Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) wollte nach einer Verzögerung von mehr als einem halben Jahr in diesem Monat mit der ersten neuen Straßenbahn an den Start gehen. Doch daraus wird nichts, wie das Unternehmen auf Anfrage am Montag mitgeteilt hat. Grund seien weiterhin die Probleme in der Fabrikation.
Die insgesamt 77 Bahnen mit einem Gesamtwert von rund 230 Millionen Euro werden von Siemens in Wien hergestellt. Sie sind speziell auf die Bedürfnisse und technischen Anforderungen der BSAG ausgerichtet. Das Ergebnis hat die Ingenieure des Bremer Nahverkehrsunternehmens offenbar noch nicht überzeugt. Sie sind nach BSAG-Angaben regelmäßig in Wien und überprüfen im Werk die Produktion. Auch BSAG-Chef Hajo Müller habe sich vor Ort ein Bild verschafft. Kurz vor Weihnachten sei die Entscheidung getroffen worden, noch einmal nachbessern zu lassen.
„Ursprünglich sollte die erste Bahn bereits im Einsatz sein“, erklärt BSAG-Sprecher Jens-Christian Meyer. Noch nicht im regulären Linienbetrieb, wohl aber zur Erprobung. Nun werde es wahrscheinlich noch ein wenig dauern, bis das erste Gefährt die Reise von Wien nach Bremen antritt. Die Bahn nimmt dabei einen Umweg. Sie macht zunächst im Siemens-Prüfcenter in Wegberg-Wildenrath Halt. Die Anlage im Landkreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen gehört weltweit zu den modernsten ihrer Art.
Das Eisenbahn-Bundesamt hat sie zertifiziert und erlaubt, neue Fahrzeugtypen zuzulassen. Davon unbenommen muss die neue Straßenbahn auch in Bremen erst einmal diverse Tests bestehen, bevor sie verlässlich und sicher in Betrieb gehen kann. „Wir beladen sie zum Beispiel mit Sandsäcken, um Fahrten unter Belastung zu simulieren“, sagt Meyer.
Die ersten Monate dienten im Streckennetz allein solchen Messungen. Der BSAG-Sprecher schätzt, dass noch ein halbes Jahr verstreicht, bis die erste Bahn regulär im Einsatz ist. „Die zweite dürfte schnell danach kommen, und dann geht es bei Siemens in Wien mit der Serienproduktion los.“ Bis schließlich sämtliche bestellte Bahnen unter Strom sind und die Linien bedienen, werden zwei bis zweieinhalb Jahre vergehen, prognostiziert Meyer.
Bremen spart durch Herstellerwechsel
Die BSAG verfügt über 119 Straßenbahnen. Knapp zwei Drittel davon sollen nach und nach ersetzt werden. Mit den neuen Fahrzeugen geht ein Herstellerwechsel einher, von Bombardier zu Siemens. „Wir haben damals bei der Ausschreibung von Siemens ein richtig gutes Angebot bekommen, das Bremen viel Geld spart“, sagt Meyer. Im Nachgang seien noch einige Anforderungen verändert worden, insbesondere in puncto Barrierefreiheit. Sie betreffen die Art des Einstiegs für die Fahrgäste und die Anzahl der Türen.
Also mussten die Experten von Siemens noch einmal an die Konstruktion ran. Mit den Verzögerungen habe das allerdings nichts zu tun, versichert die BSAG. Es sei mehr die eigene Sorgfalt: „Die Bahn muss perfekt sein.“ Vor Weihnachten hatte das Unternehmen in einer großen Werbekampagne geradezu verheißungsvoll auf die baldige Ankunft der neuen Bahn hingewiesen.
Ein Geschenk für die Stadt, eingehüllt in rotem Samt und vor der Kulisse des Bremer Rathauses – so präsentierte die BSAG den Gelenk-Triebwagen der neuen Generation. Er besteht aus vier Wagenkästen und ist fast 37 Meter lang. Die Breite ist mit 2,65 Metern gegenüber dem Vorgängermodell gleich geblieben. Acht große Multifunktionsbereiche bieten Platz für Kinderwagen, Rollatoren und Rollstühle. Angetrieben werden die Züge von sechs Motoren mit jeweils 120 Kilowatt (etwa 164 PS). Bei maximaler Beschleunigung sind damit 70 Stundenkilometer möglich. Die Bahn fasst rund 260 Fahrgäste.
„Mehr Komfort. Mehr Platz. Mehr Sicherheit. Mehr Bahn für Bremen ab 2020“, hatten die Straßenbahner ihre Kampagne betitelt. Den neuen Typen tauften sie „Nordlicht“. Siemens führt ihn als Avenio. Unter diesem Namen wurde er nach Darstellung des Unternehmens unter anderem bereits nach München, Den Haag und Doha verkauft. Als im Juni 2017 zwischen der BSAG und dem Hersteller die Verträge unterzeichnet wurden, war Teil der Vereinbarung, dass die ersten Bahnen ab Frühjahr 2019 in Betrieb gehen sollen. Die Verzögerung hat keine Konsequenzen für das Vertragsverhältnis.