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Haushalt 2022/23 Museumsdirektoren skeptisch gegenüber freiem Eintritt

400.000 Euro. So viel Geld will das Bremer Regierungsbündnis zur Verfügung stellen, um einen eintrittsfreien Tag in die Bremer Museen zu ermöglichen. Doch die Direktoren der Häuser sind wenig erfreut.
22.11.2021, 05:00 Uhr
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Museumsdirektoren skeptisch gegenüber freiem Eintritt
Von Alexandra Knief

Kunst gucken und das völlig kostenlos. Was in anderen Ländern weit verbreitet ist, ist in Deutschland bisher eher Ausnahme als Regel. Nur wenige der größeren Museen verlangen gar keinen Eintritt von ihren Besuchern, einige bieten zumindest einen freien Tag im Monat an. In Hamburg kommen zum Beispiel alle Besucher am 31. Oktober kostenfrei in die Museen, Ausstellungshäuser und Gedenkstätten der Stadt. In Berlin öffnen viele Einrichtungen jeweils am ersten Sonntag im Monat ihre Türen, ohne Eintritt zu verlangen. Auch das Berliner Humboldt-Forum ermöglichte seinen Besuchern an den ersten 100 Tagen nach der Eröffnung freien Eintritt.

400.000 Euro sollen zur Verfügung stehen

Das Bremer Regierungsbündnis plant in seinem kürzlich vorgelegten Haushaltsentwurf für 2022/23, die Bremer Museen einmal in der Woche gratis zu öffnen (wir berichteten). Kostenpunkt: 400.000 Euro, die aus dem Bremen Fonds bezahlt werden sollen. Die Idee dazu kommt von den Linken. „Wir  brauchen einen Neustart für die Kultur“, sagt Miriam Strunge, Sprecherin für Kultur der Fraktion. „Durch die Pandemie verlorenes Publikum muss wieder für den Besuch zurückgewonnen werden.“ Genauso wichtig sei es aber auch, die Menschen anzusprechen, die bisher nicht zu den Besuchern und Besucherinnen der Bremer Museen gehören. „Als wesentliches Mittel hierzu sehen wir die Abschaffung von Eintrittspreisen an ausgewählten Tagen.“

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Bisher bieten das Gerhard-Marcks-Haus (jeden ersten Donnerstag im Monat) und das Focke-Museum (dienstags ab 19 Uhr) regelmäßig freien Eintritt für alle an. Durch die Unterstützung der Sparkasse Bremen zahlen zudem Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren in fast allen Häusern nichts. In einigen Einrichtungen gibt es freien Zugang für Studierende oder Arbeitssuchende.

"Keine gute Idee"

Die 400.000 Euro müssen eigentlich nur noch in der Bürgerschaft im Rahmen der Haushaltsverabschiedung im Dezember durchgewunken werden. Die Bremer Museumsdirektoren sind allerdings nicht begeistert von dem Plan. "Keine gute Idee", sagt Arie Hartog vom Gerhard-Marcks-Haus. "Wir wissen aus Untersuchungen und Erfahrung, dass dann die Gruppe von Besuchern, die sonst zahlen würde, ins Museum kommt. Die Personen, die den Weg ins Museum noch nicht gefunden haben, werden nicht kommen, und an den anderen Tagen bleiben die Museen leer." Ähnliches bestätigt eine Untersuchung des Instituts für Museumsforschung, die auch auf Erfahrungen mit freiem Eintritt in anderen Ländern blickt (siehe unten). "Wir haben unsere fundierte Meinung zu den Plänen gegeben und die wurde ignoriert", sagt Hartog. In seinen Augen sollte man das Geld lieber für pädagogische Angebote ausgeben, die Menschen gezielt an Kultur teilhaben lassen.

Auch Strunge betont zwar, dass es zusätzlich zum freien Eintritt eine besondere Ansprache und Kulturvermittlungsangebote für neue Nutzer und Nutzerinnen geben müsse. Bei vielen Direktoren bleiben jedoch die Bedenken. Sie würden grundsätzlich viel stärker auf die Vermittlung als auf den Eintritt setzen wollen.

Offene Fragen

"Neue Zielgruppen werden meiner Meinung nach nicht über den Eintritt, sondern über das Angebot und eine gezielte Ansprache motiviert“, sagt Frank Schmidt von den Museen Böttcherstraße. Auch er betont, dass die Museen im Vorfeld "ihre Bedenken und Fragen formuliert" hätten. "Meines Erachtens müssten solche Maßnahmen durch museumspädagogische Angebote und Werbemaßnahmen flankiert werden, die für die Museen einen hohen personellen und finanziellen Aufwand bedeuten würden", sagt Schmidt. "Eine weitere Frage ist, ob der freie Eintritt nur für Bremer gelten soll oder auch für kulturaffine Touristen, die bisher Museen trotz Eintritt besucht haben."

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Die Weserburg wurde nach Angaben von Direktorin Janneke de Vries gar nicht in die Planungen einbezogen. "Was mich erstaunt, da wir bis Anfang dieses Jahres eine kaufmännische Geschäftsleitung hatten, die sich intensiv mit genau diesem Thema auseinandergesetzt hat – praktisch wie wissenschaftlich", so de Vries. So testete die Weserburg in der Vergangenheit auch das Preismodell "Pay As You Stay" bei dem sich der Eintrittspreis an der Zeit orientiert, die Gäste im Museum verbringen. De Vries: "Die Testphasen wurden umfangreich ausgewertet, und das Ergebnis war sehr positiv. Diese Kompetenz wurde aber nicht angefragt." Sie halte den Vorschlag für einen kostenfreien Tag in der Woche für "etwas aktionistisch" und fände es sinnvoller, den Museen das Geld für gezielte Projekte zur Verfügung zu stellen. "Diese Angebote könnten dann kostenfrei sein", so de Vries' Vorschlag.

Gezielte Vermittlungsprojekte

Ähnlich sieht es auch Anna Greve vom Focke-Museum. "Es liegen umfangreiche Studien vor, dass freier Eintritt kein geeignetes Mittel ist, um neue Zielgruppen ins Museum zu bringen", sagt sie. Sie hätte sich lieber eine Investition in sogenannte Outreach-Programme gewünscht, also in gezielte Vermittlungsprojekte für museumsferne Zielgruppen innerhalb der Stadtteile. "So könnten tatsächlich neue Zielgruppen erreicht und zudem neue Arbeitsplätze im Kulturbereich geschaffen werden."  

„Die Kunsthalle Bremen begrüßt es, wenn durch den Abbau von Barrieren, zu denen auch der Eintritt gehören kann, mehr Menschen der Zugang zur Kultur erleichtert wird", sagt Christoph Grunenberg. Doch auch er verweist auf die vielen Studien, die zeigen, dass freier Eintritt nicht dazu führt, dass neue Besuchergruppen erschlossen werden. "Aus diesem Grund stehen wir einem reinen freien Eintrittstag kritisch gegenüber." Julia Bulk vom Wilhelm-Wagenfeld-Haus stimmt ihm zu. Natürlich findet auch sie gut, dass zusätzliches Geld in die Kultur fließen soll. "Ein „freier Tag“ wäre aber nicht die erste Idee, die ich hätte, um das Geld sinnvoll zu nutzen", sagt sie.

Keine pauschale Erstattung

Die Unterstützung als solche begrüßt auch Gabriele Müller, Geschäftsführerin des Übersee-Museums. Aber auch sie denkt nicht, dass freier Eintritt allein dazu beitragen wird, neue Zielgruppen zu erschließen. "Für uns ist es außerdem wichtig, dass wir die Möglichkeit erhalten, entgangene Eintrittserlöse sowie gegebenenfalls anfallende Mehrkosten spitz abrechnen zu können. Eine pauschale Erstattung ist für uns keine Option." Sollte es zu dem freien Tag kommen, wäre sie dafür, dass sich alle Bremer Museen auf einen Wochentag einigen.

Zur Sache

So wird es anderswo gehandhabt

England

Im British Museum, der National Gallery und der Tate Gallery in London muss man bereits seit den 1980er-Jahren keinen Eintritt zahlen. Seit 2001 werden eine Vielzahl weiterer Häuser staatlich finanziert. Ein Blick auf die Statistiken zeigt, dass diese Häuser ihre Besucherzahlen seitdem deutlich steigern konnten. In den ersten sieben Monaten um 67 Prozent, laut dem Department für Culture, Media and Sport. In einem Zeitraum von zehn Jahren wurde sogar ein Zuwachs von 150 Prozent verzeichnet. Ob dies alleine durch den freien Eintritt beeinflusst wurde, lässt sich allerdings nicht sagen. Und: In Befragungen 2002 gaben nur etwa 15 Prozent der Besucher an, wegen des freien Eintritts gekommen zu sein. Auch bei der Zusammensetzung der Besucherstruktur zeigten bisherige Studien, dass der freie Eintritt nur sehr bedingt zu mehr Diversität im Museum geführt hat. Es kommen vor allem die gleichen Menschen, die schon immer gekommen sind – nur eben häufiger.

USA

Auch in den Vereinigten Staaten gibt es zahlreiche Museen, die von ihren Besuchern keinen Eintritt verlangen. Die Datenlage und Analyse der Auswirkungen von freiem Eintritt in Museen ist in den USA nicht ganz so umfassend wie in Großbritannien, vor allem, weil ein großer Teil privat finanziert wird und somit kein staatliches Interesse daran besteht, Besucherzahlen zu erheben. Kleinere, punktuelle Erhebungen zeigen jedoch, dass auch hier zwar mehr Besucher ins Museum kamen, als der Eintritt wegfiel. Die Steigerungen waren aber nicht langfristig. Außerdem haben einige Untersuchungen gezeigt, dass sich das durchschnittliche Einkommen der Besucher, die nur kostenpflichte Kulturangebote nutzen, kaum von dem Einkommen derer unterscheidet, die die kostenfreien Angebote wahrnehmen. In einer Liste, mit der 15 Zugangsbarrieren zu Kulturangeboten abgefragt wurden, (unter anderem: Erreichbarkeit, Sicherheitsbedenken, Versorgung der Kinder) landeten die Kosten auf dem vorletzten Platz. Viel wichtiger schien ein anderer Faktor: Zeitmangel.

Frankreich

In Frankreich führten die städtischen Pariser Museen 2001 freien Eintritt zu ihren ständigen Sammlungen ein, 2008 kamen zehn weitere nationale Museen und Denkmäler hinzu. Das Ergebnis einer großen Besucherbefragung zur Einführung des freien Eintritts: durchschnittlich 50 Prozent mehr Besucher. In einigen Häusern waren es lediglich 20 Prozent, in anderen dafür 138. In vielen Museen waren hohe Anstiege aber eher kurz- als langfristig zu verzeichnen. Was vielversprechend klingt: Auch viele Erstbesucher waren unter den Befragten (rund 60 Prozent). Doch auch hier zeigte sich: eine breitere soziale Zusammensetzung des Publikums gelang nur bedingt.

Schweden

In Schweden gab es in der Vergangenheit ein Hin und Her, was freien Eintritt anging: 2004 wurden 19 von 25 staatlichen Museen kostenfrei, 2007 wurde dies wieder zurückgenommen und 2016 in zwölf nationalen Museen wieder eingeführt. Die Erkenntnisse daraus: Mehr Besucher nach Wegfall des Eintritts, nur noch halb so viele nach Wiedereinführung, wieder weitaus mehr Gäste nach erneuter Streichung des Eintrittsgeldes. Doch schon in der ersten Phase des kostenlosen Zugangs zeigte sich: In den Museen waren weitaus mehr einkommensstarke, aus höheren sozioökonomischen Schichten stammende Besucher vertreten als im schwedischen Durchschnitt. Das Publikum, das man eigentlich mit dem kostenfreien Angebot ansprechen wollte – Männer, Menschen mit geringer Bildung, junge Besucher – war kaum vertreten. Die Wiedereinführung des Eintritts verstärkte dieses Bild noch einmal.

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