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Neue Kripo-Chefin "Kriminalität bekämpfen, nicht nur verwalten"

Petra van Anken statt Jürgen Osmers – Bremens Kripo hat jetzt eine Chefin. Die muss wie er mit vielen Unzulänglichkeiten klarkommen. Hat aber Gründe, optimistisch an ihre neue Aufgabe heranzugehen.
04.10.2022, 05:00 Uhr
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Von Ralf Michel

Wenn man sich die aktuellen Probleme der Kriminalpolizei vor Augen führt: Zu wenig Personal, Berge unerledigter Akten, dass Gefühl, den Kriminellen technisch immer hinterherzuhinken… Mal ehrlich, Herr Osmers, freut man sich da nicht einfach nur, in den Ruhestand zu gehen und das alles hinter sich lassen zu können?

Jürgen Osmers: Einerseits ist das so. Wenn man sich jahrelang als Verantwortlicher mit dieser Problematik auseinandersetzen musste, ist das jetzt tatsächlich eine Belastung, die abfällt. Andererseits ist aber genau das unser Geschäft. Mit den Unzulänglichkeiten und Problemen klarzukommen und trotzdem gute Ergebnisse abzuliefern, ist der Pfeffer an der Sache.

Also am Ende mehr Freude über Ermittlungserfolge als Frust über die Unzulänglichkeiten des Systems?

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Jürgen Osmers: Ganz ehrlich – die Freude überwiegt. Wie zuletzt bei den Encrochat-Drogenverfahren. Wie es uns da gelungen ist, das Personal zusammenzuschieben, gute Verfahrenserfolge zu erzielen und damit auch vor Gericht zu bestehen. Quasi zu zeigen, dass wir als Kripo, wenn wir denn gelassen werden, auch abliefern können.

Frau van Anken, dieselbe Frage in umgekehrter Richtung: Wie ist es, unter den gegebenen Rahmenbedingungen Kripo-Chefin zu werden?

Petra van Anken: Zugegeben, das ist schon eine große Verantwortung und Herausforderung. Das sind aber die Strukturen und Rahmenbedingungen, die wir haben. Und trotz dieser aktuellen Situation und Belastung für alle kann ich darauf vertrauen, dass wir in der Kriminalpolizei viele motivierte Kolleginnen und Kollegen haben, die täglich gute und engagierte Arbeit leisten.

Wenn über die Kripo berichtet wird, geht es häufig um Themen wie Personalmangel oder fehlende finanzielle Mittel, seltener um Ihre eigentliche Arbeit. Ist das – zumal in verantwortlicher Position – nicht auf die Dauer zermürbend?

Petra van Anken: Wir haben fünf Ermittlungsabteilungen, in denen die unterschiedlichsten Phänomene bearbeitet werden, die häufig gar nicht im Fokus der Öffentlichkeit sind. Da gäbe es sicherlich noch ganz viele andere positive Dinge zu berichten. Encrochat ist da ein ganz gutes und prominentes Beispiel dafür, dass wir immer dann, wenn wir Kräfte und Know-how bündeln, auch wirklich erfolgreich sein können. Das kostet Kraft, ein hohes Maß an Mitarbeitereinsatz, erfordert Wissenstransfer und Expertise. Aber wenn wir uns so aufstellen können, sind wir wirklich gut.

Jürgen Osmers: Es gibt ja nicht nur erfolgreiche Einzelfälle, sondern auch erfolgreiche Entwicklungen. Nehmen Sie zum Beispiel die Rockerkriminalität. Da haben wir mit unseren Ermittlungen das Futter für ein Vereinsverbot geliefert, das der Innensenator dann erfolgreich durchgeführt hat. Ich will nichts schönreden, aber zumindest die offene Rockerkriminalität – Hells Angels, die den Verkehr regelten –, also das, was die Bürger in Bremen lange beunruhigt hat, gibt es hier seit Jahren nicht mehr.

Sie waren 25 Jahre bei der Kriminalpolizei. Gab es Fälle, mit denen Sie im Rückblick nicht zufrieden sind?

Jürgen Osmers: Über die BAO „Gold“ ärgere ich mich schon.

Sie sprechen von der Besonderen Aufbauorganisation, die den Terroralarm 2015 in Bremen aufklären sollte?

Jürgen Osmers: Richtig. Damals hatten wir aus unserer Sicht substanzielle Informationen, die ich auch heute noch für so schwerwiegend halte, dass ich unser Herangehen damals richtig finde. Aber wie wir dann weiter damit umgegangen sind, das war in Teilen unprofessionell. Da haben wir auch bei den kriminalpolizeilichen Maßnahmen handwerkliche Fehler gemacht. Und das wurmt einen schon, wenn man wie ich damals, mitverantwortlich für die Organisation war. Inzwischen haben wir daraus aber erhebliche konzeptionelle Konsequenzen gezogen und uns besser organisatorisch vorbereitet.

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Gibt es konkrete Kriminalfälle, die Ihnen bis heute aufs Gemüt drücken?

Jürgen Osmers: Ja, da gibt es einen. Sicher keine Überraschung: der Fall Adelina.

2001, der ungeklärte Mord an einem zehnjährigen Mädchen?

Jürgen Osmers: Der Fall hat uns damals natürlich alle gepackt. Das Mitgefühl, wenn ein Kind ermordet wird, die lange Unklarheit und dann all das, was wir investiert haben. Das sitzt schon tief.

Aus der Vergangenheit zu Gegenwart und Zukunft. Wo werden Sie als neue Chefin Akzente setzen, Frau van Anken?

Petra van Anken: Schwierige Frage vor dem Hintergrund der aktuellen Situation der Polizei Bremen und was die an Herausforderungen auch für die Kriminalpolizei birgt. Da geht es nicht darum, ob und wie ich die Kripo jetzt umkremple, sondern eher darum zu schauen, wie wir uns unter den gegebenen Rahmenbedingungen organisieren. Wie bleiben wir flexibel, um auch neue Schwerpunkte angehen und erforderlichenfalls schnell reagieren zu können? Zugleich will ich aber auch gewährleisten, dass die anderen Ermittlungsbereiche arbeitsfähig bleiben. Die Arbeitsbelastung meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darf ich dabei natürlich nicht außer Acht lassen.

Das war jetzt eine sehr organisationslastige Antwort auf die Frage nach Ihren Plänen.

Petra van Anken: Es geht kaum anders. Die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere Opfer und Geschädigte, haben einen Anspruch darauf, dass wir Kriminalität bekämpfen und nicht nur verwalten. Das müssen wir auf irgendeine Weise organisatorisch hinbekommen. Und das eben unter den aktuell gegebenen Rahmenbedingungen und dem andauernden Bestreben, Personal für die Kriminalpolizei zu gewinnen.

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Schwerpunkte wird es aber auch weiterhin geben?

Petra van Anken: Natürlich. Wir wollen kriminelle Strukturen aufdecken und Kriminalität erfolgreich bekämpfen. Organisierte Kriminalität, Clankriminalität, Kinderpornografie, Cybercrime… das sind weiterhin unsere Schwerpunkte. Wir behalten die Kriminalitätsentwicklung aber insgesamt im Auge und eben immer verbunden mit dem Blick darauf, was es für andere Phänomenbereiche bedeutet, wenn ich in der Folge Personal zur Bearbeitung dieser oder weiterer Schwerpunkte umsteuern muss.

Alltagssorgen, die Sie ab sofort nicht mehr belasten, Herr Osmers. Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Jürgen Osmers: Eine weitere Sache, die mich ärgert, ist, dass wir die offengebliebenen Altfälle im Bereich der Tötungsdelikte, die sogenannten Cold Cases, nicht systematischer angehen konnten. Hier werde ich noch einmal ehrenamtlich Zeit investieren. Zum einen, indem ich bis zum Jahresende einen Vorschlag erarbeite, wie wir uns bei der Cold-Case-Bearbeitung besser organisieren. Was jetzt aber kein Hobbygedanke im stillen Kämmerlein ist. Wir haben hier mit den Fachexperten und  der Behördenleitung zusammengesessen, in welche Richtung das gehen könnte. Zum anderen werde ich mir ganz konkret einen dieser Cold Cases vornehmen. Als unbeteiligter Ermittler mit Erfahrung aus der Mordkommission, vor allem aber mit Zeit und Muße. Man kann in diesen Bereichen eine Menge machen, aber dafür braucht man Zeit. Und die habe ich ja jetzt.

Das Gespräch führte Ralf Michel.

Zur Person

Jürgen Osmers,(61), ist gebürtiger Bremer und seit 1979 in Diensten der Polizei. Seit 2014 war er stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei, seit 2020 dann Kripo-Chef. Zum 1. September wurde  er in  den Ruhestand verabschiedet.

Petra van Anken, (54), gebürtige Niedersächsin, arbeitet seit 1991 bei der Bremer Polizei. 2017 wurde sie Stabsabteilungsleiterin bei der Kriminalpolizei, im Juli 2021 stellvertretende Kripo-Chefin und seit dem 1. September Nachfolgerin von Jürgen Osmers.

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