"Die Zeit bei den Jungen Akteuren hat mein analytisches Denken trainiert", sagt die 28-jährige Yesim Nela Keim Schaub, die gerade ihr Regie-Studium in Hamburg beendet. "Man muss nicht unbedingt Schauspieler werden wollen, um hier zu profitieren", findet die drei Jahre jüngere Theresa Kleiner, die in Leipzig Theaterwissenschaften studiert, und fügt hinzu: "Man entwickelt vor allem Freude am Miteinander und daran, seine Meinung zu vertreten." Und der 16-jährige Tarek Aldebes, der aktuell zum ersten Mal in der Produktion "Hamlet" auf der Bühne steht, betont: „Mir gefällt, dass die Leute, die mitmachen, so divers sind und dass darauf geachtet wird, dass wir uns alle verstehen.“
20 Jahre gibt es die Jungen Akteure des Theaters Bremen, vom 29. April bis 3. Mai wird der runde Geburtstag gefeiert. Wer hier mitwirkt, kann die sprichwörtliche Erfahrung fürs Leben machen. Um die 2000 Schülerinnen und Schüler aus Bremen haben das Angebot bisher genutzt und Theaterluft geschnuppert. In mehr als 100 Theaterwerkstätten, wie die Theaterjugendclubs hier heißen, in 45 ausgewachsenen Theaterproduktionen, zwei bis drei pro Saison, in 20 "Moksboxen" – Intensivkursen – und zahlreichen Ferienprojekten.
Austausch von Laien und Profis
2005 wurden die Jungen Akteure vom Moks, der Kinder- und Jugendtheatersparte gegründet, die sich damals theaterpädagogisch neu ausrichtete. Die ersten Jahre wurde im Theaterkontor in der Schildstraße geprobt, 2012 zog man in den Brauhauskeller. Die räumliche Anbindung ans Moks verstärkte den Austausch von Laien und Profis verschiedener Sparten. "Wo geht’s hier nach morgen?": Die Aufbruchsstimmung im Titel der allerersten Inszenierung wurde über 20 Jahre zum Programm. Nie ging es darum, Texte auswendig zu lernen, die Jugendlichen sollten sich selbst und die Gesellschaft befragen, ihre Sorgen und Erwartungen artikulieren. Stücktitel wie "Verschwende deine Jugend", "Süß, wild, gefährlich und stolz", "Junge, Junge" oder "Ich, Peer Gynt" stehen dafür.
"Hier finden sich oft die Outsider der Schulen, Teenies, die sich keinem Trend unterwerfen", so hat es Yesim Nela Keim Schaub erlebt. "Diese Coolness wirkt erst mal einschüchternd, aber man wird wahrgenommen." Durch die gemeinsame Arbeit entstehe auch ein gewisser Druck, sich beweisen zu wollen. "Die unterschiedlichen Begabungen und Qualitäten werden entdeckt. Man erhält eine Ahnung, wohin man sich entwickeln kann."
Sie selbst habe mit 13 Jahren in den Werkstätten angefangen – "das Schauspieltraining fordert einen genug" – und mit 18 Jahren in dem Stück "Rich Kids" mitgespielt, in dem es um die Wohlstandsverwahrlosung von Kindern aus reichen Häusern ging. Die Erfahrung, wie professionelles Theater funktioniert, habe sie sehr beeindruckt. Schon zweimal ist sie inzwischen als Regisseurin nach Bremen zurückgekehrt, zuletzt mit der Produktion "Soft Rebellion".
Ähnlich ging es auch Theresa Kleiner, die 2009 an ihrer ersten Werkstatt teilnahm und 2012 erstmals für eine große Produktion ausgewählt wurde, für die Dramatisierung des Kinderbuchs "Warum das Kind in der Polenta kocht." In der Geschichte über eine aus Rumänien geflüchtete Artistenfamilie mit einem übergriffigen Vater, einer Mutter in der Zirkuskuppel und zwei Töchtern in ständiger Angst vor einem Absturz in jeder Hinsicht, führte Kleiner als Ich-Erzählerin durch die Handlung.
Fotoshooting vorab
"Dieser erste Kontakt mit professionellem Theater war eine sehr aufregende Zeit für mich", erinnert sie sich. Ein Fotoshooting vorab, ein festgelegter Text, eigens angefertigte Kostüme, eine speziell komponierte Musik, ein Bühnenbild. "Im Ensemble waren wir plötzlich auch verschiedene Altersgruppen, sogar 18-Jährige, die schon groß feiern gingen." Ebenfalls neu: "Man probt auch an den Wochenenden oder in den Ferien, wenn es in die heiße Phase geht. Da habe ich meine anderen Hobbys nach und nach verabschiedet."
Ihr habe die Freude am Spiel geholfen, kreativ zu werden und in der Gruppe zu harmonieren, so Kleiner. Bis 2017, bis zur Produktion "Verlorene Jugend", war sie dabei. Aktuell ist die Theaterwissenschaftlerin als Regieassistentin und Autorin aktiv, zu den Jungen Akteuren kehrte sie schon zweimal als Autorin zurück, jüngst für das Stück "Einsamkeiten", in dem es um viele Formen des Alleinseins geht. Aber: "Auf der Bühne zu stehen, das fehlt mir immer noch."
Tarek Aldebes, Schauspieler im aktuellen "Hamlet", teilt diese Begeisterung. "Ich habe hier viel über meine Stärken und Schwächen erfahren und gelernt, mich anderen zu öffnen und Vertrauen aufzubauen." Auch wenn er beruflich eher in den medizinischen Bereich strebe, könne er sich vorstellen, dass das Theater auch weiterhin eine Rolle für ihn spielt.
Die Jungen Akteure schweißen zusammen, wie Yesim Nela Keim Schaub feststellt: "Meine vier Mitspielerinnen von damals haben alle kreative Berufe gewählt. Und wir stehen bis heute in Kontakt." Theresa Kleiner sieht die Jungen Akteure auch als Talentschmiede: "Es gibt hier extreme Schauspielbegabungen. Man sollte nicht unterschätzen, wie professionell Laien agieren und wie pur dadurch Gefühle sein können. Es muss nicht autobiografisch sein, aber viele junge Menschen haben einen schnelleren Zugang zu Emotionen – hier ist Theater sehr nahbar."