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Vortrag im Haus der Wissenschaft Meeresanstieg auch in Bremen erwartet

Starkregen und Meeresspiegelanstieg betreffen auch die Hansestadt, prognostiziert Gewässerökologe Michael Schirmer. Im Haus der Wissenschaft sprach er über den globalen Klimawandel und die regionalen Folgen.
24.10.2019, 10:27 Uhr
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Von Jörn Hildebrandt

Der CO₂-Gehalt auf der Erde steigt an, das weiß mittlerweile fast jedes Kind. Doch dass es so schnell geht, hätten selbst Pessimisten nicht erwartet. „Allein in den Jahren von 2017 bis 2019 hat sich ein dramatischer Anstieg von CO₂ um fünf Parts per Million (ppm) in der Atmosphäre vollzogen“, sagt Michael Schirmer, „dieses Gas steht stellvertretend für zahlreiche andere Gase, die den Treibhauseffekt verstärken. Zum Beispiel Methan, Stickstoffdioxid oder halogenierte Kohlenwasserstoffe. Sie bewirken im Endeffekt, dass die Temperatur auf der Erde steigt.“

Auf Einladung der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (DGGL) hielt der Gewässerökologe im Haus der Wissenschaft einen Vortrag über den globalen Klimawandel und präsentierte aktuelle Daten. Michael Schirmer brach die Verhältnisse auch auf die Verhältnisse in Bremen herunter, denn als Deichhauptmann beim Deichverband am rechten Weserufer hat er unmittelbar mit dem Klimawandel zu tun: Starkregen und Meeresspiegelanstieg betreffen auch die Hansestadt, die existenziell von schützenden Deichen abhängig ist.

Über Jahrtausende lag der CO₂-Gehalt in der Atmosphäre bei 260 ppm, heute liegt er bei 400 ppm. „Derart hohe Werte hat es in den letzten 10 000 Jahren nicht gegeben“, sagt Michael Schirmer, „und sogar in den letzten 800 000 Jahren lagen sie selten über 300 ppm.“ Entsprechend stieg auch die Durchschnittstemperatur auf dem Planeten an, die heute global um etwa ein Grad höher ist als im Jahr 1880. Perspektivisch könnte sie bis zum Jahr 2100 sogar um drei Grad steigen – trotz des Paris-Abkommens.

Nur wenn die darin gesetzten Klimaziele weltweit erreicht werden, könne die Erwärmung von „nur“ 1,5 Grad gehalten werden. Derzeit spreche jedoch alles für den schlimmstmöglichen Fall, den Worst Case, so Schirmer: Die Eisflächen der Arktis nehmen dramatisch ab, und schon von 2040 an ist damit zu rechnen, dass die Arktis im September eisfrei bleibt.

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Die globale Erwärmung zeige sich auch in Deutschland: Hatte das Jahresmittel der Temperatur in Bremen im Jahr 2012 noch bei 9,7 Grad Celsius gelegen, so waren es im Jahr 2018 bereits 11,0 Grad. Schirmer hat sich die Mühe gemacht, neueste Daten einzuarbeiten: Der Herbst dauert bei uns nach aktuellen Zahlen vom 11. Februar 2019 zwei Wochen länger als normal, und der Winter ist inzwischen fast drei Wochen kürzer. Erkennbar werden diese Veränderungen vor allem an der Blattverfärbung und der Blütezeit von Bäumen. Zum Beispiel die Stieleiche oder der Hasel.

Weniger eindeutig als für die Temperaturen seien die Prognosen für die Niederschläge in Norddeutschland, so Schirmer: „In einigen Regionen wird es wahrscheinlich mehr, in anderen weniger regnen, aber in der Tendenz steuern wir auf mittelmeerische Verhältnisse zu. Weniger Regen im Sommer, mehr Regen im Winter, wobei in Norddeutschland die Winter überproportional wärmer werden.“ Die letzten beiden heißen Jahre hätte er bei seiner Arbeit als Deichhauptmann zu spüren bekommen: „Die Grabensysteme in den Grünlandgebieten in und um Bremen wurden aufgrund der Trockenheit von Entwässerung auf Bewässerung umgestellt“, berichtet Schirmer.

Als Ballungsraum vieler Menschen stellt auch Bremen eine Hitzeinsel dar, in der die Zahl der „Tropentage“ und auch Starkregen zunehmen werde. „Daran muss sich die Stadtplanung anpassen, indem sie für mehr Beschattung und Frischluft sorgt, Dächer begrünt und Wärme dämmt.“ Auch der Trinkwasserverbrauch schieße an heißen Tagen dramatisch in die Höhe, und Wasservorräte, die Bremen aus Niedersachsen bezieht, könnten zum Engpass werden. Für ein klimaangepasstes Wassermanagement müssten zudem mehr Versickerungsmöglichkeiten geschaffen werden. Das ergebe in einer Großstadt wie Bremen häufig Konflikte.

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Über die Weser ist Bremen eng mit der Nordsee verknüpft und damit unmittelbar vom Meeresspiegelanstieg betroffen, der sich aus den erhöhten Temperaturen ergibt. „Über die Unterweser kommt der Meeresspiegelanstieg zu 99 Prozent auch in Bremen an. Eine Vertiefung der Weser würde ihn noch verstärken“, so Schirmer. „Höher auflaufendes Wasser aus der Unterweser macht sich bereits jetzt bemerkbar, denn das Lesumsperrwerk musste in den vergangenen Jahren viel öfter geschlossen werden als vorher.“ Ein Sperrwerk an der Wesermündung würde zwar den Tideeinfluss weitgehend aufheben können, doch damit wären Erhöhungen der Seedeiche bei gigantischen Kosten notwendig, so Schirmer.

Den Deichen, die Bremen schützen, kommt eine enorme Bedeutung zu. „Ohne sie würde Bremen am Rande des Wattenmeers liegen“, sagt Schirmer. „Als Vorsorgemaßnahme gegen den Klimawandel sind wir derzeit dabei, die Deiche in Bremen zu erhöhen.“

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