Wer die Zeilen "Hat der alte Hexenmeister sich doch einmal wegbegeben!" liest, denkt zwangsläufig an seine Schulzeit. "Der Zauberlehrling" von Johann Wolfgang von Goethe musste für manch eine Gedichtanalyse herhalten. Am 21. März ist Welttag der Poesie. Doch wer schreibt noch Gedichte? Und liest sie noch jemand? Ein Rundgang durch die Buchhandlungen der Stadt.
Spuren von Lyrik finden sich immer wieder. Louise Glück erhielt 2020 den Nobelpreis für Literatur für ihre "unverkennbare poetische Stimme". Im Bundestag dichten immer mal wieder Abgeordnete innerhalb ihrer Reden. Bei der Leipziger Buchmesse 2024 sind die aus dem Englischen von Ron Winkler neu übersetzten und verlegten Gedichte "Angefangen mit San Francisco" von Lawrence Ferlinghetti nominiert.
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Anne Matern arbeitet als Buchhändlerin in der Buchhandlung Storm. Die Lyrikabteilung ist klein, aber die Nachfrage sei über die Jahre hinweg konstant. "Es gibt Kunden, die gezielt nach Lyrik fragen", weiß Matern, ",Der Ewige Brunnen' – eine Gedichtsammlung – ist weiterhin ein Dauerbrenner." Ihre Kundinnen und Kunden interessieren sich für klassische Lyrik wie die von Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller oder Heinrich Heine bis zu moderneren Formen.
Haiku – kurze und prägnante Lyrik
Dabei sei auch internationale Lyrik beliebt, vor allem die japanische Gedichtform Haiku. Ein Haiku ist eine Gedichtform mit insgesamt 17 Silben und drei Zeilen. Die Buchhandlung veranstaltet eine Haiku-Lesung im Rahmen der Ausstellung "Stille durch Klang" von Yuki Klink. Am Freitag, 12. April, findet die Veranstaltung um 19 Uhr statt. Japanische Kultur erlebten Leserinnen und Leser nicht nur bei Mangas, sondern auch bei dieser strikten Gedichtform.
Die Buchhändlerin findet, dass sich Lyrik verändere. "Insbesondere bei Poetry Slams sind politische Themen wichtig. Bücher von Poetry Slammern wie Julia Engelmann verkaufen sich gut", stellt Matern fest.
Auch bei Thalia gibt es Regale mit Gedichtbänden. Dort stehen Klassiker wie Mascha Kaléko, Rainer Maria Rilke, Erich Kästner und Bertolt Brecht. Aber auch Poetry-Slammer wie Julia Engelmann und Leah Weigand sind vertreten. Letztere brachte Anfang März ein neues Werk heraus: "Ein wenig mehr Wir – Texte über Menschlichkeit" sei momentan besonders gefragt, sagt Ina Gustāvel, Verkäuferin bei Thalia. "Lyrik ist zwar ein Nischengeschäft, aber wir verkaufen sie konstant", ergänzt sie. "Ob jung oder alt, Menschen kaufen querbeet."
Leichte Kost ist schwer gefragt
Ähnliche Erfahrungen hat auch Beruta Adolf gemacht, die Inhaberin der Georg-Büchner-Buchhandlung. Lyrik sei kein Verkaufsschlager, die Nachfrage werde jedoch nicht weniger. "In Bremen gibt es die Besonderheit, dass wir keine Lyrik von Ortsansässigen verkaufen", bemerkt sie. Auch stolperten ihre Kundinnen und Kunden nicht zufällig über die Lyrikbände, sondern fragten gezielt danach. Neben Klassikern verkaufe sie "leichte Kost".
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"Da bietet sich Mascha Kaléko an. Sie bietet sinnliche und berührende Texte, die nicht schwer sind", empfiehlt die Inhaberin. Das passe zur aktuellen Weltlage, mutmaßt sie: "Es sind so schwere Zeiten. Menschen gehen abends lieber auf einen Spieleabend als ins Programmkino, und so ist es auch bei Lyrik."
Dennoch, findet Marlene Schmidt vom Buchladen Ostertor, sei Lyrik wichtig. Sie habe den Eindruck, dass immer mehr zeitgenössische Lyrik verlegt werde. Zudem entwickle sich das Genre weiter. "Wir haben viel Spoken Word Lyrik." Lyrikbände wie "The Magic Border" von Arlo Parks, die gezielt die jüngere Generation ansprechen, verkaufen sich gut. Der Spiegel bezeichnete sie als "Gefühls-Chronistin der Generation Z".
Zudem gebe es in Bremen immer wieder den Effekt, dass das Theater Einfluss auf die Wahrnehmung von Lyrik hat. "Als im Theater ,Verbundensein' aufgeführt wurde, kauften die Menschen Kae Tempest", erinnert sich Schmidt. Solche Entwicklungen gebe es immer wieder.
Buchhändlerin Matern findet: "Gedichte werden wahrgenommen." Wieso? "Es gibt kaum eine Art von Literatur, die Gefühle, Eindrücke so prägnant und in so wenigen Worten wiedergibt."