Die Meldung taugte zum bundesweiten Aufreger: Vergangene Woche war bekannt geworden, dass die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Gemälde und Skulpturen mit rassistischen oder anderweitig diskriminierenden Werktiteln in ihrer Online-Datenbank umbenennen oder einzelne Wörter daraus mit Sternchen, den sogenannten Asterisken, gleichsam überschreiben. Für das Vorgehen erntete der Museumsverbund Schlagzeilen, in denen unter anderem von "Sprachpolizei" und "Cancel-Culture" die Rede war, aber auch etliche Online-Bewertungen, in denen von "Zensur im Sinne der political correctness", von "Kulturbarbaren" oder von "Sichlächerlichmachen für eine absolute Minderheit der Bevölkerung" geschrieben wird.
Die Generaldirektorin der Sammlungen, Marion Ackermann, trat dem in einem Gespräch mit "MDR Aktuell" entgegen. "Die originalen Titel kann man immer abrufen, die Historie bleibt immer erhalten", erklärte sie und wehrte sich gegen den Vorwurf einer Umbenennung. Die allermeisten Titel seien ohnehin von Museumsmitarbeitern und Sammlern erdacht worden, um Bilder zu beschreiben, und eben nicht von den Künstlerinnen und Künstlern. Die Bearbeitung sei daher "ein permanenter Prozess der Fortschreibung".
Christoph Grunenberg ist Direktor der Bremer Kunsthalle. Hier ist der Umgang mit sensiblen Werktiteln spätestens seit der Ausstellung "Der blinde Fleck" im Jahr 2017 Thema. Für die Schau, die sich Bremen und der Kunst in der Kolonialzeit gewidmet hatte, waren einzelne Wörter aus Werktiteln ebenfalls durch Asterisken modifiziert worden. "Gerade das N-Wort oder auch 'Eingeborene', was bei mehreren Werken von Emil Nolde genutzt wurde", erklärt er. Das Museum hätte sich im Vorfeld der Ausstellung kritisch damit auseinandergesetzt, wie man mit den teilweise diskriminierenden oder rassistischen Titeln historischer Werke umgehen solle. Dabei sei die Zusammenarbeit mit dem Afrika-Netzwerk Bremen sehr wichtig gewesen, in der auch deutlich geworden sei, dass Betroffene "gewisse Worte nicht in einem Museum an der Wand lesen wollen, weil das eben durchaus eine verletzende Note haben kann."
Der Deutsche Museumsbund, in dem sowohl die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden als auch die Bremer Kunsthalle Mitglied sind, hat zu diesem Themenkomplex in diesem Jahr einen aktualisierten Leitfaden herausgegeben, der Handlungsoptionen im Umgang mit sensiblen Ausstellungsobjekten aufzeigt. Darin heißt es, dass Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten Zeugnis eines Wertesystems sei, in dem sich die Kolonialmächte als höherwertig begreifen. "Aus Sicht des Deutschen Museumsbundes ist die Diskussion um die koloniale Vergangenheit von Museen und ihren Sammlungen deswegen unverzichtbar." Anleitungen zur Modifikation von Objekttiteln finden sich im Leitfaden nicht, wohl aber die Anregung, dass die angeschlossenen Museen einen gründlich abgewogenen und äußerst sensiblen Umgang mit entsprechenden Werken finden sollten.
Christoph Grunenberg hält die Diskussion um koloniales Erbe und die Wiedergabe diskriminierender Sprache für relevant. "Das als mehr oder weniger akademischen Diskurs zu ignorieren, geht heute nicht mehr", sagt er, und: "Die Fragen der Repräsentation und der Gleichheit von Männern und Frauen werden schon länger als wichtig erkannt, aber es ist erstaunlich, wie lange man rassistische Termini unwidersprochen benutzen konnte. Mittlerweile ist man da wesentlich sensibilisierter."
Trotzdem hat auch die Kunsthalle Bremen keine offizielle Politik zu Fragen des Umgangs mit derlei Werktiteln. Und hier sieht man ebenfalls durchaus die Notwendigkeit, historische Benennungen auch nach einer Modifikation weiterhin öffentlich verfügbar zu machen. "Der geschichtliche Kontext muss gewahrt werden, ohne dabei zu zensieren", sagt Grunenberg. Aber dennoch: Man müsse den Häuser zugestehen, Wörter anders zu schreiben oder zu ersetzen, wenn es den Sinn und das Verständnis des Werkes nicht verändert.