Schon beim Einlass in den Theatersaal des Brauhauses stehen die Schauspielerinnen und Schauspieler auf der ebenerdigen Bühne. Das Bühnenbild besteht aus einem geschwungenen grauen Teppich, der zum Teil auch die Wände emporklettert. Verteilt auf diesem Teppich stehen und hängen rosafarbene Schreibtischlampen, in der Mitte eine Stehlampe, am Rand der Bühne die Requisiten: Am Sonnabend feierte "Der rote Baum" am Kinder- und Jugendtheater Moks im Brauhaus Premiere.
Kinderbuch als Vorlage
Gleich zu Beginn stellen die drei Schauspieler, Barbara Krebs, Frederik Gora und Fabian Eyer den Inhalt des Bilderbuchs von Shaun Tan vor, das die Grundlage des gleichnamigen Stücks im Theater Bremen bildet: Die Protagonistin wacht auf und ist traurig. Diese Trauer will auch über den ganzen Tag nicht weichen. Als sie abends in ihr Zimmer kommt, steht dort ein Baum mit roten Blättern, der die Hoffnung auf Besserung symbolisiert.
Für das Theaterstück unter der Regie von Hannah Biedermann ist das Buch aber nur eine primäre Grundlage. Das Stück ist hauptsächlich durch Improvisationsarbeiten des Ensembles entstanden, die auf den einzelnen Buchszenen fußen. Es beleuchtet die gleiche emotionale Welt, wie das Buch, erzählt aber keine durchgehende Geschichte.
Trotzdem ist die Buchvorlage im Stück klar zu erkennen – und zwar an den verwendeten Motiven, die geschickt durch die Requisiten eingebunden werden. So findet sich neben den Blättern und dem roten Baum selbst zum Beispiel auch die Taucherglocke wieder. Im Buch trägt die Protagonistin eine Taucherglocke, während sie an einem verregneten Strand in einer Flasche sitzt. Diese Szene beschreibt das Gefühl von Isolation, von Alleinsein, das das Mädchen in ihrer Trauer überfällt.
Die Kostüme passen farblich perfekt zum Bühnenbild und den Requisiten, derer sich die drei Schauspieler im Laufe des Stückes zuhauf bedienen: zartes Rosé, kräftiges Lila, Braun- und Beigetöne bestimmen das Farbschema. Die Schnitte der Kostüme wirken so, als stammten sie selbst aus Kinderfantasien: Gora trägt eine aufgeplusterte rosa Rüschenhose, Eyer eine Art Sweatkleid und Krebs ein Sweatshirt mit lila Fransen an den Armen und Hose. Bühnenbild und Kostüm stammen von Mischa Mihoa Bischoff.
Albern, schön-schräg und tröstend
Wie die Kleidung der Schauspielender ist auch das Stück eine Mischung aus ulkig, tröstend und irgendwie schön-schräg. Untermalt wird das durch die Soundeffekte, die Sebastian Schlemminger beiträgt. So hörte man immer wieder Kinderstimmen, die erzählten, was Trauer für sie bedeutet – oder vielmehr, wann und warum sie traurig sind, und was sie dagegen tun. "Ein schlechter Tag ist, wenn ich gemobbt wurde und niemand mit mir spielen will", klingt etwa die Stimme eines kleinen Jungen durch den Theatersaal. Das "erste deutsche Kopfkino" – eingeleitet durch den wohlbekannten Glockenschlag der "Tagesschau" – vermeldet einen Zusammenschnitt an Schreckensnachrichten. Wecker klingeln. Aber auch Krebs, Gora und Eyer tragen durch Gesang und Gitarrenspiel auf der Bühne zur musikalischen Begleitung an diesem Abend bei.
Dem Moks ist es mit "Der rote Baum" gelungen, ein eher stiefmütterlich behandeltes Thema wie Trauer und Depression kindgerecht zu thematisieren, ohne dabei in Traurigkeit zu versinken. Bühnenbild, Musik, Regie und Ensemble schaffen innerhalb einer guten Stunde einen sicheren Raum, in dem diese Gefühle zwar ernstgenommen werden, aber trotzdem genug Platz für Albernheiten bleibt, die durchaus zum Kichern und Lachen einladen. Die zentrale Botschaft: An manchen Tagen sind auch Kinder einfach traurig. Die Hoffnung darauf, dass die Trauer ein Ende hat, symbolisiert der rote Baum, mit dessen Erscheinen sowohl Buch als auch Theaterstück enden.