Die Bremer Philharmoniker haben ihren Konzerten Mottos vorangestellt, die manchmal aber etwas willkürlich gewählt wirken. Dieses Mal allerdings ging es um „Mut“, und den konnte man dem Ensemble um seinen Generalmusikdirektor Marko Letonja auf jeden Fall bescheinigen.
Denn zwischen ein Werk von Jean Sibelius und eins von Richard Strauss hatte Letonja die „Émilie-Suite für Sopran und Orchester“ der finnischen Komponistin Kaija Saariaho (1952-2013) geschoben. Dieses 2011 uraufgeführte Werk ist in seinem avantgardistischen Ansatz weit entfernt von den beiden spätromantisch-modernen Ohrenschmäusen. Saariaho setzt beispielsweise auf lang gehaltene Bass-Sequenzen und verwendet Intervalle, die kleiner sind als Halbtöne. Statt strukturierter Tonfolgen gibt es atmosphärisch flächige Klangfarbenfetzen.
Letonja ließ das Publikum mit dieser schwer zugänglichen Form von Programmmusik nicht allein: Er gab zunächst eine launige Einführung in das Werk, das die letzten Tage der hochgebildeten Marquise Émilie du Chatelet (1706-1749) nachzeichnet und ihre Zerrissenheit zwischen Liebe, Wissenschaft und Todesahnung. „Vertonte Krämpfe“, so Letonja, der hochschwangeren Émilie, gab es zu hören in einer Cembalo-Passage: Barock verwirrt. Auch auf die Zuordnung von Farben zu Instrumentengruppen wies der Dirigent hin: blau für die Streicher, rot für die Blechbläser. So präpariert, konnte das Publikum sich mit den konzentriert musizierenden Philharmonikern auf eine Klangreise begeben. Solistin Karen Vourc’h brillierte mit ihrem kräftigen, in den Höhen glasklaren Sopran als Marquise.
Überhaupt zeigte das achte Philharmonische Konzert, welch wunderbar aufeinander abgestimmte Einheit Letonja und das Orchester inzwischen bilden. Gleich beim Auftakt mit der symphonischen Dichtung „Rakastava (Der Liebende“) von Jean Sibelius loteten Streicher und Perkussion-Abteilung alle Facetten ruhig und stringent aus. Sehr zügig der Auftakt, die Geigen verwechselten Sehnsucht nicht mit Sentimentalität; der zweite Satz dann zunächst munter mit feinen Pizzicato-Klängen, später so leicht wie die Liebe auf Wolke sieben. Ein schön abgestimmter Dialog zwischen Solo-Violine (Anette Behr-König) und Solo-Cello (Antonia Krebber) bestimmte den abschließenden Teil genauso wie deutlich ausgespielte Legato-Passagen.
Ein Muster an Kompaktheit bot "Ein Heldenleben" von Richard Strauss. Bei der selbstbewusst autobiografisch gedachten Tondichtung betonte Letonja die humorvollen Elemente, wie die regelmäßigen Einwürfe der "Kritiker" – Holz- und (tiefe) Blechbläser mit Genörgel gegen das vor allem in den Hörnern angesiedelte Helden-Thema. Herausragend auch hier Anette Behr-König als "Gefährtin", mit ihrer Geige mal süß, mal aufbrausend, immer über den Dingen stehend. Ein wunderbar breites Tutti zum Schluss beendete ein Konzert mit bleibenden Eindrücken.