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Jutta Günther "Nicht zu schwach für die Exzellenzstrategie"

Im Gespräch mit dem WESER-KURIER bekräftigt die neue Rektorin Jutta Günther die Exzellenzziele der Uni Bremen. Zugleich hat sie noch ein anderes Ziel fest im Blick.
02.03.2022, 20:53 Uhr
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Von Frank Hethey

Frau Günther, Sie treten Ihr Amt in schwierigen Zeiten an. Mit dem Wissenschaftsplan 2025 sollte die Uni zu neuen Ufern aufbrechen, doch dann kam die Corona-Pandemie dazwischen. Geht es nur um Mangelverwaltung?  

Jutta Günther: Von außen sieht es so aus, dass immer nur alles von Finanzen bestimmt ist. Natürlich muss alles auch finanziert werden. Wir sind in der Grundausstattung unterfinanziert, wir erreichen nicht einmal den Bundesdurchschnitt in der Grundfinanzierung. Nicht zufällig haben wir einen sehr hohen Drittmittelanteil, einen der höchsten in der Bundesrepublik. Wir werden sehr stark von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert. Das bedeutet immer: Wenn man stark in der DFG-Forschung ist, dann ist man stark in der Grundlagenforschung.

Der Nachteil als Vorteil? Der hohe Drittmittelanteil hat auch sein Gutes?

Die Grundlagenforschung macht uns auch stark für die Exzellenzstrategie. Dabei geht es um international herausragende Grundlagenforschung. Die Universität Bremen befindet sich jetzt in der Vorbereitung der Skizzen für die Exzellenzstrategie. Es geht im ersten Anlauf darum, weitere Cluster zu gewinnen.

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Das Marum – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen – ist dabei ja gesetzt...

Das Marum wurde durchgängig gefördert, es hat derzeit eine Exzellenzcluster-Förderung. Es wird sich ganz sicher wieder bewerben, die Aussichten sind sehr gut. Wenngleich: Nichts auf dieser Welt ist ein Selbstläufer, man muss sich sehr stark anstrengen. Es ist ein beinharter Wettbewerb, in der gesamten Bundesrepublik Deutschland werden sehr viele Universitäten an den Start gehen. Der Korridor für neue, zusätzliche Cluster ist sehr eng.  Es wird darauf ankommen, attraktive Themen zu setzen – an einem Standort oder in Kooperation mit einer anderen Universität.

Sie brauchen noch ein zweites Cluster als Exzellenzuniversität.

Es werden sich aus der Universität heraus voraussichtlich noch weitere Teams bewerben. Die Materialwissenschaften sind sehr stark aufgestellt, die Sozialwissenschaften bereiten sich intensiv vor und der Bereich Minds, Media, Machines, also die Informations- und Kognitionswissenschaften.

Darf ich trotzdem noch mal nachhaken: Die Uni braucht Geld, um im nationalen und internationalen Wettbewerb zu bestehen. Da war der Jubel groß über den Wissenschaftsplan 2025 – und auch die Ernüchterung über die abgespeckte Variante.    

Die festgeschriebenen zusätzlichen Mittel des Wissenschaftsplans 2025 haben wir noch gar nicht angetreten.Der Wissenschaftsplan erstreckt sich über einen Zeitraum von fünf Jahren. In der letzten Haushaltsrunde sind für die Universität kaum Mittelzuwächse entstanden. Das heißt aber nicht, dass wir notwendigerweise zu schwach wären, um in die Exzellenzstrategie einzusteigen. Wir haben sehr starke und hochmotivierte Forscherinnen und Forscher an Bord und haben jetzt auch noch einmal zusätzliche Professuren ausgeschrieben, um die Exzellenzstrategie zu stärken.

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Und Teil der Exzellenzstrategie könnten auch Kooperationen mit Partner-Unis sein?

Wir sind dabei, Kooperationen zu sondieren, um mit anderen Universitäten zusammen in den Wettbewerb zu gehen. Wir sind mit einer sehr knappen und dünnen Ausstattung unterwegs, das ist richtig. Aber wir haben an unserem Standort schon immer mit sehr wenig Mitteln sehr Großes bewegt. Das ambitionierte Ziel der Exzellenz haben wir uns für die nächste Ausschreibung gesteckt, auch wenn nur wenige neue Clusterteams in die Förderung aufgenommen werden können. 

Sie haben gerade Kooperationen angesprochen, das gilt also auch schon für die Cluster?

Ja, es besteht die Möglichkeit, Clusterteams in Kooperation mit anderen Universitäten zu bilden. Dazu muss das wissenschaftliche Konzept sehr gut passen und auch die „Chemie“ zwischen den Forschenden stimmen.

Aber federführend bleibt die Uni Bremen? Das ist dann das Cluster der Uni Bremen?

Das ist dann Gegenstand der Aushandlungen, wer federführend ist. Da müssen immer die wissenschaftlichen Kriterien greifen. Man muss wissenschaftlich überzeugen. Wenn man die Universität zur Federführenden macht, die weniger Expertise auf dem jeweiligen Gebiet hat, dann ist das weniger überzeugend für den wissenschaftlichen Begutachtungsprozess.

Während der Pandemie musste die Uni auf digitale Formate umstellen. Wann ist wieder mit Normalität zu rechnen? Gibt es als positive Folge der Pandemie einen digitalen Schub, ein Hybridmodell in Lehre und Forschung?

In Lehre, Forschung und Verwaltung wird zurzeit parallel und intensiv digitalisiert. Wir werden im Sommersemester in Präsenz gehen, das heißt: keine digitalen Lehrveranstaltungen, sondern Präsenzveranstaltungen. Da möchten wir wieder hin. Es wird sicherlich Lerneffekte aus der Online-Lehre geben. Aber wir sind eine Präsenzuniversität.

Für Schlagzeilen haben vor knapp einem Jahr die Umzugspläne an den Brill gesorgt, es war von einem Teilumzug die Rede. Wie sieht es damit aus?

Die Verhandlungen laufen weiter, das wird alles sorgfältig geprüft. Der Standort am Brill ist etwas, was uns wie jeder Umzug sicherlich Vor- und Nachteile bereitet. Wenn es dazu kommt, werden wir das positiv gestalten. 

Man konnte den Eindruck gewinnen, Politik und Uni seien sich im Grundsatz einig über den neuen Standort am Brill.

Es läuft eine Machbarkeitsstudie. Ich habe da eine gesunde, pragmatische Einstellung: einen Schritt nach dem anderen. Solange noch keine Ergebnisse aus der Machbarkeitsstudie vorliegen, ist das ein offener Prozess.

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Die Uni Bremen ist auch eine Stätte der Lehramtsausbildung. Deutschland braucht dringend neue Lehrkräfte – müssen Sie da noch nachsatteln?

Lehrerinnen- und Lehrerausbildung ist eine sehr wichtige Aufgabe an der Uni Bremen. Wir sind da schon stark aufgestellt und leisten sehr viel für die Gesellschaft. Was wir aber nicht unterschätzen dürfen: Es geht nicht nur darum, Lehrerinnen und Lehrer auszubilden, wir leisten auch in der Bildungsforschung unseren Beitrag. Da sind wir eine der wichtigsten Adressen für das Land Bremen und kooperieren auch international.

Sie legen in Ihrer Zukunftsstrategie großen Wert auf Klimawandel und Nachhaltigkeit der Universität. Wie muss man das konkret verstehen?

Die Universität selbst hat dieses Thema schon seit längerer Zeit stark thematisiert. Das treibt vor allem die junge Generation um, da gibt es eine riesengroße Nachfrage bei den Studierenden: mehr Lehrangebote im Bereich Klimawandel, Klimaneutralität und Nachhaltigkeitsfragen. Das hat einen Prozess angestoßen auch im Akademischen Senat (AS) als Vertretung aller Statusgruppen. Deshalb haben wir schon jetzt eine AS-Kommission gegründet, die sich gezielt mit der Frage beschäftigt, was Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit für unsere Universität in der Forschung, in der Lehre, aber auch im Unibetrieb bedeuten. Da werden jetzt Konzepte erarbeitet, wie wir dieses Thema weiter vorantreiben.

Klima-Universität Bremen?

So könnte es heißen. Es könnte auch Nachhaltigkeits-Universität Bremen heißen oder Klima- und Nachhaltigkeits-Universität, das Kind wird einen Namen haben. Da Klimafragen gesellschaftlich hochrelevant sind, habe ich die Vorstellung, dieses Thema künftig noch viel stärker auch als profilgebendes Thema in der Universität stark zu machen.

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Sie sprechen von einem sowohl geistes- als auch naturwissenschaftlichen Ansatz?

Alle Disziplinen gehören dazu, das ist ganz wichtig. Klima bedeutet nicht nur Technik und Naturwissenschaften, die sind natürlich enorm wichtig, um Klimawandel zu erklären und technische Lösungen zu schaffen. Aber wir brauchen alle Disziplinen. Die sozial-ökologische Transformation, die ja längst in Gang ist, braucht vor allem eine kulturelle und gesellschaftliche Veränderung. Die Geisteshaltung wird sich verändern müssen, um dem Klimawandel zu begegnen. Die wissenschaftliche Bearbeitung kann man nicht ohne Geistes- und Sozialwissenschaften vornehmen.

Haben Sie für die Profilierung als Klimauniversität ein Zeitfenster im Kopf?

Wir sind schon im Prozess. In meiner ersten Amtszeit soll die Klima- und Nachhaltigkeitsausrichtung ein in der Breite der Universität diskutiertes wichtiges Thema werden, sodass sich die Universität an die Umsetzung in Forschung, Lehre und Transfer machen kann.

Das Gespräch führte Frank Hethey

Zur Person

Jutta Günther 

die 54-jährige Professorin für Volkswirtschaftslehre wird am 1. September 2022 Nachfolgerin von Rektor Bernd Scholz-Reiter

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