Rund 1100 Bronzen. So viele Objekte aus Benin befinden sich heute in deutschen Museen. Auch im Bremer Übersee-Museum gibt es 18 Objekte aus dem ehemaligen Königreich, das im heutigen Nigeria gelegen ist. Deren Herkunft will man nun genauer auf den Grund gehen. Denn: Ein Großteil des Kulturguts aus Benin ist einst als Beutekunst nach Europa und so nach Deutschland gekommen (siehe Kasten).
Sechs Monate Forschung
Das Projekt "Recherche zur Provenienz von 18 Objekten aus Benin", das nun im Übersee-Museum startet, wird laut Museumsdirektorin Wiebke Ahrndt mit knapp 21.000 Euro vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste gefördert und ist auf sechs Monate angelegt. Ziel des Projektes ist es, nachzuforschen, wie genau die Ausstellungsstücke ins Museum gelangt sind, sodass sie gegebenenfalls zurückgegeben werden können, falls Nigeria entsprechende Forderungen stellt.
Konkret geht es um drei Gedenkköpfe, die in der Afrika-Ausstellung zu sehen sind, einen Zeremonialstab, der in der Ausstellung "Spurensuche" gezeigt wird und sieben Fragmente aus dem Schaumagazin "Übermaxx". Außerdem sollen sieben weitere Fragmente erforscht werden, die sich aktuell im Depot des Museums befinden.
Bei einigen Objekten gebe es laut Museum klare Verdachtsmomente, dass es sich um Raubgut aus einer britischen Strafexpedition von 1897 handelt. Aber: "Nicht alle Benin-Objekte, die heute in europäischen Museumssammlungen vertreten sind, müssen aus der Strafexpedition stammen", sagt die Provenienzforscherin Bettina von Briskorn, die bereits in den 1990er-Jahren im Übersee-Museum zu den Objekten recherchierte. "Vereinzelt gelangten möglicherweise bereits vorher Stücke außer Landes, und nach dem Wiederaufleben der Kunst des Bronzegusses in Benin imitierte man auch historische Vorbilder."
Frage nach der Herkunft wichtig
Trotzdem könnte man sich die Frage stellen: Warum die Forschung? Warum gibt man nicht einfach alles zurück - egal, wie es ins Museum gekommen ist? "Weil die Vertreter des Königshofes das gar nicht wollen", sagt Ahrndt. "Für die nigerianische Seite ist es essenziell, ob es sich um Objekte aus der Plünderung handelt oder nicht. Das gilt es festzustellen." Wie man am Ende mit den Objekten umgehe, ob sie in Bremen bleiben oder nicht, werde dann der Dialog zeigen.
Christoph Greim vom Übersee-Museum und die Provenienzforscherin Henrike Schmidt sollen die 18 Objekte in den kommenden Monaten genau erforschen, detailliert nach Hinweisen und Korrespondenzen in den Akten suchen, die Aufschluss über Wege der Kulturgüter ins Museum geben. Auch mit anderen Museen, die Benin-Bronzen besitzen, wolle man in den Austausch treten, in der Hoffnung, neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Das Projekt soll bis zum 15. Mai 2022 dauern. Die Forschungsergebnisse und Objektfotografien sollen der Initiative "Digital Benin" zur Verfügung gestellt und in einer zentralen Datenbank veröffentlicht werden.
Es ist nicht das erste Forschungsprojekt dieser Art, das am Übersee-Museum durchgeführt wird. Unter dem Motto „Koloniale Spuren im Übersee-Museum Bremen. Afrika-Sammlungen als Gegenstand der Provenienzforschung“ startete das Haus unter anderem 2017 ein auf vier Jahre angelegtes Projekt gemeinsam mit der Universität Hamburg, das gerade in der Endphase der Auswertungen steckt. In der Dauerausstellung "Spurensuche" setzt sich das Museum zudem seit 2019 umfangreich und kritisch mit der eigenen Sammlungsgeschichte auseinander.
Was bereits zurückgegeben wurde
Und auch Rückgaben hat es bereits gegeben: 1954 erhielt Tansania einen menschlichen Schädel, 2006 reisten zwei Maori-Köpfe zurück nach Neuseeland. Und im Mai 2017 hat das Museum menschliche Überreste der Völker der Maori und der Moriori in einer feierlichen Zeremonie im Übersee-Museum an den Staat Neuseeland zurückerstattet. Der neuseeländische Botschafter sowie eine fünfköpfige Delegation des Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa aus Wellington waren 2017 extra nach Bremen gereist, um die Überreste der „ancestors“ (Ahnen) entgegen zu nehmen und sicher nach Hause zu geleiten. Denn für die Maori sind die Knochen nicht einfach nur die sterblichen Überreste ihrer Vorfahren. Für sie sind die Gebeine auch nach dem Tod beseelt. Nach Bremen gelangt sind sie im späten 19. Jahrhundert durch eine Forschungsreise von Hugo Schauinsland, den Gründungsdirektor des Museums. Insgesamt gelangten so die menschlichen Überreste von bis zu 44 Moriori und Maori ihren Weg ins Übersee-Museum.
Doch nicht in allen Fällen ist eine Rückgabe der Objekte der richtige Weg, und wenn doch, bleibt die Frage nach dem Wie. Museumsdirektorin Wiebke Ahrndt leitete deshalb ab 2016 eine Arbeitsgruppe des Deutschen Museumsbundes, die einen mehrmals überarbeiteten „Leitfaden zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten“ ausgearbeitet hat. Er soll Museen im ganzen Land bei der Frage helfen, wann Exponate an die Staaten zurückgegeben werden sollen, aus denen sie während der Kolonialzeit in die Ausstellungshäuser gelangt sind. Und außerdem, wie grundsätzlich die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern verbessert werden kann.