In diesem Jahr wäre der Bildhauer und Architekt Bernhard Hoetger 150 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass hat die Bremer Produktionsfirma Kinescope einen rund 90-minütigen Film über das Leben Hoetgers geschaffen, der am Montagabend ganz feierlich im Rathaus seine Weltpremiere hatte. Auch Regisseurin Gabriele Rose und viele Darsteller aus dem Film waren unter den Gästen. Aber was für eine Geschichte erzählt der Film überhaupt? Was war Bernhard Hoetger für ein Mensch? Und lohnt es sich, tiefer in sein Leben einzutauchen?
Hoetgers Leben: Bernhard Hoetger wird 1874 als Sohn eines Schneidermeisters in der Nähe von Dortmund geboren. Er macht eine Lehre als Steinmetz und Bildhauer, geht als Geselle auf Wanderschaft und leitet eine Werkstatt für kirchliche Kunst, bevor er 1898 ein Bildhauerei-Studium an der Königlichen Kunstakademie in Düsseldorf beginnt. 1900 geht er nach Paris, schlägt sich so durch, bis er nach und nach mit seiner Kunst erfolgreich wird und erste Ausstellungen hat. 1905 heiratet er die Pianistin Helene Natalie Haken, von allen Lee genannt, mit der er bis zu seinem Tod zusammenbleibt. 1911 wird er vom Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein an die Künstlerkolonie Darmstadt berufen und zum Professor ernannt. Drei Jahre später zieht er nach Worpswede.
1934 tritt Hoetger, damals oft im Ausland, in die Auslandsorganisation der NSDAP und in die Reichskammer der bildenden Künste ein. Dennoch zerstören die Nazis einige seiner öffentlichen Werke und schließen ihn 1938 aus NSDAP und Reichskammer aus. Hoetger siedelt 1948 in die Schweiz über, wo er nur ein Jahr später stirbt.
Hoetgers Kunst: Hoetgers Kunst ist nur schwer greifbar. Im Laufe der Jahrzehnte ändert sich sein Stil immer wieder grundlegend und er beschreitet immer wieder neue Wege. In Paris stehen für ihn anfangs vor allem kleine, recht raue Figuren im Fokus, die echte Menschen von der Straße zeigten – Arbeiter, Bettler – anstatt wie viele andere Künstler Historienszenen abzubilden. Mit der Zeit werden seine Skulpturen größer, die Formen werden einfacher, Einflüsse auch aus anderen Kulturen finden Einzug in seine Arbeiten und Hoetger widmet sich zunehmend der Architektur.
Sein wohl beeindruckendster architektonischer Nachlass ist in Bremen zu finden: Er baut 1926/27 das Paula-Modersohn-Becker-Museum und einige Jahre später das Haus Atlantis in der Böttcherstraße. Auch Worpswede hat er deutlich geprägt: Hoetger kauft den Brunnenhof. Und er ist unter anderem für das "Kaffee Worspwede" mit Gästehaus und Großer Kunstschau verantwortlich. Auch in Darmstadt, Hannover, Bad Harzburg und anderen Städten hat Hoetger seine Spuren hinterlassen.
Der Film: "Bernhard Hoetger – Zwischen den Welten" gelingt es, das Leben und Schaffen von Bernhard Hoetger und somit Kunstgeschichte zum Leben zu erwecken und anschaulich zu vermitteln. Hoetger war ein Künstler, dem trotz seines vielseitigen Schaffens vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit zuteil wurde, was dieser Film nun ändert. Es kommen nicht nur Experten aus Bremer und Pariser Museen, der Paula-Modersohn-Stiftung und den Worpsweder Museen zu Wort, sondern auch Wegbegleiter Hoetgers wie Heinrich Vogeler (Florian Lukas), Paula Modersohn-Becker (Katharina Stark), Hoetgers Frau "Lee" (Esther Maria Pietsch) oder Ludwig Roselius (Ulrich Gebauer), die von Schauspielern verkörpert werden und deren Schilderungen auf Originalzitaten beruhen. Den Rahmen des Filmes bilden nachgestellte Gespräche zwischen einem Mann, der eine Ausstellung anlässlich Hoetgers 90. Geburtstages 1964 in der Böttcherstraße plant, und Olga Bontjes van Beek, einer Fischerhuder Künstlerin, die viel Zeit mit Hoetger verbrachte, ihm freundschaftlich verbunden war und ihm auch mehrmals Modell stand.
Durch diesen abwechslungsreichen Aufbau gelingt es dem Film von Regisseurin und Drehbuchautorin Gabriele Rose ganz wunderbar, fiktionale Elemente mit dokumentarischen zu verbinden. Noch beeindruckender wird dies durch Archivmaterial, wie alte Foto- und Videoaufnahmen und in Szene gesetzte Bilder von Hoetgers Kunst. Die Bremer Produktionsfirma Kinescope geht hierbei ähnlich vor wie bereits 2022 bei einem Film über das Leben von Hoetgers Wegbegleiter Heinrich Vogeler und schafft es, Kunstgeschichte damit kurzweilig und greifbar auf die Kinoleinwand zu bringen.