Das Bremer Kriminal-Theater hat am Freitag die Premiere seines neuesten Stückes "Der Fund" gefeiert. Wovon das Bühnenspiel handelt und ob sich der Besuch lohnt.
Worum es geht: 12,75 Kilogramm entscheiden über den Verlauf des restlichen Lebens der 53-jährigen Supermarktverkäuferin Rita Dalek (Andrea zum Felde). Denn genau so viel Kokain findet sie während der Arbeit in einer Bananenkiste. Soll sie die Polizei rufen? Oder den Stoff irgendwie unter Leute bringen, um mit dem Geld ein besseres Leben führen zu können? Vor dieser moralischen Frage steht die Protagonistin dieser Geschichte.
Rita hat in ihrem Leben schon viel durchgemacht. Ihre Eltern kamen bei einem Erdrutsch ums Leben, der gleichzeitig auch ihr ganzes Hab und Gut mit davon riss und damit auch Ritas Traum von einer Schauspielkarriere unter sich begrub. Sie wurde Krankenschwester, heiratete Manfred (Christian Bergmann), bekam einen Sohn. Als auch dieser bei einem Unfall ums Leben kam, begrub Rita den Rest ihrer Hoffnungen. Ihr Mann verfiel dem Alkohol, sie fing an, in einem Supermarkt zu jobben, wo sie seit mittlerweile 18 Jahren arbeitet.
Rita nimmt das Kokain an sich. Und der Zuschauer erfährt direkt zu Beginn, dass jemand sie töten wird. Nur wer? Und was ist in den drei Wochen vom Kokainfund bis zu Ritas Tod geschehen? Es beginnt ein spannendes Verhör, bei dem unter anderem Ritas Jugendfreundin, ihre Schwiegermutter, ihr Chef, ihre Affäre und dessen Ehefrau, ihr Ehemann, ehemalige Kolleginnen, der reiche Ferdinand Bachmair, der in diese Geschichte noch eine wichtige Rolle spielen wird, und sogar ihr Zahnarzt vernommen werden.
Von wem die Geschichte stammt: Das Bremer Kriminal-Theater wagt sich gerne mal an Stoffe, die man vielleicht im ersten Moment nicht auf der Bühne erwarten würde. So zum Beispiel auch 2018, als die Theatermacher die Romanhandlung von Liza Codys "Miss Terry" zur Uraufführung brachten, oder auch bei ihrer letzten Premiere: Karsten Dusses "Achtsam morden".
Auch "Der Fund" basiert auf einer modernen Romanvorlage, nämlich auf dem gleichnamigen Buch von Bernhard Aichner aus dem Jahr 2019. Die beiden Theaterleiter Ralf Knapp und Perdita Krämer haben den Stoff für die Bühne bearbeitet und auch die Regie übernommen. Aichner selbst war bei der Premiere am Freitagabend anwesend. Und weil der österreichische Erfolgsautor schon mal da ist, präsentiert er am Wochenende auch gleich noch seinen neuen Roman "Bildrauschen" bei einer Lesung im Rahmen des Krimi-Festivals "Prime Time - Crime Time" (Sonntag, 22. Oktober, 16 Uhr).
Das Bühnenbild: Nicht nur mit ihren Stoffen, auch mit ihrem Bühnenbild gelingt es dem Kriminal-Theater immer mal wieder, zu überraschen. Spannend war zum Beispiel die Inszenierung von "Zwei Fremde im Zug" vor einigen Jahren, wo das Ensemble in sechs weißen, auf zwei Ebenen gestapelten Würfeln spielte. Und auch "Der Fund" überzeugt mit einem ausgeklügelten Bühnenbild (Knapp, Heiko Windrath), das aus mehreren kleinen Schauplätzen besteht, zwischen denen das Ensemble einfach hin und her wechseln kann.

Der Fund am Bremer Kriminal-Theater.
Ritas Wohnung befindet sich auf einem Podest oben rechts, gleich darunter ist die Wohnung ihrer Freundin und Nachbarin Gerda Danner (Nina Arena). Das Reich des reichen Bachmairs (Alexander Wolff) befindet sich auf der linken Seite, der Bereich dazwischen dient mal als Bar, mal als altes Kinderzimmer, mal als Supermarkt und mal als undefinierter Verhörraum. Der Kommissar, der den Fall Rita Dalek unter die Lupe nimmt, taucht stets nur als Stimme (wie immer Hörspiel-prädestiniert: Ralf Knapp) aus dem Off auf. Auch das ist ein Kniff, den das Theaterteam nicht zum ersten Mal anwendet, und der zuletzt auch bei "Wer war's?" im vergangenen Jahr gut gelang.
Das Ensemble:
Andrea zum Felde spielt Rita Dalek herrlich unaufgeregt und bodenständig. Der Zuschauer ist direkt auf ihrer Seite, fühlt ihren inneren Zwiespalt und kann auch ihre vielleicht falschen Entscheidungen menschlich nachvollziehen. Nina Arena überzeugt als ihre alte, todkranke Nachbarin Gerda Danner, in der Rita eine Vertraute, eine Verbündete hat. Als ihre Tochter und in mehreren weiteren kleinen Rollen ist Janina Zamani zu sehen. Sie zeigt die ganze Bandbreite ihres Schauspiels – von der biertrinkenden Reinigungskraft bis zur betrogenen Ehefrau.
Christian Bergmann mimt einen sehr glaubwürdigen Manfred im schmierigen Morgenmantel, dem man den Zwei-Promille-Dauerzustand in der Tat abnimmt. Auch, wenn er in den Zahnarztkittel schlüpft, macht es Spaß, im zuzusehen. Harun Yildirim passt gut auf die Rolle des charmanten Staatsanwalts Aaron Martinek und dann wäre da schließlich noch Alexander Wolff, dem es problemlos gelingt, zwischen liebenswertem Supermarktleiter und verzogenem Milliardenerbe mit Kindheitstrauma und zu großem Ego hin und her zu wechseln. Insbesondere die zweite Rolle steht ihm gut zu Gesicht.
Das Fazit: eine spannende Geschichte mit Twist, ein schlaues Bühnenbild und ein rundum überzeugendes Ensemble. Im Fall von "Der Fund" hat sich der Mut von Ralf Knapp, Perdita Krämer und ihrem Team, auch vor schwierigen Stoffen nicht zurückzuschrecken, wieder einmal ausgezahlt. Absolute Theaterempfehlung.