Mit Mittelmäßigkeiten haben sich das Landesjugendorchester Bremen und sein künstlerischer Leiter und Dirigent Stefan Geiger wohl noch nie zufriedengegeben. Und doch übertraf das Ergebnis ihres diesjährigen Osterprojekts beim Abschlusskonzert in der Glocke locker selbst hohe Erwartungen. Und dies sowohl bezüglich der ambitiösen Programmauswahl als auch im Hinblick auf die Qualität der Ausführung. Das zeigte sich schon bei Antonín Dvo?áks Sinfonischer Dichtung „Die Waldtaube“. Ein eher harmlos anmutender Titel. Und die leisen, sehr verhaltenen Anfangstakte, mit denen das Orchester eine beeindruckend düstere Waldatmosphäre generierte, schienen dies zu bestätigen. Doch dahinter verbirgt sich die dramatische Geschichte einer giftmordenden Gattin, die sich, von ihrer Gewissenspein geplagt, suizidal ins Wasser stürzt. Sorgfältig inszenierte Spannungsbögen, dazu ausgeprägte dynamische Kontraste sorgten für eine nachvollziehbar plastische Ausgestaltung. Jede Einzelheit war offensichtlich penibel geprobt worden von den allesamt noch jungen Interpreten, die zu jedem Zeitpunkt hoch konzentriert und engagiert agierten.
Mit Herzblut und Einfühlsamkeit
Bei Gustav Mahlers „Lieder eines fahrenden Gesellen“ war orchestral zwar „nur“ Begleitung angesagt. Doch auch dies bedeutete kein gemütliches Zurücklehnen, zumal dieser Liederzyklus ebenfalls heftige Gegensätzlichkeiten beinhaltet. Als „fahrende Gesellin“ quasi in einer Art Hosenrolle stand mit Anna-Maria Torkel eine exzellente Interpretin zur Verfügung. Die Mezzosopranistin imponierte mit einem in allen Lagen kraftvollen Stimmvolumen, das sie indes äußerst nuanciert einzusetzen wusste. Eben noch hatte sie, frühlingsgestimmt in höchsten Tönen jubilierend, die schöne Welt besungen („Ging heut‘ morgen übers Feld“), um kurz darauf in Gram und Melancholie zu verfallen. Dann, vom turbulent aufspielenden Orchester befeuert, mit überbordendem Impetus angegangene wilde Dramatik: „Ich hab‘ ein glühend Messer in meiner Brust“. Und schließlich, unter dem Lindenbaum, Verzweiflung, Weltschmerz, höchste Seelenqualen, mit Herzblut und größtmöglicher Einfühlsamkeit ergreifend schön gesungen. Kein „Alles wieder gut“. Sondern nur noch „Lieb und Leid, Welt und Traum“. Dazu ein verhallendes Orchester-Pianissimo. Eine starke Thematik, in bestem solistisch-orchestralem Einvernehmen phänomenal dargeboten.
Mit der Sinfonie Nr.4 op. 98 von Johannes Brahms stand ein mindestens ebenso anspruchsvolles, dabei noch wesentlich umfangreicheres Werk auf dem Programm. Auch hier überzeugte das Ensemble mit virtuoser Ausführung und bester Interaktion sämtlicher Instrumentengruppen. Mit motivierendem Dirigat forderte Geiger stets vollen Einsatz – ohne Zugeständnisse hinsichtlich der gewählten Tempi, aber auch ohne übermäßiges Antreiben. Sondern immer auf größtmögliche Transparenz, perfekte Intonation und optimalen Gesamtklang setzend. Und das gelang ausgezeichnet bis hin zum großen Finalsatz, der, wie die vorangehenden Sätze, lieblichen Schönklang, geradezu soghafte Spannungssteigerungen und berauschende Klangwallungen zu einem grandiosen Ganzen zusammenfügte. Eine rundum begeisternde Leistung, die mit frenetischem Applaus belohnt wurde.