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"Remix" in der Kunsthalle Eine gute Mischung

Alter Name, neue Bilder: Die Kunsthalle präsentiert mit "Remix" zeitgenössische Werke ihrer Sammlung. Dabei sind sowohl zufällige als auch strategische Erwerbungen. In fünf Räumen erzählen sie ihre Geschichten.
25.02.2022, 17:55 Uhr
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Eine gute Mischung
Von Simon Wilke

Fast zwei Jahre lang präsentierte die Kunsthalle ihre Sammlung in der Dauerausstellung "Remix 2020", jetzt wurde sie umgestaltet. Sozusagen, selbst einem Remix unterzogen und neu angemischt. Von diesem Sonnabend bis zum 13. November werden hier in fünf Räumen zeitgenössische Werke ausgestellt. Und zwar: "Eine breite Auswahl von zum Teil zufälligen, zum Teil strategischen Erwerbungen", so Direktor Christoph Grunenberg. Als Museum wolle man in der Gegenwart verwurzelt sein und aktuelle Fragen stellen, sagt er.

Und man kann sagen: Die Bearbeitung hat sich gelohnt. Jeder Raum erzählt seine eigene Geschichte. Da werden Konventionen hinterfragt und Überraschungsmomente erzeugt; es wird mit Techniken gespielt und an Gefühle appelliert. Ein Rundgang:

Raum eins: Alternativen zur Malerei

Nein, hier geht es nicht um Bildhauerei oder Videoinstallationen, hier wird sich mit der Tradition der Malerei auseinandergesetzt. Und zwar auf ganz unterschiedliche Arten und Weisen. Zur Rechten: Ist das ein Teppich an der Wand? Ja, tatsächlich. Die österreichische Künstlerin Ulrike Müller hat ihr Werk genau so genannt. "Rug" heißt es im Original, mit dem Zusatz "estamos en contracto" (Wir haben einen Vertrag), und deutet abstrakt die schlanken Füße einer Frau in High-Heels an.

Dem Gegenüber hängen ebenfalls Textilien. Die Dänin Nina Beier erschafft mit in ein Rechteck gepressten Stoffen ("Portrait Mode") die Illusion von Malerei und zugleich einen Gegensatz von hartem Rahmen und beweglichem, leichtem Tuch. Daneben hängt "Mesdames", ein Schaukasten des Bremerhavener Künstlers Christian Haake, der auch einem alten Programmkino entnommen sein könnte. Malerische Spuren deuten an, dass der Kasten einst bestückt war. Ein Trugschluss.

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Raum zwei: große, bunte Bilder

Hier wird es knallig, fast poppig. Linker Hand verbindet "Die Heimsuchung", ein dreiteiliges Werk des Münchener Malers Abel Auer, Motive wie Ornament, Landschaft und Porträt zu einem psychedelischen Trip. An seiner Seite zeigt der Däne Alexander Tovborg noch farbgewaltiger das Bildnis einer mexikanischen Feuer-Gottheit. Es ist der katholischen Heiligen Jeanne d'Arc gewidmet, die bekanntermaßen auf einem Scheiterhaufen zu Tode kam.

Rechts dann zwei Leipziger Maler mit einer völlig anderen Bildsprache: Tilo Baumgärtel mit "Eclipse" (Sonnenfinsternis) und Neo Rauchs "Unschuld". Beides auf den ersten Blick vermeintlich leicht zu erschließen, doch das täuscht. Schaut man genauer hin, fallen schnell die Brüche auf, die die Künstler in ihre Gemälde eingebaut haben. Lange Schatten trotz Dunkelheit, eine teilnahmslose Fremdheit zwischen den Figuren. Nach der Betrachtung bleibt ein beklemmendes Gefühl.

Raum drei: die Umwandlungen

Drei Frauen, die sich auf ihre ganz eigene Art mit Bildprozessen beschäftigt haben, finden sich im dritten Raum. Einerseits erzählt die Künstlerin Franziska Holstein auf 260 Papiercollagen die Geschichte eines Gemäldes nach. Andererseits hat die Iranerin Toulou Hassani mit einem herkömmlichen Drucker experimentiert und die so produzierte 118-teilige Papierarbeit auf Aluminiumplatten überführt – ein Werk, unterschiedliche Medien.

Die Dritte im Bunde ist Rosemarie Trockel. Ihre Komposition "White Carrot" (Weiße Karotte) erschließt sich erst bei genauem Hinsehen und kombiniert glatte Flächen und Strukturen, schwarz und weiß, vergänglich und beständig. Auf den hellen Blättern entfalten sich feine Gebirgszüge, wie man sie auf geografischen Karten findet. Auf den dunklen Rechtecken deutet sie wiederum im weitesten Sinne Wetterphänomene an. Dazu kommt ein ewiger Eiszapfen aus Porzellan, dessen Formgeber sich längst wieder verflüssigt hat.

Raum vier: Es war einmal

Hier ist sozusagen der Raum der einfachen Leute, der Arbeiter, der Kneipengänger. Es stehen sich großformatige Porträt-Drucke auf groben Leisten und detailreiche Kugelschreiberzeichnungen, bei denen Kegelbahn-Ästhetik und Perspektive im Vordergrund stehen, gegenüber. Die Werke stammen von Manfred Holtfrerich (Drucke) und Jub Mönster (Zeichnungen).

Links sieht man Männern und Frauen aus einer Zinkhütte direkt in die Augen. "Hier bin ich", scheinen sie dem Betrachter entgegenzurufen. Ihre Abbildung basiert auf historischen Schwarz-weiß-Fotografien, die der Künstler bearbeitet und vergrößert hat. An der anderen Wand finden sich Darstellungen von Kegelbahnen, Postkarten entnommen. Funktional eingerichtete Räume, Überbleibsel eines aussterbenden Volkssports. Ein Gefühl von Nostalgie, eingefangen in Kugelschreiberblau.

Raum fünf: der Chemiekonzern

"Der heiße Frieden" heißt die Installation von Arne Schmitt, die Fotoarbeiten mit Video kombiniert. Schmitt verwebt dabei Fotografien aus dem Archiv des Chemieriesen BASF mit Bildern, die er am Konzernsitz, in Ludwigshafen aufgenommen hat. Die Arbeit zeigt den Einfluss des Unternehmens auf das Stadtbild und stellt Fragen nach der Verflechtung von BASF mit den Nationalsozialisten.

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