Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Streit über Verfassung Reform der Bremischen Evangelischen Kirche stößt auf Widerstand

Die Verfassung der Bremischen Evangelischen Kirche ist mehr als 100 Jahre alt und soll jetzt grundlegend verändert werden. Einzelne Gemeinden stellen sich massiv dagegen. Was sind die Gründe?
17.05.2022, 16:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Reform der Bremischen Evangelischen Kirche stößt auf Widerstand
Von Jürgen Hinrichs

Bei der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) bahnt sich eine historische Entscheidung an: Aus dem eher lockeren Verband weitgehend autonomer Gemeinden soll eine Organisation werden, die straffer und professioneller strukturiert ist. Dafür muss nach mehr als 100 Jahren die Verfassung verändert werden. Gelingt das, wird es zum Beispiel nicht mehr einen Schriftführer geben, wie in Vereinen üblich, sondern einen Kirchenpräsidenten, der als Pfarrer auch von außerhalb kommen kann und gleich für zehn Jahre gewählt wird.

Eine ebenso lange Amtszeit bekommt der Schatzmeister, den die BEK künftig fest anstellt und bezahlt. Die Kirche in neuem Gewand könnte man sagen, aber nicht alle Gemeinden sind damit einverstanden. Es wird möglicherweise lebhafte Diskussionen geben, wenn sich das Kirchenparlament, das mehr als 170.000 Mitglieder vertritt, ab diesem Mittwoch zwei Tage lang mit dem Entwurf der neuen Verfassung beschäftigt.

Unter den Talaren – Muff von 100 Jahren, könnte man in Anlehnung an einen alten Sponti-Spruch sagen. Schließlich stammt die alte Verfassung noch aus den Anfängen der Weimarer Republik und ist seitdem nur marginal verändert worden. "Die 17 Paragrafen nebst der 1946 hinzugefügten Präambel waren seinerzeit eine Art kleinster Nenner, auf den sich die Gemeinschaft selbstständiger bremischer Gemeinden einigen konnte", schreibt die BEK in einem historischen Rückblick. Seit 1920 hätten sich Stadt und Kirche jedoch grundlegend verändert.

Lesen Sie auch

Die Verfassung sei nicht mehr zeitgemäß, weil entscheidende Kennzeichen der heutigen Kirche fehlten: "Es gab damals weder Seelsorge- und Beratungseinrichtungen noch evangelische Kitas, ein Bildungswerk oder eine Kulturkirche." Das Engagement Ehrenamtlicher tauche genauso wenig auf wie das große Feld gesamtkirchlicher Aufgaben. Und noch etwas, was die BEK anmerkt: "Das Gebilde der Bremischen Evangelischen Kirche war recht fragil, sodass man sich scheute, Aussagen zu Spiritualität, Bekenntnis und Glaubenstradition in dem Dokument zu verankern." Die alte Verfassung lese sich kurz, knapp und formelhaft, wie eine Vereinssatzung.

Seit zehn Jahren wird in der BEK bereits über die Reform diskutiert. Vor fünf Jahren gab es auf Grundlage von Gutachten einen ersten Entwurf der neuen Verfassung. Wieder wurden Einwände gesammelt und nach Darstellung der BEK teilweise auch eingearbeitet. Ein hartnäckiger Streitpunkt ist die Professionalisierung. Die Kritik: Wo nicht mehr ehrenamtlich gearbeitet werde, könnten Strukturen entstehen, die es den Gemeinden schwerer machten, sich gegenüber dem Dachverband zu behaupten. Ein Argwohn, den die BEK-Führung für unbegründet hält und der aus ihrer Sicht schlichte Notwendigkeiten außer acht lässt: "Der Verfassungsentwurf orientiert sich an der Erkenntnis, dass eine komplexe Institution wie die BEK mit einem Jahresumsatz von rund 120 Millionen Euro und nahezu 2300 hauptamtlichen Beschäftigten transparente, hauptamtliche Leitungsstrukturen braucht."

Lesen Sie auch

Die Gemeinden der BEK haben heute einen Spielraum, der in der deutschen Evangelischen Kirche sonst nirgendwo vorkommt. Sie sind quasi autonom, und genau das ist der Kern des Konflikts. Wie viel bleibt davon übrig, wenn die Zentrale gestärkt wird und es mit dem Kirchenpräsidenten künftig einen "Leitenden Geistlichen" gibt?

Für Gemeinden wie St. Martini in der Altstadt, die Friedensgemeinde in der Östlichen Vorstadt und die St. Johannes-Gemeinde in Arsten-Habenhausen steht ihre bisher garantierte Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit auf dem Spiel. Nicht deshalb, weil dieser Grundsatz formal aufgegeben würde, im Gegenteil, er ist auch im Entwurf der reformierten Verfassung wieder enthalten. Sondern dadurch, dass sich die Praxis ändern könnte, wie in einem Antrag von St. Martini für das Kirchenparlament formuliert wird. Die Gemeinde fordert, den gesamten Vorgang abzublasen und begründet das unter anderem damit, dass es sonst keine freie Pfarrerwahl mehr gäbe und Gremien der BEK in theologischen Angelegenheiten ein entscheidendes Wort mitreden dürften.

Lesen Sie auch

Wenn sich das Kirchenparlament mit seinen rund 150 Delegierten aus den 61 Bremer Gemeinden und Einrichtungen jetzt mit dem Verfassungsentwurf befasst, geschieht das in 1. Lesung. Die endgültige Entscheidung wird für den November erwartet.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)