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Ruud Kuijer im Gerhard-Marcks-Haus Bilden statt abbilden

Mit der Ausstellung "Bildhauerei! Was sonst?", mit Arbeiten des Künstlers Ruud Kuijer rückt das Gerhard-Marcks-Haus die konstruktive Bildhauerei in den Mittelpunkt.
22.07.2021, 17:05 Uhr
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Bilden statt abbilden
Von Alexandra Knief

Eins möchte Arie Hartog, Direktor des Gerhard-Marcks-Hauses, gleich zu Beginn des Ausstellungsrundgangs klarstellen: Dass jetzt, im Jahr des 50. Geburtstages des Museums, gerade ein Künstler aus seiner alten Heimat, den Niederlanden, hier ausstellt, sei reiner Zufall. Dass Ruud Kuijer unter dem Titel "Bildhauerei! Was sonst?" nun in dem Bremer Museum mit einer großen Retrospektive und Arbeiten aus allen Schaffensphasen zu sehen sei, habe vor allem einen Grund: die Reduktion auf das Wesentliche. "Ruud Kuijer zeigt den Kern der Bildhauerei", sagt Hartog.

Es geht um das Objekt selbst, um die Komposition im Raum, um physische Präsenz und Materialität, ganz frei von Erzählungen. Der Besucher solle sich in dieser Ausstellung nicht fragen, was der Künstler dem Betrachter mit seiner Kunst sagen wolle, sondern vielmehr über die Wirkung der Arbeiten und ihre Entstehung nachdenken. Und – soviel sei an dieser Stelle schon verraten – dieser Plan geht auf. 

Die meisten von Kuijers Arbeiten haben keinen Titel, sondern sind lediglich mit einer Nummer versehen, an der man ablesen kann, ob sie eher aus einer frühen oder aktuelleren Schaffensphase stammen. Allerdings verzichtet die Ausstellung auf eine chronologische Anordnung.

Intuitives Arbeiten

18 große Plastiken und 15 kleinere Arbeiten sind im Gerhard-Marcks-Haus zu sehen. Eine Plastik aus Beton war so groß, dass sie draußen im Hof des Museums stehen bleiben musste. Eine weitere, besonders große Arbeit, die "Nr. 173" (2,63 x 5,20 x 2,30 Meter), aus Eisen, Beton und Holz habe gerade so ins Museum gepasst, sagt Hartog erleichtert. Denn dieses Werk habe er unbedingt zeigen wollen.

Es füllt nun den gesamten ersten Raum des Hauses. Wer es sieht, wird wohl erwarten, dass der Arbeit eine lange Planungszeit vorausgegangen ist, zahlreiche Entwürfe und Skizzen. Von wegen. "Ich habe mir die Figur nicht vorher ausgedacht, ich habe sie einfach gemacht", sagt Kuijer selbst. Im Gegensatz zu vielen anderen Bildhauern plane er nicht, er lege einfach los und arbeite intuitiv. Was ihm dabei wichtig ist? Grenzen zu überschreiten und neue Kombinationen zu finden, sodass am Ende etwas entsteht, dass er selbst zuvor so noch nie gesehen hat. Ruud Kuijer will sich mit seinen Arbeiten immer wieder auch selbst überraschen.

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Dass die Ergebnisse dieser Arbeitsweise in sich im Gleichgewicht sind, ästhetisch harmonieren und sich perfekt ergänzen, ist erstaunlich und zugleich beeindruckend. Holz trägt Beton, Beton trägt Eisen. Schwerkraft und Balance spielen dabei oft eine zentrale Rolle, und die einzelnen Komponenten in ihrer mal harten, mal fließenden Formsprache sehen aus, als hätten sie einfach schon immer zusammengehört. 

Alltagsfunde werden Kunst

Viele von Kuijers abstrakten Skulpturen bringen unterschiedliche Materialien zusammen. Andere beschränken sich auf nur einen Stoff und sind dabei häufig eine Mischung aus Guss und Assemblage. So setzen sich zwei seiner größeren Betonarbeiten unter anderen aus Abgüssen von einem Eimer, einem Nachttopf, einem halben Teichbecken oder der Schale eines Mikrowellen-Essens zusammen. Andere, kleinere Skulpturen sind aus den Abgüssen alter Plastikverpackungen – Flaschen, Bechern oder der Verpackung eines Hähnchens – gefertigt, "Low Culture wird zu High Culture", sagt Kuijer selbst. Alltagsfundstücke werden zu Kunst, Vorgefundenes wird durch mal kleine, mal größere Eingriffe zu etwas Skulpturalem. Die Einheit steht am Ende im Mittelpunkt, die einzelnen Elemente und ihre Bedeutung rücken in den Hintergrund. 

Nun kann man natürlich Verweise auf unsere Wegwerfgesellschaft aus Kuijers Kunst lesen oder andere Bezüge herstellen. Man muss es aber nicht. Die Arbeiten stehen für sich, sie brauchen keine Interpretation, um zu funktionieren. Warum muss Kunst immer auf Dinge verweisen? In Kuijers Fall reicht es völlig aus, einfach nur zu bilden, anstatt abzubilden. 

Info

"Ruud Kuijer: Bildhauerei! Was sonst?" ist vom 25. Juli bis zum 24. Oktober im Gerhard-Marcks-Haus zu sehen. Zeitgleich zeigt das Museum weitere Ausstellungen: Im Pavillon ist die Arbeit "zweijahrtausendfern" von Patricia Lambertus zu sehen, im oberen Bereich des Museums die Ausstellung "The Way We Mask" von Ngozi Schommers.  

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