Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Konferenz in Nizza Wie Meeresschutz ohne die USA funktionieren soll

Optimismus, Selbstverpflichtungen und das größte Meeresschutzgebiet der Welt – das sind Ergebnisse der dritten Weltozeankonferenz. Wie der Bremer Meeresökonom Raimund Bleischwitz das Ergebnis einordnet.
28.06.2025, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Björn Lohmann

Zur Person

Raimund Bleischwitz
ist Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung, Professor für Globale Nachhaltige Ressourcen an der Universität Bremen und Honorarprofessor am UCL Bartlett School of Environment, Energy and Resources. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Blue Economy, Kreislaufwirtschaft sowie das Management natürlicher Ressourcen.

Herr Prof. Bleischwitz, Sie waren bei der Weltozeankonferenz in Nizza vor Ort – was war für Sie persönlich der bedeutendste Moment der Konferenz?

Raimund Bleischwitz: Die Eröffnung war beeindruckend, mit starken Worten von UN-Generalsekretär Guterres und Frankreichs Präsident Macron, auch wie sie sich gegen einige Aussagen von Trump geäußert haben. Stark war auch die Stellungnahme von Bundesumweltminister Carsten Schneider zum Moratorium beim Tiefseebergbau.

Welche Länder oder Organisationen haben Ihrer Einschätzung nach besonders konstruktiv zur Konferenz beigetragen?

Frankreich wie auch Co-Gastgeber Costa Rica waren sehr präsent, sehr aktiv, haben sich sehr deutlich für Meeresschutz und eine nachhaltige Nutzung engagiert. Auch Panama, Chile und Brasilien haben sich sehr konstruktiv und engagiert gezeigt. Bemerkenswert war als Einzelbeitrag die Ankündigung der bis dato weltweit größten Meeresschutzzone in Französisch-Polynesien. Dessen Präsident war selber da. Einschließlich einer Nutzungszone geht es um fünf Millionen Quadratkilometer, darunter eine Million in der höchstmöglichen Schutzzone.

Welche Rolle spielte die Wissenschaft auf der Konferenz?

Es waren ja zwei Konferenzen: In der Woche zuvor fand der „Our Ocean Science“-Kongress statt, beide Veranstaltungen gingen ineinander über, viele Wissenschaftler sind deshalb dageblieben. Der Wissenschaftskongress hat eine Abschlussdeklaration verfasst und an UN-Vertreter übergeben. Auch in der Abschlussdeklaration wird die Bedeutung der Wissenschaft unterstrichen. IPOS – die Internationale Plattform für Nachhaltigkeit der Ozeane – wurde anerkannt. IPOS will jetzt auf Staaten zugehen für einen schnelleren Austausch zwischen Wissenschaft und Politik. Zur Ozeanbeobachtung und -messung, die durch den Rückzug der USA besonderen Risiken ausgesetzt ist, gab es klare Commitments, etwa für die Allianz „Space4Ocean“, ein Thema, an dem auch in Bremen gearbeitet wird. Auf der Konferenz wurde auch eine neue Beobachtungsplattform gegründet, Mission Neptun. Sie umfasst Modellierungsarbeiten, wie wir sie auch machen. Generell bedeutet das Konferenzergebnis Mandate an uns in der Forschung für die nächsten Jahre, die wir gerne abarbeiten. Es gab die klare Botschaft der Europäer, aus Indien, China und vielen Entwicklungsländern: Wenn die USA sich zurückziehen, machen wir mehr.

Welche konkreten Beschlüsse oder Absichtserklärungen wurden auf der Konferenz gefasst?

Lesen Sie auch

Ich finde gut, dass die Schnittfläche zur Klimapolitik gestärkt wurde. Das war eine gemeinsame Initiative von Frankreich und Brasilien und unterstreicht die Rolle der Ozeane für den Klimaschutz. Bei der Klimaschutzkonferenz im Oktober werden die Nationalen Klimabeiträge um Ozeankomponenten erweitert, zum Beispiel die Wiederanpflanzung von Seegraswiesen, den Erhalt der Mangroven oder den Küstenschutz. Bemerkenswert ist auch der „Sustainable Blue Tourism Pact“, der mehr Initiativen vorsieht, damit Kreuzfahrten und andere Tourismusformen klimaneutral und umweltverträglich werden.

Gab es Fortschritte beim Tiefseebergbau?

Neben der Aussage von Bundesumweltminister Schneider gab es eine Stellungnahme von 36 Ländern für das Moratorium. Man kann sagen, das sind nicht viele, aber immerhin. 24 davon haben sich auch explizit gegen die Pläne der USA ausgesprochen, die in der internationalen Tiefsee unilateral Rohstoffe abbauen will.

Frankreich soll stark für das UN-Hochseeabkommen „Biodiversity Beyond National Jurisdiction“ geworben haben, das einen Rechtsrahmen für Meeresschutzgebiete auf Hoher See schafft.

Ich habe große Hoffnung, dass das Hochseeabkommen bald in Kraft treten könnte. Es hat ein Dutzend weiterer Ratifikationsurkunden gegeben. Die Zahl liegt jetzt über 50, nötig wären 60. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat wollen den Prozess in der nächsten Zeit durchführen. Wenn die verbleibenden Urkunden in den nächsten Monaten eingereicht werden, kann noch in diesem Jahr der Schutz in Kraft treten und die erste Fortschrittskonferenz im nächsten Jahr stattfinden. Dann ist zu erwarten, dass sehr bald weitere Meeresschutzgebiete ausgewiesen werden.

Wie bewerten Sie die Substanz der Ergebnisse – sind sie mehr als nur symbolisch?

Mit Selbstverpflichtungen gehen die Länder ja auch Reputationsrisiken ein. Sie werden von Medien, Zivilgesellschaft und Wissenschaft ernst genommen, überprüft, kritisiert und politisch zur Rechenschaft gezogen. Das ist in vielen Ländern durchaus wirksam. Insgesamt wird der Erfolg davon abhängig sein, dass die Länder, die sich verpflichten, auch zeigen wollen, dass sie Ziele umsetzen. Das erzeugt Nachahmereffekte – und die Frage: Wenn die können, warum ihr nicht?

Ist die Bundesregierung ein glaubwürdiger Akteur im Meeresschutz?

Der Umweltminister ist neu im Amt. Er engagiert sich stark auch für Meeresnaturschutz und nachhaltige Nutzung. Ich würde mir wünschen, dass er internationale Verantwortung mitübernähme, wie sein Vorvorgänger Klaus Töpfer. Naheliegender, als CO2 in Nord- und Ostsee zu speichern, wäre, Mangrovenschutz in den Tropen zu betreiben. Ich wünsche mir, dass diese internationalen Partnerschaften gestützt werden. Außerdem wird sehr wichtig sein, dass aus den Ministerien Nutzungsinteressen an einen Tisch gebracht werden, zirkuläre Bioökonomie, naturnaher Tourismus, Naturschutz.

Wie können Wissenschaft und Gesellschaft dazu beitragen, dass der Meeresschutz auch im Alltag der Menschen ankommt?

In der Forschung haben wir immer wieder die Aufgabe, zu zeigen, was der Wert der Meere ist für fundamentale Themen wie die Sauerstofferzeugung. Mehr als die Hälfte des Sauerstoffs kommt aus Meeren. Aber auch für Ernährung und CO2-Aufnahme – und in der Ästhetik, wie schön Teile der Unterwasserwelt sind. Es wäre zudem gut, wenn wir es schaffen, von Forschungsseite aus beim Hinterfragen von Verhalten Hilfestellung zu leisten: Wie kommt es, dass Leute gedankenlos einen mit Plastik ummantelten Kaffeebecher wegwerfen?

Was gibt Ihnen trotz der vielen Herausforderungen Hoffnung, wenn Sie an die Zukunft der Ozeane denken?

Zum einen solche Konferenzen, das war ein positiver Spirit. Aber auch der Ozean selber. Manches ist problematisch, aber es gibt auch viele neue Möglichkeiten. Und starke Teile der Weltgesellschaft rücken zusammen. Ich bin kein Berufsoptimist, aber ich sehe Anzeichen für Hoffnung. Jetzt muss einiges an Arbeit und Kooperationen abgeliefert werden.

Das Gespräch führte Björn Lohmann.

Lesen Sie auch

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)