Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Kunsthalle Bremen Nackte Tatsachen

Geht es um Akte, sind es meist Darstellungen von Frauen, die sich an den Wänden der großen Kunstmuseen finden. In ihrer neuen Ausstellung "Manns-Bilder" nimmt die Kunsthalle den männlichen Akt in den Blick.
05.07.2022, 18:11 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Nackte Tatsachen
Von Alexandra Knief

Mister Germany kennt jeder, der sich schon einmal mit Schönheitswettbewerben auseinandergesetzt hat. Aber haben Sie schon einmal von Mister Kupferstichkabinett gehört? Wahrscheinlich nicht, denn diesen Titel hat die Kunsthalle Bremen erst jetzt anlässlich ihrer neuesten Ausstellung ins Leben gerufen. "Manns-Bilder - Der männliche Akt auf Papier" heißt sie und ist ab sofort und noch bis zum 6. November in besagtem Kupferstichkabinett des Museums zu sehen.

Worum geht es? 

Wie der Titel ja bereits verrät, geht es um nackte Männer und damit tatsächlich um eine Gruppe, die sonst im Museum eher die Minderheit darstellt. So, erzählt Kuratorin Christine Demele, machte zum Beispiel schon die feministische Gruppe Guerilla Girls Ende der Achtzigerjahre darauf aufmerksam, dass 85 Prozent aller Akte damals im Metropolitan Museum in New York weiblich waren – und das, obwohl auch der männliche Akt seit der griechischen Antike im Zentrum der Kunst stand. In der Kunsthalle stehen nun also eben diese Männerdarstellungen im Mittelpunkt. Und es gibt viele von ihnen.

Was genau gibt es zu sehen?

Insgesamt gibt es in der Ausstellung mehr als siebzig Zeichnungen und Druckgrafiken zu sehen, die in der Zeit zwischen dem 15. und dem 20. Jahrhundert entstanden sind. Christine Demele hat sie in sieben Kategorien unterteilt. So erwarten den Besucher Götter- und Heldendarstellungen, christliche Themen, Sportler und Badende, Männer in Bewegung, erotische Renaissancegrafiken, Selbstbildnisse und Aktzeichnungen sowie Bilder, die sich mit dem männlichen Körper im Lauf der Zeit, also vom Kind zum Greis, beschäftigen.

Lesen Sie auch

Die Vielfalt der Bilder macht deutlich, dass Akt nicht gleich Akt ist. Die Werke zeigen, wie deutlich sich die Darstellung je nach der Zeit und dem Zusammenhang in der, beziehungsweise in dem sie entstanden sind, unterscheiden. Mal steht die Anatomie des Mannes im Mittelpunkt, mal wird diese völlig überspitzt, zum Beispiel, um bei mythologischen Darstellungen auf übermenschliche Stärke hinzuweisen. Mal steht die Nacktheit für Reinheit, wie beim Jesuskind; mal steht sie für Sünde, wie in der Zeichnung "Die Trunkenheit Noahs" eines anonymen niederländischen Künstlers. Mal werden dem Besucher vermeintlich ideale Körperbilder präsentiert, dann wiederum trifft er auf eher stämmige und untersetzte Ringer, wie in den japanischen Farbholzschnitten von Katsukawa Shun'ei und T?sh?sai Sharaku oder der Kreidezeichnung "Drei Ringer auf einer Bühne" von Henri Gabriel Ibels.

Welche Künstler gibt es zu sehen? 

Viele. In der Ausstellung finden sich beispielsweise gleich in mehreren thematischen Kategorien Arbeiten von Albrecht Dürer, darunter "Der thronende Christusknabe" (1506) und zwei ganz unterschiedliche Darstellungen des heiligen Sebastians bei den christlichen Werken. Ebenso werden verschiedene Selbstbildnisse des Künstlers und "Das Männerbad" gezeigt, ein nach Dürers erster Italienreise entstandener Holzschnitt, in dem er – durchaus auch mit humorvollen Anzüglichkeiten versehen – mehrere fast nackte Männer versammelt, die musizieren und trinken.

Aber auch andere große Namen, wie Rembrandt, Paul Cézanne, Max Beckmann, Max Liebermann oder der für seine Bewegungsstudien bekannte Foto-Pionier Eadweard Muybridge sind neben vielen weiteren in der Ausstellung vertreten. 

Sind auch Zeichnungen weiblicher Künstlerinnen zu sehen?

Wenige, aber es gibt sie. Das liegt natürlich vor allem daran, dass Künstlerinnen bis ins 20. Jahrhundert in der Regel von staatlichen Kunstakademien ausgeschlossen waren. Und genau die hielten lange das Monopol auf den Unterricht im Aktzeichnen. Aber auch männliche Künstler mussten früher, als die Tradition des Aktzeichnens sich ab der Renaissance im 15. Jahrhundert von Italien aus verbreitete, erst einmal mit antiken Statuen und Plastiken üben, bevor sie sich dafür qualifizierten, lebende Modelle zu malen.

Lesen Sie auch

Eine Frau, deren Name gerade in Bremen mehr als bekannt ist, schaffte es aber, um 1900 in Berlin und Paris an privaten Kunstschulen männliche Aktmodelle zeichnen zu dürfen: Paula Modersohn-Becker. Zwei große stehende Akte, einer frontal gezeichnet, der andere in einer Rückenansicht mit in die Hüften gestemmten Händen, von Modersohn-Becker sind in der Ausstellung zu sehen. 

Und wer wird Mr. Kupferstichkabinett?

Darüber entscheiden die Besucher der Schau per Postkarten-Abstimmung. Vier Werke stehen zur Wahl, von athletischem Bogenschützen bis zum kräftigen Sum? ist für jeden Geschmack etwas dabei. Bereits einige Monate vor der Eröffnung der Schau lies die Kunsthalle ihre Instagram-Abonnenten darüber mitentscheiden, welche Werke es überhaupt in die Ausstellung schaffen. Drei Mal hatten sie die Wahl zwischen zwei Arbeiten, die Kuratorin Christine Demele in kurzen Storys genauer vorstellte. Alles fast wie bei einer echten Mister-Wahl.

Info

"Manns-Bilder. Der männliche Akt auf Papier" ist noch bis zum 6. November im Kupferstichkabinett der Kunsthalle zu sehen. Weitere Infos auf www.kunsthalle-bremen.de.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)