Die Unterversorgung mit Lehrkräften an Bremer Schulen spitzt sich vor den Sommerferien noch einmal zu. Wenn in den kommenden zwei Wochen nicht alle offenen Stellen besetzt werden, müssen Lehrkräfte damit rechnen, zeitweise an andere Schulen im Stadtgebiet versetzt zu werden. Das kündigte Bildungssenatorin Claudia Bogedan (SPD) im Interview mit dem WESER-KURIER an. Aktuell werden mehr als 300 Lehrer zusätzlich benötigt – ein Großteil davon im Grundschulbereich.
Für etwas weniger als ein Drittel der Stellen gebe es derzeit noch keine Bewerber, weshalb man in der Behörde den Austausch in Betracht zieht. Bremen wäre nicht das erste Bundesland, das zu diesem Mittel greift. In Niedersachsen mussten in den vergangenen Monaten etliche Pädagogen sogar die Schulform wechseln, um Lehrermangel und Unterrichtsausfall auszugleichen.
Über die erste Abordnung dieser Art werden bereits schon jetzt konkrete Gespräche geführt. Dabei geht es um zwölf Stellen an der Bremer Universität, die für den Didaktikbereich vorgesehen sind, und wofür Lehrer von der Behörde abgestellt wurden. An der Universität ist man nach Angaben von Thomas Hoffmeister, Konrektor für Lehre und Studium, von der Nachricht völlig überrascht worden. Zwar sehe man, dass die Not in Bremen groß ist, doch seien die Dekane der einzelnen Fachbereiche nun verunsichert, ob alle Module für die Lehrerausbildung im kommenden Semester tatsächlich angeboten werden können.
„Fakt ist, dass wir die Lehrer als Experten aus der Praxis benötigen und wir keinen Ersatz finden werden“, sagte Hoffmeister. Die Universität und die Behörde wollen in den kommenden Wochen Gespräche führen, wie man die Lehrerausbildung sicherstellen kann, kündigte Bogedan an. Unter anderem soll über neue Teilzeitmodelle und Lehraufträge verhandelt werden.
Anreize an unterversorgten Schulen
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sorgt die Nachricht über mögliche Versetzungen für gemischte Gefühle. „Wenn einige Schulen andernfalls hoffnungslos unterversorgt sind, muss man den Schritt als Notlösung wohl gehen“, sagte GEW-Sprecher Christian Gloede. „Allerdings darf das nicht unter Zwang passieren“, betonte er. Die Behörde müsse die Anreize an unterversorgten Schulen noch einmal erhöhen, fordert die GEW. „Das kann in finanzieller Form oder über Stundenentlastung passieren“, so Gloede weiter.
Wie ernst die Situation an den Schulen derzeit ist, zeigt auch, dass die vor einigen Wochen gewährten Entlastungsstunden für besonders geforderte Schulen bisher nicht überall angekommen sind. Dort fehle das Personal, um die Maßnahmen umzusetzen. Erst am Mittwoch hatte die Gewerkschaft zusammen mit Beschäftigten gegen steigende Belastungen protestiert. „Wir hatten eigentlich gehofft, dass sich aufgrund der Entlastungsstunden mehr Anwärter in den ausgewählten Schulen bewerben. Das hat bisher jedoch nicht so gefruchtet, wie wir uns das gewünscht hätten“, sagte Bogedan.
Die Bildungssenatorin machte zudem deutlich, dass Bremen neue Wege im Bereich der Lehrergewinnung gehen müsste, unter anderem in Form von Seiteneinstiegsprogrammen und neuen Modellen der Teilzeitbeschäftigung. Auch Pensionäre sollen weiterhin verstärkt angesprochen werden, ihren Ruhestand hinauszuzögern. Die Bürgerschaft hatte in der vergangenen Woche das Landesbeamtengesetz entsprechend angepasst. Lehrer können nun künftig ihren Ruhestand freiwillig um bis zu fünf Jahre hinausschieben.
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung fehlen bis 2025 bundesweit allein 35.000 Grundschullehrer. Dass der Bedarf an Lehrkräften noch steigen wird, zeigt auch eine Prognose der Bremer Behörde. Bis 2025 werden im Grundschulbereich 176 Lehrkräfte in Rente gehen, im Bereich der Sekundarstufe I sind es 228. Durch den Anstieg der Schülerzahlen ergebe sich ein Mehrbedarf über die Abgänge hinaus. Für die Grundschulen würden dadurch zusätzlich 120 Lehrkräfte benötigt werden, in der Sekundarstufe I seien es 152.
Bremen beteiligt sich deshalb auch an der Debatte um die bessere Bezahlung von Grundschullehrern. Die SPD-Fraktion hatte Ende Mai auf ihrer Klausurtagung beschlossen, sich für ein höhere Besoldungsgruppe als Einstiegsgehalt einzusetzen. Claudia Bogedan machte im Interview jedoch deutlich, dass Bremen als Haushaltsnotlageland nicht alleine vorpreschen könne. „Wir müssen uns dabei stark an Niedersachsen orientieren“, sagte sie.