Es ist seltsam. Bilder aus Kriegsgebieten sind zahllos, die von zerstörten Landschaften oder Menschen auf der Flucht ebenfalls. Und doch sind Krieg, Vertreibung und Zerstörung selten so ästhetisch und doch auf den Punkt gebracht wie in den Fotografien des irischen Künstlers Richard Mosse. Mal beeindruckt schon ihre schiere Größe, dann die Technik. Wirklich spannend wird es aber, wenn man sich einen Moment nimmt und erkennt, was Mosse mit seinen Bildern transportieren möchte. Ab Sonnabend, dem 26. März, sind mehr als 70 von ihnen in der Kunsthalle zu sehen. Man sollte sie sich anschauen.
"Richard Mosse", so der Name der Ausstellung, war eigentlich für 2019 geplant. "Nun ist sie größer und besser geworden", sagt Direktor Christoph Grunenberg. "Und sie zeigt die wichtigsten Werkgruppen der vergangenen 15 Jahre, inklusive vieler neuer Arbeiten." Als da wären: "Infra" – ein Porträt der von bewaffneten Konflikten gezeichneten Demokratischen Republik Kongo, "Heat Maps" – eine Auseinandersetzung mit den Folgen der Fluchtbewegungen ab 2016 sowie "Tristes Tropiques" und "Ultra", die ganz ungewöhnliche Perspektiven auf die Zerstörung des Amazonas-Regenwalds einnehmen.
Ungewöhnliche Technologien
Der Künstler selbst ist preisgekrönt. Internationale Fotografiepreise wie den Prix Pictet und den Deutsche Börse Photography Prize wurden ihm verliehen. Mosses Bilder changieren zwischen Dokumentarfotografie und zeitgenössischer Kunst. Charakteristisch sind die ungewöhnlichen Technologien, die er für seine Fotografien nutzt.
Im ersten Teil der Ausstellung zum Beispiel, bei "Infra" (2010-2014), war das Mittel der Wahl ein Falschfarbenfilm. "Diese Art von Film wurde während des Zweiten Weltkriegs entwickelt. Er bildet Infrarotstrahlung ab und wurde vom Militär dazu genutzt, Licht sichtbar zu machen, das für das menschliche Auge normalerweise nicht wahrnehmbar ist", erklärt Mosse. Für seine Arbeiten im Kongo nutzte er eben dieses Medium, um die Opfer der bewaffneten Konflikte im Osten der Republik sichtbar zu machen. "Dort hat sich jahrelang ein humanitäres Desaster abgespielt, ein Konflikt, der mehr als fünf Millionen Menschen das Leben gekostet hat und bis heute andauert. Politisch und medial wurde das aber kaum beachtet", sagt Mosse.
Die Fotografien zeigen Kleinkinder, die an den Schuhen von Rebellenführern spielen, die illegale Holzkohleherstellung, für die Wälder brandgerodet werden und um deren Kontrolle bewaffnete Gruppen konkurrieren. Aber auch die Schönheit des Landes; Rinderzüchter inmitten bergiger Landschaften – durch die falschen Farben in kräftiges Pink getaucht.
Individuen sind nicht erkennbar
Für "Heat Maps" arbeitete Mosse mit einer Wärmebildkamera. Das Ergebnis ist schwarz-weiß, Menschen haben keine klaren Konturen, Individuen sind nicht erkennbar, sondern lediglich die Spuren der Wärme, die ihre Körper abstrahlen. Auch diese Kamera ist Teil eines Waffensystems und wird insbesondere zur Grenzsicherung genutzt. "Es ist in der Lage dazu, menschliche Körper auf eine Distanz von 30 Kilometern Entfernung sichtbar zu machen", sagt Mosse. "Diese Kamera ist für mich ein Teil der Antwort, mit der die EU auf die sogenannte Flüchtlingskrise reagiert hat."
Mit ihr fotografierte er die Situation in Flüchtlingslagern im Mittleren Osten, Nordafrika und im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Die Bilder erwecken den Eindruck von Panoramafotografien, sind tatsächlich aber aus hunderten Einzelbildern zu einem Werk zusammengesetzt.
Bilder aus dem Regenwald
Der letzte Teil der Ausstellung widmet sich dem Ökosystem Amazonas-Regenwald. Sie ist die jüngste Arbeit des Künstlers und sozusagen zweigeteilt. Während "Tristes Tropiques", zu der auch eine Videoarbeit gehört, mittels Drohne einen distanzierten Blick aus großer Höhe auf ganze Regionen des Urwalds wirft, ist "Ultra" sozusagen ein Blick mitten hinein ins Ökosystem. Mal eingefangen mit Multispektralkameras, die beispielsweise in der Astrofotografie zur Anwendung kommen, mal mit einer Kamera, die UV-Strahlung abbildet.
"In kaum einem Ökosystem sind in den vergangenen Jahren so viele Arten ausgestorben, so viele Bäume gerodet worden wie hier, obwohl der Regenwald riesigen Einfluss auf die weltweite Klimastabilität hat", sagt Mosse. "Ich wollte Techniken nutzen, mit denen ich den diese unsichtbaren Vorgänge sichtbar machen kann." Und das ist auf eine verstörend-schöne Art gelungen.