sich, Humor verändert sich, und da muss man auch hinhören. Man kann nicht mehr alles machen, was man vor 20 Jahren gemacht hat. Aber die grundsätzlichen Mechanismen einer Farce, die funktionieren heute noch genauso gut, wie sie es immer getan haben. Man darf über alles lachen. Für mich ist es nur nie in Ordnung, wenn man sich über Leute lustig macht. Der Grat ist aber manchmal schmal. Mir ist schon klar, dass ich als alter, weißer, heterosexueller Mann privilegiert bin und in vielen Situationen nicht drinstecke. Ich bin auch immer offen für Kritik, niemand soll sich auf den Fuß getreten fühlen. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.

Das Gespräch führte Alexandra Knief.

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