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Fehlende Förderung Warum Bremer Clubs ums Überleben kämpfen

Bremer Clubs kämpfen ums Überleben. Fehlende Förderung, steigende Kosten und ein sich änderndes Publikumsverhalten setzen den Betreibern zu. Ohne Unterstützung drohe die Clubszene zu verschwinden, heißt es.
13.05.2025, 05:00 Uhr
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Von Alexandra Knief Lisa Duncan

Sebastian Syeren hatte einen Traum: das Römer im Viertel zu einem beliebten Technoclub zu machen. Doch nach der Neueröffnung des Clubs 2018 war schnell klar: In dieser Nachbarschaft wird da nichts draus. Die Lärmbelastung ist zu groß. Anwohner luden den Betreiber des Clubs in ihr Schlafzimmer ein, damit er selbst hört, wie dort die Bässe wummern, an den Scheibenwischer seines Autos geklemmt fand er einen Zettel mit Worten zur nächtlichen Lärmbelastung, die von einer Drohung nicht mehr weit entfernt waren: "Einen Wiederholungsfall wird es so nicht mehr geben".

Syeren musste die Musik runterdrehen und anfangen, auf Veranstaltungen zu setzen, bei denen keine wummernden Technobeats die Nachbarn wachhalten. Für einen Umbau des Clubs mit entsprechendem Schallschutz fehlt – genauso wie für alles andere – das Geld. Und wenn das Römer langfristig keine Unterstützung bekomme, dann hat Bremen früher oder später noch einen Club weniger.

Das jüngst veröffentlichte Club- und Festival-Monitoring der Livekomm, des Verbands der Musikspielstätten in Deutschland, macht deutlich, dass Syeren mit seinen finanziellen Problemen nicht alleine ist: Mehr als 80 Prozent der 245 Kulturstätten, die bundesweit an der Befragung teilgenommen haben, geben an, dass sie sich vor finanzielle Herausforderungen gestellt sehen – von den Bremer Befragten sind es laut dem Verein Clubverstärker, der die Interessen von Diskotheken, Spielstätten und Festivalveranstaltern vertritt, sogar mehr als 90 Prozent. Über zwei Drittel der Befragten sagten sogar, dass sie in den kommenden zwölf Monaten auf staatliche Fördermittel angewiesen seien, um ihren Betrieb erhalten zu können.

Zahlreiche Gründe für Probleme

Die Gründe für die Probleme der Clubs seien vielfältig, so Iris Hinze vom Clubverstärker. Dazu gehören weniger Kaufkraft und ein verändertes Ausgehverhalten bei den Besuchern; weniger Planungssicherheit, steigende Fixkosten und höhere Künstlergagen bei den Veranstaltern.

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Paula Gaertig und Tim Klausing haben andere Probleme als Sebastian Syeren und das Römer, doch auch sie kämpfen um ihren Club: Allen Schwierigkeiten der Branche zum Trotz haben sie im Januar in der Neustadt den Kellerclub Krise eröffnet. Das Konzept: Raum für verschiedene Veranstaltungen und damit verschiedene Subkulturen bieten. Von Techno über Rap bis Metal.

Ihre bisherige Erfahrung: "Mal läuft es ganz gut, mal kommt keiner", so Klausing. "Aber wir stehen ja auch noch ganz am Anfang, die Leute müssen sich an uns gewöhnen." Corona habe eine Kerbe in der Clubkultur hinterlassen, so Klausing. "Die jüngere Generation hat nicht richtig gelernt, wie man in den Club geht." Clubs seien nicht mehr die sozialen Räume, zu denen man eine enge Verbindung aufbaut, der soziale Raum habe sich ins digitale verlagert. Hinzu komme laut Gaertig, dass die Ansprüche gestiegen seien. Bei all den Bildern von Events, die man in den sozialen Medien sieht, reiche ein normaler Clubbesuch vielen nicht mehr. Gesucht werden Abendgestaltungen mit Eventcharakter. Auch Syeren bestätigt, dass es bei der aktuellen "höher, schneller, weiter"-Kultur schwer ist, mitzuhalten.

Calavera vor dem Aus

Doch während Clubs wie die Krise oder das Römer noch um ihre Zukunft kämpfen, geben andere auf. Das Calavera wird wohl Mitte Juni zum letzten Mal seine Türen öffnen. Im Februar 2022 übernahm Jörg Hiermayr den Kellerclub am Körnerwall mit Sascha Prößler vom ehemaligen Betreiber Oliver Mahrahrens. Die ersten paar Monate nach Corona sei der Zuspruch gut gewesen, "dann wurde es kontinuierlich immer weniger". Inzwischen scheint das Aus unausweichlich – sofern es nicht gelingt, den Club in neue Hände zu übergeben. Interessenten gäbe es, aber die hätten kaum das nötige Kapital.

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Ziehen Musikrichtungen wie Rock und Punk beim jungen Publikum nicht mehr? "An der Musik liegt es nicht, wir spielen auch 80er-Pop oder Depeche Mode. Wir haben an den Preisen geschraubt, eine Happy Hour eingeführt. Das hat aber nicht genug gebracht, um die laufenden Kosten seriös zu decken", sagt Hiermayr. Gründe für das abnehmende Interesse sieht er eher darin, dass die Feierkultur im Umbruch ist: "Sonderveranstaltungen ziehen, Normalbetrieb nicht. Ein Clubsterben gibt es seit den 90ern, Corona hat das nur katalysiert." Eine Eventgastronomie habe er aber nie betreiben wollen, "sondern einen Laden, wo man sich wohlfühlt, und nette Leute treffen kann".

Neue Angebote testen

Syeren probiert mittlerweile neue Angebote aus, um das Geschäft am Laufen zu halten, wie den Coffee-Club, mit Drinks und Musik am Nachmittag. Der 34-Jährige setzt zudem auf private Veranstaltungen. Wer will, kann das Römer für Geburtstage und Co. buchen. Ein Geschäftsmodell, das mittlerweile 90 Prozent der Einnahmen ausmacht und mit dem man besser planen kann, als mit einem Konzert, bei dem man nie weiß, wie viele Leute am Ende kommen. "Dennoch habe ich jetzt keinen Goldesel im Keller", sagt er. Es sei einfach kein Geld da, um zu experimentieren, und wieder mehr auf Konzerte zu setzen.

Hoffen auf dauerhafte Förderung

Klausing und Gaertig würden sich eine dauerhafte Förderung von der Stadt wünschen. Sie wollen nun erst mal für ein Jahr schauen, wie es mit ihrem Club läuft. Ihre Location soll dazu beitragen, dass junge Menschen und auch junge Musiker in Bremen gehalten werden können. "Es gibt viele Kreative hier, die gerne mehr veranstalten oder auftreten würden", sagt Gaertig. "Das bringt aber nichts, wenn es hier keine Clubs gibt." Dem stimmt auch Syeren zu: "Als junger Veranstalter mietet man ja nicht direkt das Pier 2", sagt er. Auftrittsmöglichkeiten für noch unbekanntere Musiker und Musikerinnen gebe es immer weniger. "Viele Bands machen auf ihren Tourneen gar nicht erst in der Stadt Halt, Bremen verliert als Livemusik-Standort an Bedeutung."

Laut dem Verein Clubverstärker eine fatale Entwicklung. Denn Clubs seien wichtige Kulturorte, an denen Diversität und Demokratie gelebt werde. "Musik macht eine Stadt besser. Wir sehen die Stadt in der Pflicht, entsprechende Programme aufzusetzen und sich nicht komplett auf den Bund zu verlassen", so Hinze. Andere Städte wie Hamburg, oder Länder wie die Niederlande, seien schon einige Schritte weiter, wenn es um die Grundsicherung von Clubs geht.

Zwischen Kultur und Wirtschaft

Das Wirtschaftsressort betont zwar, dass in erster Linie das Kulturressort für die Unterstützung der Clubszene zuständig sei, unterstützt laut Sprecher Christoph Sonnenberg aber unter anderem durch das auf ein Jahr angelegte Projekt "into:music", das sich mit den Zukunftsfragen der Club- und Musikkultur befasse und die Szene langfristig stärken will. Außerdem unterstütze man kleinere und mittlere Veranstaltungen mit kulturellem oder kreativwirtschaftlichem Schwerpunkt mit dem Bühnenprogramm der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). Man wisse um die herausfordernde Lage der Clubs und stehe deshalb stets im engen Austausch mit der Szene.

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Die Kulturbehörde wiederum betont, dass Clubs zuallererst selbstständige Wirtschaftseinrichtungen sind, dass die Szene aber dennoch vom Senator für Kultur unterstützt werde und man stets "ein Ohr" für sie habe. Es gebe Projektförderungen und immer wieder werden auch künstlerisch-professionelle Programme unterstützt, die später die Kulturorte und Clubs belebten.

"Trotz vereinzelter Schließungen sehen wir es als positiv an, dass neue und innovative Veranstaltungsorte entstehen, die das Bremer Nachtleben bereichern", so Werner Wick, Sprecher der Kulturbehörde. Just habe der Senator für Kultur mit dem Clubverstärker und dem Wirtschaftsressort das Projekt "Perspektivwechsel" gefördert, das Kultur in Bremer Clubs und im örtlichen Nachtleben stärken soll.

"Wir brauchen Geld"

Für Iris Hinze ist das, was bisher getan wird, nicht genug. Und wenn gefördert wird, fließe das Geld meist in die Bühnenprogramme, nicht aber in die Clubs selbst. Livemusik gebe es aber irgendwann nicht mehr, wenn man nicht anfange, die Clubs als Orte zu schützen. Hinze: "Clubs sind Kulturorte – sie müssen auch entsprechend gefördert werden." Darum fordert der Verein schon lange, dass sich die hiesige Politik ressortübergreifend überlegt, wie man die Szene, die immer ein wenig zwischen den Ressorts Wirtschaft, Bau/Stadtentwicklung und Kultur hängt, besser unterstützen könnte.

Niemand wolle um Subventionen betteln, betont Syeren. Dennoch ist er der Meinung, dass das Geld, das in Bremen zur Verfügung steht, gerechter verteilt werden müsse. "Die Glocke bekommt 40 Millionen Euro für ihren Umbau", sagt Syeren. Natürlich sei auch das Konzerthaus an der Domsheide als Veranstaltungsort wichtig und man wolle niemanden gegeneinander ausspielen, "aber man wünscht sich schon, mehr gesehen zu werden. Wenn die Clubs nur einen Bruchteil dieser Summe bekommen würden, wäre uns schon viel geholfen. Wir brauchen Geld – anders ist es nicht mehr machbar."

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