Für eine Übernahme der defizitären privaten Jacobs University (JUB) in Bremen-Grohn gibt es mehr als nur einen Interessenten. Die Verhandlungen mit einem deutsch-chinesischen Konsortium stecken offenbar in einer schwierigen Phase: Eine schriftliche Erklärung (Letter of Intent), die bisherigen Mehrheitsanteile der Jacobs Foundation an der JUB erwerben zu wollen, existiert bislang nicht – obwohl die Unterzeichnung vom Bremer Senat bereits vor einem Monat angekündigt worden war. Dafür ist Wissenschaftssenatorin Claudia Schilling (SPD) jedoch „mit weiteren potenziellen Partnern und Investoren“ im Gespräch, wie ihr Sprecher Sebastian Rösener am Dienstag bestätigte.
Zur Anzahl oder Herkunft der neuen Interessenten machte Rösener keine Angaben. Bislang war nur ein Konsortium – bestehend aus dem deutschen Software-Konzern SAP, dem chinesischen IT-Dienstleister Neusoft und dem Deutschen Zentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) – ernsthaft interessiert, die JUB zu übernehmen und in ein Kompetenzzentrum für Künstliche Intelligenz umzubauen. Ob die weiteren Interessenten ähnliche Absichten haben, ist offen.
Aus der Professorenschaft der JUB ist zu hören, dass die Zahl der Interessenten in den vergangenen 14 Tagen „stark zugenommen“ habe – nachdem Bremen das Beratungsunternehmen Translink mit der Betreuung des Prozesses beauftragt habe. „Wir sind spezialisiert auf mittelgroße, grenzüberschreitende Transaktionen, typischerweise in der Größenordnung zwischen 10-300 Millionen Euro“, heißt es in einer Eigendarstellung von Translink. Und nach Aussage von JUB-Professoren gibt es nun auch Interessenten, die dreistellige Millionenbeträge in Grohn investieren wollen.
Ist das Konsortium aus SAP, DFKI und Neusoft damit schon aus dem Rennen? Rösener spricht von „weiterhin intensiven Gesprächen mit potenziellen Partnern aus dem IT-, KI- und Wissenschaftsbereich“. Und das Trio hatte ebenfalls in Aussicht gestellt, innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre einen zweistelligen Millionenbetrag in Grohn zu investieren. Das Geld werde in Informatikausrüstung, Laborinfrastruktur und den Ausbau von Bürokapazitäten fließen und in zusätzlichen Wohnraum für Studenten – ihre Zahl soll sich rasch auf mindestens 3000 verdoppeln, so der Plan.
Mangelndes Bekenntnis des Senats
Andererseits gibt es auch Bedenken, insbesondere gegen die Beteiligung des chinesischen Konzerns Neusoft. „Da sind Konflikte programmiert“, zitiert die „taz“ den Mathematik-Professor Marcel Oliver, der an der JUB lehrt. Manche stellen auch einen Zusammenhang mit dem überraschenden Rücktritt des bisherigen JUB-Präsidenten Antonio Loprieno her: „Das mangelnde Bekenntnis des Senats zur JUB und dessen mutmaßlicher Alleingang, die Öffentlichkeit ohne Absprache über laufende Verhandlungen mit Investoren zu informieren, haben da gewiss eine Rolle gespielt“, meint die wissenschaftspolitische Sprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion Susanne Grobien.
Zu Loprienos Rücktrittsgründen äußern sich allerdings weder er selbst noch Senatorin Schilling. Letztere suchte dafür am Dienstag das Gespräch mit dem Faculty Council der JUB, dem aktuell sechsköpfigen Ausschuss der Professorenschaft. Der hatte vor drei Wochen in einem Offenen Brief bedauert, nicht in die Gespräche über die Zukunft der JUB einbezogen zu sein. Nun hat ein erstes Gespräch in offenbar sehr positiver Atmosphäre stattgefunden. Die Professoren der JUB –die meisten mit internationaler Erfahrung und entsprechenden Kontakten – bieten an, die Umwandlung der JUB aktiv mitzugestalten. Dabei geht es auch darum, den Status als Universität inklusive Promotionsrecht zu erhalten.
Eine Verengung auf den Bereich Künstliche Intelligenz sieht man im Faculty Council skeptisch, lieber möchte man dieses „absolute Zukunftsthema“ ins bestehende Lehrprogramm integrieren. „Investoren haben Interesse an unserer Uni, weil sie so ist, wie sie ist“, heißt es selbstbewusst. Man verweist auf 20 Studiengänge, die allesamt akkreditiert – also unabhängig qualitätsgeprüft – sind. Und auf die gute Platzierung der JUB in vielen internationalen Rankings.
Jedes Jahr würden zehn bis zwölf Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben, 300 Doktoranden und Post-Docs beschäftige man quasi „als Steuerzahler für Bremen“. Nach Schätzung der Wissenschaftssenatorin würden trotzdem bis 2026 rund 40 Millionen Euro an Zuschüssen notwendig sein, „um die Liquidität der JUB zu sichern“. Das will Schilling keinesfalls, also bemüht sie sich als Aufsichtsratsvorsitzende der JUB um eine andere Lösung. „Der Transformationsprozess, der in den nächsten Wochen und Monaten stattfinden wird, soll eine dauerhafte Perspektive für die JUB unter der Trägerschaft privater Akteure entwickeln“, erläutert ihr Sprecher Rösener. Die Mehrheitsanteile, die Bremen zum 1. Januar 2021 von der Jacobs Foundation erwirbt, will das Land höchsten ein halbes Jahr lang behalten.