Herr Tawil, Sie sind vor Kurzen Vater geworden. Auch einige Songs auf Ihrem neuen Album beschäftigen sich damit. Ihr mittlerweile drittes Studioalbum „Alles lebt“ ist ziemlich positiv gestimmt. Ein Kind macht also glücklich?
Adel Tawil: Ob es jetzt das Allheilmittel ist, weiß ich nicht, aber es verändert alles im Leben. Bei mir auf jeden Fall zum Positiven. Es gibt nichts, was ich daran schlecht finden kann. Selbst, wenn es mal anstrengend wird.
Vor diesem positiven Erlebnis mussten Sie in den vergangenen Jahren mit einigen Schicksalsschlägen zurechtkommen. Sie hatten einen schweren Unfall und haben eine Trennung durchlebt. Wie schafft man es, positiv nach vorne zu blicken?
Einfach kämpfen. Ich hab schon öfter in meinem Leben Phasen gehabt, wo es nicht so gut lief. Mein Vater hat mir schon in ganz jungen Jahren gesagt: Wenn es mal irgendwie doof läuft, dann kommt meistens noch ein zweites und ein drittes Thema dazu, das nicht perfekt ist. Und irgendwann hat man das Gefühl, man ist der größte Pechvogel der Welt. Dann steht man ein bisschen ratlos da und fragt sich, wie das alles wieder gut werden soll. Man muss da einfach durchhalten und sich auf das besinnen, was wirklich wichtig ist im Leben. Und dann klappt auf einmal das eine, und dann das nächste und plötzlich steht man da und denkt: Wow. Alles geil.
Von „Alles geil“ zurück zu „Alles lebt“. Ihre neuen Lieder kommen zwar gewohnt poppig, aber auch etwas elektronischer daher. Auch Hip-Hop-Elemente finden sich auf dem Album. Wollten Sie bewusst neue Wege gehen?
Ganz neue Wege sind das im Grunde gar nicht, weil ich ja mit Hip-Hop angefangen habe. „Alles lebt“ ist kein Hip-Hop-Album, das war auch nie mein Plan, aber ich wollte ein modernes Popalbum machen, bei dem ich mich auch bei ein paar urbaneren Sounds bediene. Grundsätzlich ist es natürlich wichtig, wie ein Song produziert wird, aber am Ende funktioniert ein gutes Lied auch, wenn man es einfach nur auf der Gitarre spielt. Beim Schreiben selbst habe ich gar nicht so viel geändert: Ich habe am Klavier gesessen oder mit Freunden an der Gitarre und habe meine Melodien gemacht. Die wollten wir bei diesem Album aber eben ein bisschen anders verpacken.
Ihre neuen Songs drehen sich nicht nur um Liebe und die positiven Dinge im Leben. In „Atombombe“ singen Sie von einem Moment, der sich anfühlt, als wäre gleich alles vorbei. Was hat Sie zu diesem Song inspiriert?
Dass es einen Moment gab, in dem ich wirklich dachte alles ist vorbei. Ich war mit meinen Jungs auf Hawaii, als ein Raketenangriff angekündigt wurde. Wir wollten gerade spazieren gehen, da haben plötzlich alle Handys vibriert, mit einer Meldung von der Regierung, in der es hieß: sofort Unterschlupf suchen. Raketenangriff. Das ist keine Übung. Menschen haben Gullys aufgemacht, um ihre Kinder dort in Sicherheit zu bringen. Alle sind in Panik ausgebrochen, viele meiner Freunde haben ihre Eltern in Deutschland angerufen. Es hat 38 Minuten gedauert, bis wir wussten, dass es ein Fehlalarm war. Das war ein sehr prägendes Erlebnis. Danach haben wir direkt dieses Lied geschrieben. Mitgenommen habe ich aus dieser Erfahrung, wie privilegiert wir eigentlich sind, in einem Land zu leben, in dem wir diese Gefahr aktuell nicht haben.
Rund läuft bei uns aber auch nicht alles. In ihren Songs „Liebe to Go“ und „Katsching“ üben Sie durchaus Gesellschaftskritik. Was läuft falsch?
Die Lieder sind eine Konsumkritik, ein Appell auch an mich selbst. Schon bei Ich+Ich haben wir über Konsum gesungen und dieses Thema ist aktueller denn je. Ich bin Berliner, komme aus dieser großen, verrückten Stadt. Wenn man aber zum Beispiel auf Hawaii ist, abseits der Touristentempel, gibt es da nicht viel. Jeden Mittwoch und Samstag einen Farmers Market, auf dem Leute selbst gekochtes Essen verkaufen. Und es gibt nur einen Supermarkt, in dem es keine Verpackungen gibt. Und das funktioniert! Die Menschen bringen ihre Behälter mit. Dieses Leben ist so ein krasser Gegensatz zu dem, was wir hier machen. Vieles davon kommt mir jetzt richtig albern und überflüssig vor. „Katching“ ist für mich auch ein bisschen Selbsttherapie gewesen. Ich versuche, mich jetzt einfach mehr selbst zu hinterfragen.
In „Liebe to go“ geht es auch um Konsum. Genauer gesagt darum, dass wir alles nur noch unterwegs konsumieren, weil wir für nichts anderes mehr Zeit haben.
Ganz genau. Ich liebe zum Beispiel die Stadt Wien. Da gibt es noch richtige Kaffeehäuser, in denen die Leute sich Zeit nehmen, um ihren Kaffee zu trinken. Wenn du hier in Berlin unterwegs bist – und in Bremen wird es sicher auch nicht anders sein – siehst du diese ganzen Leute, die Business machen und mit ihren Kaffee-to-Go-Bechern an der Ampel stehen. Zehn Minuten in Ruhe irgendwo einen Kaffee zu trinken – das muss ja wohl drin sein! Da lassen wir uns alle ganz schön treiben. Auch ich selbst. Ich bin auch nicht perfekt.
Im Januar starten Sie die Tour zu Ihrem neuen Album, dabei machen Sie auch in Bremen Halt. Worauf können Ihre Fans sich freuen?
Erst einmal freue ich mich auf die Bremer und das Pier2. Es gibt ein paar Locations in Deutschland, die man einfach nicht vergisst und dazu gehört das Pier2. Für die Show haben wir uns etwas ganz besonderes überlegt. Wir spielen natürlich das neue Album, wir spielen auch ein paar Songs in anderem Gewand. Und es wird sich der eine oder andere Ich+Ich-Fan, der die Alben kennt, freuen, weil wir auch davon etwas live spielen. Und ich kann schon verraten, dass die Bühne sehr speziell sein wird.
Apropos Ich+Ich: Bei Ihrem Lied „Pflaster“ aus dem Jahr 2009 gab es einige lustige Verhörer dazu, was denn vor ihrem Fenster tobt. In Ihrem Text war es der Hass, die Leute verstanden aber alles, vom Hamster bis zum Asta. Haben Sie einen persönlichen Verhör-Favorit?
Der Hamster ist definitiv auf Platz 1. Alle anderen Verhörer, auch bei anderen Liedern, waren harmlos. Aber auf den Hamster hat uns jeder Radiosender angesprochen. Annette (Anm. d. Redaktion: Duo-Partnerin Annette Humpe) ist eigentlich sehr pingelig mit Texten. Aber genau für diese Stelle hat ein Freund den Vorschlag gemacht, und wir haben das in der Laune übernommen. Lustig war es trotzdem. Und ich liebe den Song, darum werden wir ihn spielen.
Das Gespräch führte Alexandra Knief.
Weitere Informationen
Adel Tawil kommt im Rahmen seiner „Alles lebt“-Tour am 15. Januar ins Bremer Pier2. Tickets gibt es bei Nordwest-Ticket und an allen bekannten Vorverkaufsstellen.