Viel Hurra für die neue Planung zum Haven Höövt, verbale Schläge für die hohe Häuserplanung am Ende des Stadtgartens. Der Beirat Vegesack erlebte im Beisein von Bausenator Joachim Lohse und Stadtbaudirektorin Iris Reuter jetzt einen Schlagabtausch von Baurechtsexperten, Stararchitekten und betroffene Anwohner – und mitten drin schlichtenden Ortspolitikern aller Fraktionen. Die Neuigkeit: Das Haven Höövt heißt künftig „Kontor am Alten Speicher“. Der Einzelhandel wollte den alten Namen nicht.
Projektentwickler Willy Koch hat einsehen müssen: „Bei unseren Gesprächen haben wir festgestellt, dass der Name Haven Höövt für viele Einzelhändler verbrannt ist. Und dann haben wir gesehen: Wir sind hier ja jetzt vor allem im Wohnen unterwegs und nicht mehr im Einzelhandel.“ Ein verbindender Titel musste her. Nun soll das Wohnquartier laut Koch mit „Wohnen am Alten Speicher“ und das hintere Einzelhandelszentrum eben mit „Kontor am Alten Speicher“ beworben werden. Koch berichtete auch von Kundenbefragungen von Kaufland. Ergebnisse daraus seien, dass man auf jeden Fall mit einer großen Frischfischtheke und deutlich größeren Parkboxen antreten wolle – Letzteres kostenlos für die Kunden. Bekanntlich mussten die Kunden bisher für die Stellplätze im Parkhaus zahlen.
Nachdem mit Jan und Benjamin Wirth die Gewinner des Architektenwettbewerbs noch einmal ihre Folien präsentierten, kam viel Lob von allen politischen Seiten. Cord Degenhard von den "Bürgern in Wut" machte da keine Ausnahme, fand aber den hohen Gebäudekomplex vor dem verkleinerten Einzelhandelszentrum nicht so gut. Thomas Pörschke von den Grünen war bei den Jurygesprächen dabei und beruhigte während der Sitzung, dass der Baugrund dort ohnehin kein so hohes Gebäude wie in den Planungen zulasse. Auch Bauamtsleiter Maximilian Donaubauer sprach von nötigen und ganz normalen Schärfungen im städtebaulichen Entwurf der jungen Bremer Architekten. Die bedankten sich fast überschwänglich mit den Worten, sie hätten sich immer die Planung genau solch eines Stadtquartiers gewünscht.
Ihr Kollege Thomas Back aus dem renommierten Londoner Architekturbüro Caruso St. John dürfte sich an dem Abend wohl eher gewünscht haben, nicht mit der Kleinstadt Vegesack und ihren Einwohnern in Berührung gekommen zu sein: Die Kommunalpolitik ging mit den Plänen zu den beiden Backstein-Wohntürmen auf dem Grundstück der ersten Vulkan-Verwaltung an der Weserstraße noch recht freundlich um. Aber schon bei Backs Präsentation regte sich im Publikum seitens der Anwohner lautstarker Protest: „Schwachsinn“ sei eine perspektivische Darstellung der Höhen in einer der präsentierten Grafiken. Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt rief wenig erfreut zur Ordnung im Saal.
Komplett aus der Regie lief die Sache dann mit den Auftritten von Andreas Nickel für die Lürssen-Firmengruppe und deren Anwalt Holger Schwemer. Schnell wurde klar: Auch Lürssen will unter keinen Umständen neue Nachbarn näher an die Grenze zum alten Vulkangewerbegebiet heranrücken lassen. Der Hamburger Anwalt bezweifelte gar die Rechtmäßigkeit des hier aufzustellenden Bebauungsplan. Er kam gar mit Hinweisen auf einen Seweso-III-Paragraphen im Baurecht, die neue Wohnbebauung nahe extrem gefährlicher Gewerbebetriebe wie Werften ausschließe.
Brief der Handelskammer
Die Lokalpolitik reagierte vorsichtig auf die mächtigen Gegner des Bauprojekts. Nur Thomas Pörschke ging auch noch auf einen Brief der Handelskammer im Sinne von Lürssen ein, in dem die Kammer die Vegesacker auffordert, von dem Projekt Abstand zu nehmen: „Das ist keine vermittelnde Rolle, die ich hier von einer Kammer erwarte. Hier geht es nicht nur um Gewerbe, sondern auch um Bauwirtschaft und um positive Effekte auf den ortsnahen Handel durch höherwertiges Wohnen.“
Stadtplaner Siegfried Hafke eilte seinem Chef Maximilian Donaubauer zur Seite und machte deutlich, an welche Lärmbeschränkungen sich der Werftbetrieb schon mit dem seinerzeit mit Lürssen selbst abgestimmten neuen Vulkan-B-Plan gebunden habe. Hafke hatte auch Lärmgrenzen aus der Überseestadt dabei, wo neues Wohnen neben altem Gewerbe wiederum noch viel höheren Lärmbelastungen ausgesetzt ist. Senator Joachim Lohse griff ein und versicherte den Lürssen-Abgesandten eine genaue rechtliche Prüfung ihrer Einwände.
Der Senator und Baudirektorin Reuter verabschiedeten sich zum Ärger einiger Anwohner aber entschuldigend gegen 21.30 Uhr mit anderen Terminen in der Stadt, bevor alle Bürgereinwände vorgetragen waren. Und die prasselten gleich mit seitenlangen Erklärungen auf das Stadtteilparlament ein. Ortsamtsleiter Heiko Dornstedt machte irgendwann sichtlich genervt klar, dass all diese Bürgerstimmen in der Veranstaltung des Bauamtes – der vorzeitigen Bürgerbeteiligung Wochen zuvor - hätten geäußert werden sollen. Doch diese vorzeitige Bürgerbeteiligung hatte das Bauamt mitten in die Ferienzeit gelegt.
Noch gegen 22 Uhr wurden in den Gängen und vor dem Stadthaus Verschwörungstheorien geschmiedet, in der Weserstraße wolle man mal eben schnell Fakten schaffen. Dabei hatte der Beirat nur Minuten vorher unter anderem einstimmig beschlossen, dass das Bauressort alle Eingaben ausführlich zu prüfen habe – auf Wiedervorlage im Stadtteilparlament.